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Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen in einem Vorspiel und drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' (zwei Pausen)

Premiere im Opernhaus Nürnberg am 11. Oktober 2015




Staatstheater Nürnberg
(Homepage)

Weltenbrand getwittert 

Von Thomas Molke / Fotos von Ludwig Olah


"Geraten ist ihm der Ring": so lautet der Titel einer Podiumsdiskussion, in der sich das Regie-Team am 17. November 2015 um 20.00 Uhr im Foyer des Neuen Museums zur Inszenierung der Ring-Tetralogie im Staatstheater Nürnberg äußern wird, die nun mit der Götterdämmerung ihren Abschluss gefunden hat und ab der kommenden Spielzeit dann auch zyklisch zu erleben sein soll. Anlässlich dieses Ereignisses gibt es im Neuen Museum vom 16. Oktober bis zum 6. Dezember 2015 eine Ausstellung, in der der Versuch unternommen wird, "inszenatorische Momente für den Museumsraum" weiterzudenken und so "das Universum des Rings im Museum auf anderen als der Oper üblichen Ebenen zugänglich zu machen". Inwieweit der Titel des Podiumsgesprächs auch auf Schmiedleitners Inszenierung zutrifft, wird vom Premierenpublikum der Götterdämmerung jedenfalls recht kontrovers diskutiert. Im Vergleich zum Siegfried sind die unnötigen Regiemätzchen zwar etwas weniger geworden, aber auch hier lassen sich einige zentralen Ansätze sicherlich sehr kontrovers diskutieren.

Der Anfang überzeugt szenisch auf ganzer Linie. Schmiedleitner lässt die Nornen beim Spannen des Seils durch das Parkett und den Rang klettern und fordert Ida Aldrian, Solgerd Isalv und Anne Ellersiek, die als Gast für Michaela Maria Mayer eingesprungen ist, körperlich einiges ab. So müssen die Nornen unter anderem über die Lehnen der Sitze im Parkett steigen und sind dabei schon darauf angewiesen, dass ihnen der eine oder andere Zuschauer eine Hand zur Stütze reicht. Das Seil wird von drei Tonbändern dargestellt, die die Nornen im Saal langsam abrollen und die sie dann, nachdem sie auf der Bühne angekommen sind, reißen lassen. Auch im dritten Aufzug tauchen diese Tonbänder erneut auf, dieses Mal bei den Rheintöchtern, als sie Siegfried seinen baldigen Tod prophezeien. Doch Siegfried lässt sich weder von der Drohung der drei Wasserwesen beeindrucken, noch von den abgerollten Tonbändern einschränken und befreit sich aus den Fängen des Schicksalsfadens. Ob Schmiedleitner die Nornen mit den Rheintöchtern gleichsetzen will - immerhin werden sie auch von den gleichen Darstellerinnen gesungen -, lässt sich nur mutmaßen. Die unterschiedlichen Kostüme sind jedenfalls kein Indiz dafür. Stimmlich überzeugen Aldrian, Isalv und Ellersiek durch eine gute Textverständlichkeit und einen homogenen Dreiklang.

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Siegfried (Vincent Wolfsteiner) drängt es zu neuen Taten, kein Wunder bei einer solch unbequemen Behausung (links: Rachael Tovey als Brünnhilde).

Wieso die Nornen nach dem Reißen des Seils nicht hinab zur Mutter Erda steigen, sondern auf dem Bühnenelement, in dem sich Siegfried und Brünnhilde niedergelassen haben, nach oben fahren, lässt sich nur so erklären, dass es in diesem Bühnenelement kein Oben und kein Unten gibt. Die Requisiten, die man noch aus dem letzten Aufzug des Siegfried kennt, stehen teilweise auf dem Kopf oder sind seitlich befestigt. Sinn macht das eigentlich nicht, zumal es Vincent Wolfsteiner und Rachael Tovey als Siegfried und Brünnhilde auch darstellerisch stark einschränkt. Stimmlich beginnt Tovey leider da, wo sie im Siegfried aufgehört hat. Die Höhen sind absolut schrill angesetzt, worunter auch die Textverständlichkeit enorm leidet. Wolfsteiner gibt mit strahlendem Tenor einen Helden ab, der in der Personenführung doch recht tumb daherkommt. Wenn er dann auch noch eine Trachtenlederhose anziehen muss, um mit einem kleinen Stoffpferd zu neuen Taten auszuziehen, gibt Schmiedleitner den Helden endgültig der Lächerlichkeit preis.

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Siegfried (Vincent Wolfsteiner, vorne rechts) und Gunther (Jochen Kupfer, vorne Mitte) schließen Blutsbrüderschaft (hinten rechts: Ekaterina Godovanets als Gutrune, hinten links: Woong-Jo Choi als Hagen).

Für die Gibichungen hat Stefan Brandtmayer einen sterilen Raum entworfen, der einer digitalisierten Welt zu entstammen scheint. Die zerstörte Umwelt und die Menschen am Rand der Gesellschaft werden hier einfach ausgeblendet, indem ein schräger Bühnenboden herabgelassen wird, der die Menschen nicht nur verbirgt, sondern indirekt auch noch andeutet, dass der Wohlstand der Gibichungen auf der Ausbeutung anderer fußt. Im zweiten Aufzug lässt Schmiedleitner diese anderen als Flüchtlingsstrom mit einem großen Boot auftreten, mit dem sie zwischen Hagens Mannen erscheinen und von diesen in die Knie gezwungen werden, so dass sie, wenn der Bühnenboden wieder schräg hochgefahren wird, hilflos wieder ins Elend hinabgleiten. So können sie den Hochzeitsfeierlichkeiten nur als Zaungäste hinter einer Fensterfront beiwohnen. Siegfrieds Verwandlung in Gunther findet dann bereits am Gibichungenhof vor dem Aufbruch zum Walkürefelsen statt. Gutrune zieht Siegfried den gleichen hellblauen Anzug an, den auch Gunther trägt. Wenn er Brünnhilde damit erobert, macht Schmiedleitner sehr deutlich, dass Siegfried alles andere als züchtig die Nacht neben Brünnhilde verbringt. Zum Ende des ersten Aufzugs lässt er Siegfried seinen Bauch entblößen und Brünnhilde langsam auf ihn zurücken. Damit wäre eigentlich alles gesagt. Dass der zweite Aufzug dann noch Siegfried mit blankem Hintern auf dem Kühlschrank sitzend und die geschändete Brünnhilde mit aufgeschlagenen Knien zeigt, ist völlig unnötig.

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"Hörst du mich, Hagen mein Sohn?" (Antonio Yang (hinten) als Alberich) und Woong-Jo Choi (vorne) als Hagen)

Musikalisch kommen nun die beiden Glanzpunkte des Abends: Waltrautes Erzählung und die Szene zwischen Hagen und Alberich. Roswitha Christina Müller überzeugt als Waltraute in ihrer Schilderung mit dramatischem Mezzo und einer hervorragenden Diktion. Woong-Jo Choi begeistert als Hagen mit nachtschwarzem Bass, der dem finsteren Albensohn charakterlich mehr als gerecht wird. Antonio Yang, der schon im Rheingold als Alberich begeisterte, glänzt auch in seiner relativ kurzen Szene im zweiten Aufzug mit kräftigem Bass-Bariton. Dabei entwickelt Schmiedleitner eine ungewohnte Sichtweise auf die Szene zwischen Alberich und seinem Sohn. Während man Alberich gewöhnlich eher als Geist wahrnimmt, dessen Macht mittlerweile geschwunden ist, so dass er seinen Sohn eher anfleht als ihm wirklich Befehle erteilt, dreht Schmiedleitner das Machtverhältnis um. Alberich erscheint Hagen als regelrechter Alptraum und lässt den Nachtalben absolut bedrohlich erscheinen. Verzweifelt scheint Hagen sich dem Einfluss seines Vaters entziehen zu wollen, am Ende sogar mit Mord, doch da ist Alberich bereits wieder verschwunden und scheint hinter einer Glasscheibe nur noch Hagens Gedanken zu manipulieren.

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Weltenbrand (in der Mitte sitzend: Vincent Wolfsteiner als Siegfried, vorne rechts: Rachael Tovey als Brünnhilde mit Ida Aldrian, Solgerd Isalv und Michaela Maria Mayer als Rheintöchter, im Hintergrund: Chor)

Für die Szene bei den Rheintöchtern greift Schmiedleitner ein Bild aus dem Rheingold auf. Im Hintergrund hängt wieder die gewaltige Baumkrone, die, ebenso wie die Bühne, mit Plastikmüll übersät ist. Das Wasser scheint dem Rhein mittlerweile ausgegangen zu sein. In einem leeren Swimmingpool tummeln sich die Rheintöchter und versuchen erfolglos, Siegfried den Ring abzugewinnen. Wieso Hagen anschließend Siegfried mit seinem eigenen Schwert ermordet, obwohl der Meineid an seinem Speer geschworen worden ist, erschließt sich nicht. Ebenso wenig wird klar, wieso Gunther den toten Siegfried beim Trauermarsch wieder aufstellt und dieser anschließend dann auf den herabgelassenen Boden der Gibichungenhalle krabbelt. Bewegend hingegen gelingt der Moment, wenn sich die Mannen alle entsetzt vom Leichnam abwenden und Gunther mit dem toten Blutsbruder allein lassen. Die Inszenierung des Weltenbrands löst dann wiederum nur Unverständnis aus. Während Brünnhildes Schlussgesang bauen die drei Rheintöchter in beigefarbenen Trenchcoats einen Tisch mit einem Laptop auf und fangen an zu twittern, was auf die Rückseite der Bühne projiziert wird. Wenn Brünnhilde dann den Rheintöchtern den Ring übergibt, setzt sie sich zu ihnen an den Tisch und unterschreibt Papiere, während ein Filmteam auf der Bühne erscheint und die Geschichte zu kommentieren scheint. Auf der Bühne sieht man nun die Flüchtlinge aus dem zweiten Aufzug, die alle ein Handy mit dem Bild eines brennenden Feuers in die Höhe halten. Soll das die Vision einer neuen Welt sein?

Während der Regie-Ansatz das Premierenpublikum eher spaltet, wird die musikalische Leistung des Abends mit großem Jubel belohnt. Marcus Bosch erntet mit der Staatsphilharmonie Nürnberg für sein kraftvolles Dirigat großen Zuspruch, wobei man sich stellenweise etwas mehr Zurückhaltung gewünscht hätte, um den Sängern das Leben nicht ganz so schwer zu machen. Besonders Rachael Tovey hätte als Brünnhilde dann vielleicht mehr Gelegenheit gehabt, die Facetten der Partie etwas differenzierter herauszuarbeiten. So kann sie zwar in den mittleren Passagen mit großer Dramatik überzeugen, wird allerdings in den Höhen an ihre Grenzen gezwungen. Dass es ab dem zweiten Aufzug nicht mehr so störend wirkt, mag vor allem daran liegen, dass Brünnhildes Wut und Wunsch zur Rache dadurch glaubhaft zur Geltung kommen. Vincent Wolfsteiner gelingt es stets, mit dem laut aufspielenden Orchester mitzuhalten, und wird stimmlich und darstellerisch dem jugendlichen Helden gerecht. Jochen Kupfer und Ekaterina Godovanets gefallen stimmlich und darstellerisch als Gibichungenpaar Gunther und Gutrune. Der heimliche Star des Abends ist und bleibt allerdings Woong-Jo Choi als Hagen.

FAZIT

Der Abschluss der Tetralogie überzeugt musikalisch und weist auch szenisch einige gute Ansätze auf. Den Weltenbrand lässt Schmiedleitner aber völlig verpuffen und inszeniert hierbei doch stark gegen die Musik.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marcus Bosch

Inszenierung
Georg Schmiedleitner

Bühne
Stefan Brandtmayr

Kostüme
Alfred Mayerhofer

Licht
Olaf Lundt

Video
Boris Brinkmann

Chor
Tarmo Vaask

Dramaturgie
Kai Weßler


Chor und Chorgäste des
Staatstheater Nürnberg

Staatsphilharmonie Nürnberg


Solisten

*Premierenbesetzung

Siegfried
Vincent Wolfsteiner

Gunther
Jochen Kupfer

Hagen
Woong-Jo Choi

Alberich
Antonio Yang

Brünnhilde
Rachael Tovey

Gutrune
Ekaterina Godovanets

Waltraute
Roswitha Christina Müller

1. Norn / Flosshilde
Ida Aldrian

2. Norn / Wellgunde
Solgerd Isalv

3. Norn / Woglinde
Michaela Maria Mayer /
*Anne Ellersiek (als Gast)


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Nürnberg
(Homepage)



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