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Un ballo in maschera (Ein Maskenball)

Oper in drei Akten
Text von Antonio Somma nach Eugène Scribes Drama Gustav III. ou le bal masqué
Musik von Giuseppe Verdi


Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater Mönchengladbach am 11. September 2015

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Theater Krefeld-Mönchengladbach
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Der Tag, an dem Henry Kissinger beinahe John F. Kennedy ermordet hätte

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Stutte

Die Story von Verdis Maskenball, die historisch einigermaßen korrekt dargestellt das tödliche Attentat auf den schwedischen König Gustav III. 1792 zum Gegenstand hatte, war der neapolitanischen Zensurbehörde 1858 allzu heikel - Königsmord, da könnte ja noch jemand auf falsche Gedanken kommen. Die Uraufführung wurde kurzerhand abgesetzt. In Rom gab man sich liberaler und bot Verdi einen Kompromiss an: Die Handlung wurde ins Ferne Amerika verlegt, aus dem König wurde der Gouverneur von Boston. Verdi scheint das relativ gleichgültig gewesen zu sein, ihm lag wohl ohnehin wenig an historischer Genauigkeit, viel dagegen an theatralischer Glaubwürdigkeit - und bis auf den Schauplatz und ein paar Namen ging sein Werk in der vorgesehenen Form durch. So hat sich die Oper auf den Spielplänen durchgesetzt, bis man im 20. Jahrhundert vermehrt auf den Originaltext zurück griff. Heutige Regisseure haben also die freie Wahl, und da liegt Andreas Baesler Amerika näher als Schweden - wobei er gleich noch aus Boston die Hauptstadt Washington macht, und statt eines x-beliebigen Phantasiegouverneurs bekommt man einen leibhaftigen Präsidenten zu sehen. Und nicht irgendeinen, nein, mit John F. Kennedy gibt es den Popstar unter den Präsidenten. Auch der ist ja schließlich an den Folgen eines Attentats gestorben.

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Establishment im Oval Office: Referentin Oscar tanzt auf dem Tisch, Präsident Riccardo (im Sessel links) und Renato schauen zu,

Warum nicht, könnte man denken, denn Baesler und sein Team (Bühne: Hermann Feuchter, Kostüme: Caroline Dohmen) haben im Wesentlichen nichts anderes im Sinn als eine Ausstattungsoper in erzkonventioneller Manier, in der pathetisch gelitten und gestorben wird, warum also das nicht im Weißen Haus spielen lassen? Nun ja, weil das natürlich Bilder sind, die man mit anderen Zusammenhängen verbindet. Kennedy als absoluter Monarch, der mit seiner Administration mal eben schnell Trainingsanzüge der Navy überstreift, um eine Wahrsagerin aufzusuchen - das sieht schon hochgradig albern aus, zumal diese schräge Bagage auch noch im Takt der Musik über die Bühne joggen muss. Wenn ein paar Momente später alle ihre Fähnchen zücken, um Mr. President zuzujubeln, nur die fiesen Verschwörer am rechten Bühnenrand nicht, dann wähnt man sich schon in einer Parodie auf die Oper, so altmodisch ist das choreographiert. Nein, die Verlegung ins Washington der 1960er-Jahre bringt nicht nur keinen Gewinn für die Oper, sondern geht gehörig auf die Nerven, weil die Handlung in diesem auf Realismus getrimmten Kontext völlig unglaubwürdig wird.

Vergrößerung in neuem Fenster Wahrsagerei in den 1960er-Jahren: Ulrica

Noch mehr: Die Kostüme legen sich wie ein zäher Schleim über die Figuren und lassen diese leblos und uninteressant agieren wie Puppen oder besser wie Wachsfiguren. Denn offenbar hat das Regieteam große Freude daran gehabt, nicht nur aus dem Grafen Riccardo den Präsidenten Kennedy zu machen (was optisch eher schlecht gelingt), sondern noch etliche andere Figuren der amerikanischen Geschichte herbeizuzitieren. Amelia wird zu Jackie Kennedy, wofür Sängerin Izabela Matula zwar nicht die richtige Figur hat, aber Perücke und Mantel richten das schon. Halt, ist das nicht ein Denkfehler? Amelia ist doch gerade nicht die Präsidentengattin, sondern die Frau seines besten Freundes Renato (der aus Eifersucht zum Mörder wird). Egal. Der Verschwörer Tom sieht Henry Kissinger verblüffend ähnlich. (Aber auf wen spielt der geschniegelte Kumpan Samuel an - auf den sehr jungen Ronald Reagan vielleicht?) Im Chor laufen ein paar Gestalten herum, das könnten glatt Kennedys Amtsvorgänger aus fernen Zeiten sein.

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Verschwörer: Renato mit Samuel (links) und Tom; rechts außen Amelia und Oscar

Mitunter sieht das aus wie eine große Revue. Was an sich nicht ganz falsch wäre, da die Musik von Un ballo in maschera grandios verschiedene Stilebenen verbindet. Baesler mag das im Hinterkopf mitgedacht haben, bleibt aber in der biederen Umsetzung viel zu harmlos, als dass die Aufführung Gewinn daraus ziehen könnte. Die schon erwähnten Staatsbeamten im Jogginganzug, die Verschwörer mit Trenchcoat, Schlapphut und Sonnenbrille - das sieht dann leider doch nur nach missglückter Operette aus. Wenn dazu noch der im Libretto für die nächtliche Begegnung vorgesehene Galgenberg zum Keller mit elektrischem Stuhl umgedeutet wird und zur Mitternacht die Wanduhr aufleuchtet (Spuk!), wird es vollends hanebüchen. Nicht wegen etwaiger provokativer Ideen, sondern wegen der handwerklichen Ungeschicklichkeit.

Vergrößerung in neuem Fenster Finale, konventionell: Riccardo stirbt in Amelias Armen

Weitaus besser sieht es um die musikalische Seite aus. Michael Siemon beginnt als Riccardo ein wenig wacklig, und allzu viel klangliche Substanz hat sein Tenor auch nicht, aber er singt sich frei und trumpft mit einer zwar nicht großen, aber sicheren Höhe auf und versteht es auch, die Partie zu gestalten. Imposant ist der Bariton von Johannes Schwärsky als Renato, wuchtig und großformatig. Izabela Matula singt eine packende Amelia mit schneidend präsenter (nicht unangenehmer) Höhe. Aus dem Pagen Oscar wird hier eine attraktive junge Frau - Sophie Witte zeigt dafür nicht nur viel (meist tänzelndes) Bein, sondern singt auch noch ungemein wendig mit glasklarer, nicht zu kleiner Stimme. Mit ihrem Kostüm als afroamerikanische Medizinfrau, die zum Wahrsagen erst einmal ein Huhn köpft, wäre die Ulrica auf jeder Karnevalsparty preiswürdig - hier ist das leider ernst gemeint, aber Eva Maria Günschmann kann der Figur immerhin musikalisch mit abgedunkeltem Mezzo Profil verleihen. Mit Rafael Bruck als Silvano, Andrew Nolan als Samuel und Hayk Dèinyan als Tom sind auch die kleineren Partien sehr ordentlich besetzt, und Maria Benyumova hat den sehr aufmerksamen Opernchor offensichtlich gut vorbereitet. Die Niederrheinischen Sinfoniker könnten, was das Spektrum an Klangfarben angeht, sicher noch zulegen, aber nach ziemlich holprigem Beginn überzeugen sie unter der Leitung von GMD Mihkel Kütson vor allem in den mit Verve (aber sehr sängerfreundlich) gespielten dramatischen Passagen.


FAZIT

Sehr beachtlich, was hier musikalisch zu hören ist. Szenisch dagegen verschenkt die völlig harmlose Regie das Stück.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mihkel Kütson

Inszenierung
Andreas Baesler

Bühne
Hermann Feuchter

Kostüme
Caroline Dohmen

Chor
Maria Benyumova


Statisterie und Chor des Theater
Krefeld und Mönchengladbach

Die Niederrheinischen Sinfoniker


Solisten

Riccardo
Michael Siemon

Renato
Johannes Schwärsky

Amelia, seine Frau
Izabela Matula

Ulrica, Wahrsagerin
Eva Maria Günschmann

Oscar
Sophie Witte

Silvano, Matrose
Rafael Bruck

Samuel, Offizier
Andrew Nolen

Tom, Richter
Hayk Dèinyan

Ein Diener Amelias
James Park



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