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Elektra

Tragödie in einem Akt
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln


Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)


Premiere am 22.Oktober 2015 im Opernhaus Magdeburg

 



Theater Magdeburg
(Homepage)

Das Leben als Alptraum

Von Roberto Becker / Fotos von Andreas Lander

Dieser Einakter von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal ist der Opern-Rachethriller schlechthin. 1909 war Elektra eine Steigerung seiner Salome aus dem Jahre 1905. Danach gab es eine Kehrtwende weg vom Weg in die radikale Moderne und hin zum Rosenkavalier. Elektra ist also in gewisser Hinsicht ein Höhepunkt im Schaffen von Richard Strauss, und das darf man durchaus sehen und vor allem hören. Unter Leitung ihres ersten Kapellmeisters Michael Balke braucht die Magdeburgische Philharmonie nicht allzu lange, um den dunkel dräuenden Ton zu treffen, der die Eloquenz vor allem der Frauen genauso tragen muss wie dann den Jubel stemmen, der aus Elektra herausbricht. Das gelingt in Magdeburg auf packendem, in sich stimmigem Niveau. Balke nimmt die Partitur sozusagen frontal als Steigerung der Salome, spitzt zu und setzt machtvoll und beklemmend jene Alptraumszenerie, die die Regisseurin Aniara Amos in dem düster archaischen Bühnenhalbrund von Corinna Gassauer zelebriert.

Vergrößerung in neuem Fenster Die gespaltene Elektra im Gespräch mit ihrer Schwester Chrysothemis

Dieser Raum assoziiert den klassischen Palasthof ebenso wie einen geistigen Innenraum, sozusagen im Kopf bzw. der verletzten Seele Elektras. Im Hintergrund weitet sich eine archaische Landschaft und auf der Mauer tauchen die Akteure der Kindheit als Bilder der Erinnerung auf. Das sieht man Elektras Vater Agamemnon in einer schmucken, weißen Uniform sowie Elektra und ihren Bruder als Kinder. So sieht sie später auch den heimkehrenden Bruder Orest oder ihre Schwester Chrysothemis. Während sie als Erwachsene vor ihr stehen, wendet sie sich deren kindlichen alter egos zu. Mit diesem auf Trauma-Diagnose zielenden psychologisierenden Ansatz geht die Regisseurin allerdings konsequent weiter.

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Elektra und ihre Mutter - zwei Frauen ohne gute Nächte

Sie zeigt auf der Erinnerungsebene, dass Elektra von ihrem Vater Agamemnon missbraucht wurde. Oft sieht man das nicht, selbst bei tiefschürfenden Regisseuren. Mag sein, dass es eine speziell weibliche Sichtweise ist, aber Amos findet eine szenische Entsprechung für eine oft sogar gestrichene Stelle. Im Programmheft wird das explizit benannt: Bei ihrer Wiederbegegnung mit dem Bruder sagt Elektra zu ihm "Ich habe alles, was ich war, hingeben müssen. Meine Scham hab ich geopfert, die Scham, die süßer als Alles ist, die Scham, die wie ein Silberdunst, der milchige des Monds, um jedes Weib herum ist und das Grässliche von ihr und ihrer Seele weghält, Verstehst du's Bruder?" In Magdeburg folgt dann auch noch die ergänzende Klarstellung: "Diese süßen Schauder hab' ich dem Vater opfern müssen. Meinst du, wenn ich an meinem Leib mich freute, drangen meine Seufzer, drang mein nicht sein Stöhnen, an mein Bette? Eifersüchtig sind die Toten: und er schickte mir den Hass, den hohläugigen Hass als Bräutigam." So was muss eine Königstochter schier zerreißen.

Vergrößerung in neuem Fenster So sieht Elektra Orest - hinter ihr als Tod vor ihr der kleine Bruder

Wie Elektra. Bei Amos gibt es Elektra gleich neun Mal auf der Bühne, darunter alle fünf Mägde. Sie verschmelzen mitunter wie zu einer Person, sind als Teil des Ganzen permanent auf der Szene. Dieser Ansatz geht schlüssig auf, weil vor allem Jenny Stark (Aufseherin), Henriette Gödde (1. Magd), Ilka Hesse (2. Magd), Inga Schäfer (3. Magd), Uta Zierenberg (4. Magd) und Hale Soner (5. Magd) ihre Rollen ernst nehmen und differenziert ausspielen. Beim Auftritt der von Alpträumen geplagten Klytämnestra zwischen ihren beiden Begleiterinnen merkt man vor allem in den Kostümen von Maria-Elena Amos und den stilisierten Bewegungen die ästhetische Nähe zur Ästhetik Achim Freyers, aus dessen künstlerischen Umfeld die in Chile geborene Regisseurin kommt. Aber auch wenn Orest als Knochenmann oben auf der Mauer erscheint, nachdem er vorher schon in Gestalt eines Kinderskeletts in den Augen der Schwester immer anwesend war. So wie er dann rituell die rächende Axt schwingt, erinnert das deutlich an die poetische Traumwelt von Freyer.

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Der falsche Triumph der Rache - Orest ist der leibhaftige Tod mit der Axt

Aber alles fügt sich zu einem eigenen Ganzen. Was natürlich vor allem den Sängerdarstellern im Zentrum der Geschichte zu verdanken ist. Undine Dreißig lässt ihrer Klytämnestra jenen Rest Würde, der ihr als Frau eines Mannes zusteht, der ihre eine Tochter missbraucht und ihre andere Tochter Iphigenie ohne weiteres den Göttern für besseres Kriegseintrittswetter geopfert hätte. Vor heutigen Gerichten würde das ihr Strafmaß für die Beteiligung an der Ermordung Agamemnons wohl deutlich reduzieren. Als attraktives, lebensbejahendes Gegenbild zu ihrer Schwester muss Nora Danon zwar alle stimmlichen Kräfte aufbieten, ist aber insgesamt eine überzeugende Chrysothemis, ebenso wie Marin-Jan Nijhof seinen Orest anrührend und kraftvoll singt. Michael Gniffke schließlich gelingt eine eindrucksvolle Kurzstudie des angemaßten Möchtegernherrschers Aegisth. Elektra ist nicht nur gespalten, wie hier ganz wortwörtlich in gleich neun Teilpersönlichkeiten. Sie ist auch nicht zu retten. Um das Maß voll zu machen, sehen wir am Ende, kurz vor ihrem Tod, noch einmal mit ihren Augen, oben auf der Mauer, ihr ganzes Leben im Zeitraffer rückwärts ablaufen. Das schlimmste ist ihre Ahnung, dass auch Chrysothemis in den Abgrund gezogen werden könnte. Da muss man dann doch erst einmal durchatmen, bevor man in den Beifall einstimmt.


FAZIT

Rundherum überzeugend!



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Balke

Inszenierung
Aniara Amos

Bühne
Corinna Gassauer

Kostüme
Maria Elena Amos

Lichtkonzept
Ace McCarron

Dramaturgie
Ulrike Schröder


Statisterie und Opernchor
des Theaters Magdeburg

Die Magdeburgische Philharmonie


Solisten

Klytämnestra
Undine Dreißig

Elektra
Elaine McKrill

Chrysothemis
Noa Danon

Aegisth
Michael Gniffke

Orest
Martin-Jan Nijhof

Ein junger Diener
Chan Young Lee

Ein alter Diener
Frank Heinrich

Die Aufseherin
Jenny Stark

Erste Magd
Henriette Gödde

Zweite Magd
Ilka Hesse

Dritte Magd
Inga Schäfer

Vierte Magd/Schleppträgerin
Uta Zierenberg

Fünfte Magd/ Vertraute
Hale Soner

Der Pfleger des Orest
Paul Sketris



Weitere
Informationen

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Theater Magdeburg
(Homepage)



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