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Musiktheater
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Der Golem

Musiktheater für Stimmen, Chor Großes Orchester und Jazz-Trio
nach dem Roman von Gustav Meyrink und einem Video-Libretto von Peter Misotten
Musik von Bernhard Lang


In deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (keine Pause)

Premiere am 16. April 2016 am Nationaltheater Mannheim



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Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Eine fantastische Reise ins Unterbewusste

Von Joachim Lange / Fotos von Hans Jörg Michel


Ein flüchtiger Blick auf die Spielpläne vermittelt den Eindruck: Alles sei schon dagewesen. Mozart, Verdi, Wagner, Strauss und retour. Schaut man genauer hin, gibt es eine erstaunliche Zahl von Novitäten. In München Südpol, in Heidelberg Pym, in Lyon Benjamins letzte Nacht, in Erfurt Gutenberg, in Freiburg Kaspar Hauser und jetzt in Mannheim Der Golem. Die Oper in Mannheim ist zusammen mit der Oper Frankfurt das amtierende Opernhaus des Jahres. Völlig zurecht. Allein in der laufenden Spielzeit kann man hier u.a. Henzes Bassariden, Halevys Jüdin oder (2013) Weinbergs Idiot in jeweils höchst gelungenen Inszenierungen bestaunen. Und jetzt auch das zweite Mal (nach Montezuma Fallende Adler 2010) ein an den in Linz geborenen und in Graz Kompostion lehrenden österreichischen Komponisten Bernhard vergebenes Auftragswerk Der Golem.

Foto kommt später

Es ist ein rätselhaftes Stück Musiktheater. Und ein Glücksfall unter den aktuellen Opern-Novitäten. Zu verdanken ist der dem für seine experimentellen Ambitionen bekannten Linzer Komponisten Bernhard Lang (59), der auch schon Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle Dresden war. Und dem flämischen Videokünstler Peter Missotten (53), der ein Video-Libretto dafür schuf, Regie führte und für die Bühne verantwortlich zeichnet. Dabei ist das Verdienst Bernhard Langs diesmal nicht ein weiterer Erkundungsschritt ins computer-infiltrierte Klangneuland. Eher ein Ausfallschritt zur Seite, vielleicht sogar zurück. Mehr Bauch und Gefühl als elaborierte Tüftelei. Es beginnt verhalten. Ein ausgehaltener Ton zum Auftakt, ein Zirpen in das harte Schläge einbrechen. Rhythmische Wiederholungen, die zu Explosionen führen, immer wieder Ausbrüche, abrupte Wechsel.

Foto kommt später

Was Graben, Chor und Protagonisten produzieren, gibt sich alsbald als ein Personalstil zu erkennen, der durch die zelebrierten Wiederholungsschleifen bestimmter Sequenzen oder Worte zwar das Artifizielle ausstellt, aber mit seinem Anschmiegen an den Rhythmus der Sprache zugleich eine Sinnlichkeit entfaltet, die sich immer wieder in die Opulenz des vollen Orchesterklangs, des pointierten Rhythmus, des oratorischen Chorsingsangs und einer geschmeidigen vokalen Eloquenz aufschwingt. Dabei sind die ganzen 80 Minuten abwechslungsreich und langweilen nie mit ausgeklügelter Selbstbezogenheit. Joseph Trafton koordiniert vom Pult des großbesetzten und um ein Jazz-Trio erweiterten Orchesters aus das ganze Klang(t)raum-Universum souverän.

Foto kommt später

Eins freilich ist wohl neu: das Video-Libretto. Ein knapp einstündiger, assoziativ den Roman Der Golem (1915) von Gustav Meyrink umkreisender schwarz-weißer Stummfilm, der zugleich Teil der faszinierenden Traumatmosphäre der dunklen Bühne ist. Dort werden das transparente Wachhäuschen und ein schiefer gläserner Quader, der von Ferne an eine Prager Gasse erinnert, ebenso zu Projektionsflächen wie die Riesenbildschirme im Hintergrund, auf denen wunderbar melancholische Landschafts- und Geästbilder vorbeiziehen. An der Seite ist der Chor sichtbar unsichtbar auf einer Tribüne platziert. In und zwischen dieser Traumlandschaft schreiten immer wieder nackte Gestalten mit Spitzhüten. Hier begegnet Athanasius Pernath (Raymond Ayers) dem gerissenen Trödler Wassertrum, der von seinem Stiefsohn verfolgt wird (beide verkörpert der Altus Alin Deleanu), aber auch Angelina (Astrid Kessler) und Mirjam (Marie-Belle Sandis), deren Vater Hillel (Steven Scheschareg), etlichen anderen und sich selbst.

Foto kommt später

Dabei versteht man zwar jedes Wort, denn das ausgezeichnete in Hand-Mikros singende Ensemble pflegt die Tugend der Wortverständlichkeit. Doch nicht unbedingt jeder Hakenschlag des äußeren Geschehens der Collage aus zweiundzwanzig Kapiteln erschließt sich dem schnell gebannten Zuhörer völlig. Muss auch nicht. Denn was man hört, sieht, ahnt, assoziiert, kommt als Ganzes an. Einschließlich der Frage, ob Athanasius Pernath im Dickicht seines Unterbewusstseins wirklich dem sagenhaften Golem des Rabbi Löw aus dem 16. Jahrhundert begegnet ist, der alle 33 Jahre durch die Prager Gassen spuken soll. In dieser Welt zwischen Wahn und Wirklichkeit ist das gar nicht so wichtig.


FAZIT

Eine faszinierende Opernnovität von ganz eigenem Reiz. Nicht alles enträtselt sich, aber in dem Falle machen auch die offenen Fragen Lust auf mehr.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Joseph Trafton

Inszenierung, Bühne, Licht
Peter Missotten

Kostüme
Lotte Milder

Video
Casper Wortmann
Peter Missotten

Chor
Francesco Damiani
Aki Schmitt

Dramaturgie
Merle Fahrholz



Statisterie des
Nationaltheaters Mannheim

Chor des
Nationaltheaters Mannheim

Orchester des
Nationaltheaters Mannheim


Solisten

Angelina / Kellnerin
Astrid Kessler

Hillel / Athanasius Pernath Double
Steven Scheschareg

Mirjam
Marie-Belle Sandis

Zwack / Wenzel / Schaffranek
Raphael Wittmer

Prokop / Polizist / U-Richter / Portier
Gary Martin

Laponder / Ferry
Uwe Eikötter

Kinderstimme
Lukas Stadlmüller

Performer auf der Bühne
Nick Bos
Jelle Hoekstra
Casper Wortmann

Performer im Video
Nick Bos
Jelle Hoekstra
Joey Schrauwen
Luca Szymkowiak
Peter von Til
Mathieu Wijdeven u.a.



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



Da capo al Fine

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