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Die Walküre

Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Premiere in der Oper Kiel am 12. März 2016




Theater Kiel
(Homepage)
Feuerzauber in utopischer Leichenkammer

Von Thomas Molke / Fotos von Olaf Struck

Von den vier Teilen des Rings dürfte die Walküre auf der Beliebtheitsskala ganz oben rangieren und am ehesten ein "Eigenleben" führen, was nicht zuletzt auf die zahlreichen musikalischen Höhepunkte zurückzuführen sein dürfte, von denen beispielsweise "Winterstürme wichen dem Wonnemond" zum Standardrepertoire jedes Heldentenors in diversen Galakonzerten gehört oder der "Walkürenritt" mal mehr und mal weniger treffend für die Untermalung von Filmsequenzen oder für die Einhaltung der Redezeiten bei der Oscar-Verleihung benutzt bzw. missbraucht wird. Doch auch inhaltlich werden in diesem Stück der persönliche Schmerz und die Tragik der Figuren spürbarer als in den anderen Teilen. Das betrifft zum einen das Wälsungenpaar Siegmund und Sieglinde, deren - wenn auch inzestuöse - Liebe eine Innigkeit erreicht, die im weiteren Verlauf nicht einmal Siegfried und Brünnhilde zuteil wird.  Zum anderen muss auch Wotan erkennen, dass er das Ende seiner Herrschaft weder aufhalten noch abwenden kann und obendrein noch sein liebstes Kind, Brünnhilde, und damit seinen Willen aufgeben. Nachdem die Ring-Tetralogie im hohen Norden im September 2015 mit einem relativ klassischen Rheingold begonnen hatte, war man nun schon sehr gespannt, wie der Hausherr, Intendant Daniel Karasek, nun mit der Walküre fortfahren würde. Wer darauf spekuliert hatte, dass er auch in der Walküre auf jedwedes moderne Regietheater verzichten würde, wurde leider enttäuscht, was sich vielleicht auch in vereinzelten Unmutsbekundungen für das Regie-Team am Ende der Vorstellung äußerte, die aber im allgemeinen Jubel untergingen. So provokant waren die kleinen Eingriffe dann auch wieder nicht.

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Siegmund (Bryan Register) und Sieglinde (Agnieszka Hauzer)

Das Vorspiel wird von einer Videoeinspielung von Konrad Kästner begleitet, die zu Beginn die Flucht des verfolgten Siegmund wunderbar umsetzt. So scheint man zu den unruhigen Klängen der Musik durch einen Wald zu irren, wobei die Kamera zunächst auf den Waldboden gerichtet ist. Aus dem Graben klingt zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles ganz sauber. Vielleicht ist es der Premierennervosität geschuldet, dass sich das Philharmonische Orchester Kiel unter der Leitung von GMD Georg Fritzsch zu Beginn ein bisschen vergaloppiert. Im weiteren Verlauf gelingt es Fritzsch nämlich, das Orchester mit sicherer Hand durch die Partitur zu führen, wobei er stets darauf bedacht ist, die Solisten nicht mit zu voluminösem Klang aus dem Graben zuzudecken. So wird in weiten Teilen eine Textverständlichkeit erreicht, die die Übertitelung fast überflüssig gemacht hätte. Wieso die Kamera im weiteren Verlauf des Vorspiels dann vom Boden in die Wipfel der Bäume schwenkt, wird dramaturgisch nicht ganz nachvollziehbar. Soll hier angedeutet werden, dass Siegmund auf seiner Flucht innehält und sich im Wald umblickt? Dafür ist die Kameraeinstellung eigentlich zu hoch. Auch dass das gleiche Bild zu Beginn des zweiten Aufzuges noch einmal verwendet wird, passt nicht so ganz. Zwar befinden sich nun Siegmund und Sieglinde auf der Flucht, aber der zweite Aufzug führt ja zunächst nach Walhall und nicht in den Wald.

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Fricka (Alexandra Petersamer) und Wotan (Thomas Hall)

Wenn sich der Vorhang dann zum ersten Aufzug hebt, sieht man zwar die gewaltige Esche inmitten der Hütte Hundings. Ansonsten erinnert dieses Heim mit seiner Holzvertäfelung und den Sesseln im Stil der 70er Jahre eher an "Gelsenkirchener Barock". So wirkt es schon ein bisschen merkwürdig, wenn Siegmund in eher klassischem Wälsungen-Outfit (Kostüme: Claudia Spielmann) doch sehr "zivilisiert" in einem Sessel niedersinkt oder Sieglinde den Met in feinen Rotweingläsern aus der Bar serviert. Dass die Esche in dieser Hütte ein bisschen wackelt, ist eher unfreiwillig komisch. Aber immerhin enthält sie das Schwert Nothung, das Siegmund dann auch überzeugend aus "der Esche Stamm" zieht. Wieso während der Liebesszene zwischen Siegmund und Sieglinde eine Walküre (ist es Brünnhilde?) am Fenster erscheint und die beiden beobachtet, bleibt unklar. Aber das sind alles Nebensächlichkeiten, wenn man die musikalische Ausgestaltung dieses ersten Aufzuges betrachtet. Bryan Register stattet den Siegmund mit kräftigem Heldentenor aus und wird der Partie auch als optischer Recke mehr als gerecht. Agnieszka Hauzer begeistert als seine Schwester Sieglinde mit strahlenden Höhen und einer wunderbaren Diktion. Szenisch springt zwischen Hauzer und Register sofort der Funke über. So will Siegmund Sieglinde schon küssen, bevor Hunding erscheint und wird erst durch dessen Auftritt daran gehindert. Timo Riihonen stattet Sieglindes ungeliebten Ehemann mit schwarzem Bass aus und strahlt mit eindringlichem Spiel eine Brutalität aus, die nachvollziehbar macht, dass Sieglinde dieser Ehehölle entfliehen möchte. Wenn Sieglinde und Siegmund dann zueinander finden, ist es auch Registers lyrischer Interpretation des berühmten "Winterstürme wichen dem Wonnemond" zu verdanken, dass das Publikum bereitwillig über den Inzest hinwegsieht, und hier folgt Karasek Wagners Regieanweisung, wenn er am Ende des ersten Aufzugs bei der Zeugung Siegfrieds den Vorhand sehr schnell fallen lässt.

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Hunding (Timo Riihonen, rechts) tötet Siegmund (Bryan Register, Mitte) (im Hintergrund links: Wotan (Thomas Hall)).

Auch im ersten Bild des zweiten Aufzugs entspricht Norbert Ziermanns Bühnenbild von Walhall sicherlich nicht dem, was die Zuschauer nach dem Rheingold erwartet haben. Vor einem berühmten Pop-Art-Gemälde befindet sich eine rechteckige Badewanne mit zwei holzvertäfelten Waschbecken auf der rechten und linken Seite. Zwar stört das Bild für die Szene nicht weiter, Sinn macht es allerdings auch nicht, zumal Brünnhilde in ihrem schwarzen Kostüm hier wie ein Fremdkörper wirkt. Auf der rechten Seite sieht man in einer Vitrine die Miniatur eines Schlosses. Soll das wohl ein Modell von Walhall sein? Musikalisch gelingt Jane Dutton als Brünnhilde ein guter Einstieg. Mit kräftigen und sauber angesetzten "Hojotoho"-Rufen punktet sie als Walküre direkt zu Beginn und wird auch im weiteren Verlauf des Stückes den Anforderungen an die Partie stimmlich gerecht. Thomas Hall, der schon im Rheingold als Wotan glänzte, begeistert auch dieses Mal in der Partie mit profundem Bariton und sauber angesetzten Höhen. Großartig gelingt ihm das Streitgespräch mit seiner Gattin Fricka, die von Alexandra Petersamer mit kräftigem Mezzo als kühl kalkulierende Politikergattin dargestellt wird. Mit überwältigender Bühnenpräsenz macht Petersamer deutlich, dass sie sich nicht von Wotan hereinlegen lässt und fordert Siegmunds Niederlage im Kampf gegen Hunding. Hall stellt mit eindringlichem Spiel dar, wie sich Wotan schweren Herzens der Gattin beugen muss, und seine anschließende Erzählung geht unter die Haut. So lässt sich gut nachvollziehen, dass Brünnhilde aus diesem Bericht eigentlich nur heraushört, dass es sein innigster Wunsch ist, Siegmund zu retten, was ein weiterer Grund für ihr späteres Handeln sein mag. Wieso Brünnhilde als Walküre allerdings keine eigene Waffe besitzt und mit Wotans Vertragsspeer am Ende des ersten Bildes in den Kampf zieht, ist schwer nachvollziehbar.

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Wotan (Thomas Hall) straft seine Tochter Brünnhilde (Jane Dutton, Mitte) (auf der rechten Seite: die Walküren: vordere Reihe von links: Helmwige (hier: Rossella Ragatzu), Ortlinde (Julia Borchert), Waltraute (Fiorella Hincapié), Schwertleite (Stephanie Christiano), Siegrune (Geneviève Tschumi), hintere Reihe von links: Grimgerde (Tatia Jibladze), Roßweiße (Gabriella Guilfoil) und Gerhilde (Ks. Heike Wittlieb)).

Das zweite Bild des zweiten Aufzugs erinnert dann an die Inszenierung des Rheingolds. Hier wird ein hoher Wald in den Hintergrund projiziert, wo sich zunächst die Todverkündung durch Brünnhilde und anschließend der Kampf zwischen Hunding und Siegmund ereignen. Großartig ist auch, dass in der Mitte dieses Waldes die Esche aus dem ersten Aufzug noch einmal angedeutet wird, die auch den Riss erhält, in dem das Schwert Nothung gesteckt hat. Musikalisch überzeugen Dutton und Register, wobei Dutton auch darstellerisch sehr nachvollziehbar macht, wie sehr die Walküre von Siegmunds Liebe zu Sieglinde ergriffen ist, so dass sie sich entscheidet, gegen Wotans Anweisungen zu handeln. Beim Kampf erweist sich dann szenisch der fehlende Speer allerdings als kleines Problem. So muss Wotan der Walküre zunächst seinen Speer entwenden, bevor er damit Nothung zerschlagen kann. Wieso die Mannen, die mit Hunding aufgetreten sind und Sieglinde sofort ergriffen haben, diese dann loslassen, als Wotan ins Geschehen eingreift und Hunding Siegmund tötet, bleibt unklar. Jedenfalls kann Brünnhilde auf dieses Weise mit Sieglinde entkommen. Bewegend setzt Karasek Wotans Abschied von Siegmund um. So nimmt Wotan seinen sterbenden Sohn noch einmal in den Arm und blickt ihn traurig an, bevor Hunding ihm den Todesstoß versetzt und anschließend von Wotan getötet wird.

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Wotan (Thomas Hall) beim Feuerzauber

Im dritten Aufzug fühlt man sich nun in einen Fantasy-Film entführt. Zum "Walküren-Ritt" sieht man zunächst in einer Videoprojektion aus einem Sonnenkreis zahlreiche leuchtende Raumschiffe aufsteigen, bevor sich der Vorhang hebt und auf der Rückwand als Projektion eine utopische Fabrik freigibt, die permanent von Raumschiffen umflogen wird. Davor befinden sich auf beiden Seiten hohe Leichenkammern, denen die Walküren zunächst entsteigen und in denen sie anschließend die gefallenen Helden lagern. Hier schöpft Fritzsch mit dem Philharmonischen Orchester Kiel aus dem Vollen, wobei es die acht Solistinnen der Walküren aber problemlos mit dem laut aufspielenden Orchester aufnehmen können. Hauzer gelingt mit "O hehrstes Wunder" ein stimmlicher Abgang, der unter die Haut geht, bevor es dann zur letzten Szene zwischen Brünnhilde und Wotan kommt. Hall und Dutton machen auch diesen bewegenden Schluss zu einem musikalischen Höhepunkt. Hall spielt den inneren Kampf, mit dem er seine Lieblingstochter verdammen muss, bewegend aus, und Dutton gelingt es, mit eindringlichem Spiel herauszuarbeiten, wieso Wotan sie eben nicht ungeschützt in tiefen Schlaf versetzt. Für den Feuerzauber wird dann eine gewaltige Silberkugel auf die Bühne gefahren, hinter der Brünnhilde verschwindet. Im Folgenden baut Wotan um diese Kugel die Bahren auf, auf denen zu Beginn die gefallenen Helden transportiert worden sind, und rahmt sie so mit einem Feuerkranz ein, der sich auch noch auf der Kugel spiegelt. Die Fabrik im Hintergrund weicht dem Bild Brünnhildes, die von leuchtenden Flammen umgeben ist und dabei lächelt. Wahrscheinlich ist sie glücklich, dass es nur dem mutigsten Held, Siegfried, gewährt ist, sie aus ihrem Schlaf zu befreien. Und glücklich ist am Ende auch das Publikum, das diesen alles in allem sehr gelungenen "ersten Tag" mit großem Jubel feiert.

FAZIT

Auch wenn diese Walküre nicht ganz so klassisch daherkommt wie der Vorabend im September, kann man die Fortsetzung des Rings in Kiel als durchaus gelungen betrachten. Vor allem die musikalische Gestaltung zeugt von hoher Qualität, und Karaseks Ansatz dürfte auch die "Ring-Puristen" zufrieden stellen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Georg Fritzsch

Regie
Daniel Karasek

Bühne
Norbert Ziermann

Kostüme
Claudia Spielmann

Lichtgestaltung
Martin Witzel

Video
Konrad Kästner

Dramaturgie
Cordula Engelbert


Philharmonisches
Orchester Kiel

Statisterie des Theaters Kiel


Solisten

*Premierenbesetzung

Siegmund
Bryan Register

Hunding
*Timo Riihonen /
Marek Wojciechowski

Wotan
Thomas Hall

Sieglinde
Agnieszka Hauzer

Fricka
Christina Melis /
*Alexandra Petersamer

Brünnhilde
Jane Dutton

Helmwige
*Lori Guilbeau /
Rossella Ragatzu

Gerhilde
Ks. Heike Wittlieb

Ortlinde
Hye Jung Lee /
*Julia Borchert

Waltraute

Fiorella Hincapié

Siegrune
Geneviève Tschumi

Roßweiße

Gabriella Guilfoil

Grimgerde
Tatia Jibladze

Schwertleite
Stephanie Christiano


Weitere Informationen
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Theater Kiel
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