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Don Giovanni

Dramma giocoso in zwei Akten
Text von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang A. Mozart


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 2) am 5. März 2016


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Eiszeit

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bernd Uhlig

Es geht ziemlich frostig zu in diesem Don Giovanni. Nicht nur, weil es zu Beginn und am Ende schneit und die Bühne von einer Schneeschicht bedeckt ist; diese Bühne selbst bleibt eine leere Fläche im tiefschwarzen Raum, die von mehr und mehr Gittern und käfigartigen Metallkonstruktionen (die oft wie von Geisterhand plötzlich hoch- oder hereinfahren oder wie vom Himmel fallen) eingeengt wird. Dieser unterkühlten Ästhetik (Ausstattung: Tim Northam) entsprechen auch die modernen Kostüme, in Pastelltönen gehalten, bei denen allein das kontrastierende Rot des Bluts einen farblichen Akzent setzt - von einem kurzen Moment der Ausnahme abgesehen, worüber noch zu sprechen sein wird. Vollends gespenstisch wird diese abstrakte Landschaft durch das durchweg kalte und harte Licht (François Thouret).

Szenenfoto

Schreibtischtäter? Don Giovanni (Jean-Sébastien Bou)

Im Zentrum der Bühne steht ein wuchtiger Schreibtisch, von dem aus Don Giovanni das Spiel lenkt - oder imaginiert, rekapituliert, heraufbeschwört? Ganz klar wird das nicht. Er ist allgegenwärtig, steht immer auf der Bühne (mitunter klettert er, sehr sportlich, die Gitter oder Käfige hinauf). Es entspricht ja durchaus der üblichen Rezeption, das er Dreh-, Angel- und Bezugspunkt für alle anderen Akteure ist, die sich an ihm abarbeiten. Wobei es in dieser Inszenierung von Emanuelle Bastet, die erstmals an einer deutschen Bühne arbeitet, kaum Handlung gibt. Vielmehr zeigt die Regie blitzlichtartige Momentaufnahmen - aber wovon? Von Seelenzuständen, von Facetten dessen, was gemeinhin mit "Liebe" oder "Eros" umschrieben wird? Dass hier vieles mehrdeutig bleibt, gehört zu den Vorzügen der Inszenierung.

Szenenfoto

Don Giovanni (Jean-Sébastien Bou) und Donna Anna (Vannina Santoni)

Die drei Frauen Don Giovannis in dieser Oper stehen wohl für drei Aspekte aus dem weiten Feld von Liebe und Eros. Sie sind Bedeutungsträgerinnen und statisch angelegt. Donna Elvira ist die Tragödin, leicht antikisierendes Kleid, strenges Auftreten, barockes Pathos - die ironische Doppelbödigkeit an der Grenze zur Komödiengestalt gesteht ihr die Regie nicht zu, hier ist sie durch und durch ernst und seriös, wie geschaffen zur Gattin und Ehefrau, die mit Stil den großbürgerlichen Salon in der Pariser Oberschicht führen könnte. Zerlina ist die topmodische lebenslustige junge Frau, die sogar dem eisigen Winter etwas abgewinnen kann und sich mit ihren Freunden eine unbeschwerte Schneeballschlacht liefert: Im Grunde die ideale Frau für eine moderne Kurzbeziehung, noch nicht fest gebunden (die Beziehung zu Masetto scheint labil) und einem Abenteuer nicht abgeneigt - die leicht Verführbare. Diese Verführung inszeniert die Regie im Finale des ersten Akts wie ein Ritual, und das ist der Moment, in dem schockartig ein purpurnes Rot in den schwarzweißen Raum eindringt. In Purpurne Umhänge gehüllt betreten etliche junge Damen den Raum, unter dem Umhang Strapse und Reizwäsche, geführt durch vampirartige Herren in Schwarz, wohl Wiedergänger Giovannis - und Don Giovanni selbst kleidet Zerlina ebenso ein. Da wird Zerlina vom Individuum zur Nummer in Giovannis Liebesregister, eine von Tausenden. Wenn Elvira das gerade noch verhindert, hat das mehr Kraft (und Sinnhaftigkeit) als in den allermeisten anderen Inszenierungen.

Szenenfoto

Don Giovanni (Jean-Sébastien Bou) und Zerlina (Aoife Miskelly)

Dann ist da natürlich noch Donna Anna, die Komplizierte, über deren Part in der Eröffnungsszene seit je gerätselt wird. Ihr weißes Nachthemd oder Unterkleid, das sie den ganzen Abend über tragen wird, ist von Blut befleckt, oberflächenhandlungslogisch das Blut des Komturs, aber es symbolisiert natürlich Verletzbarkeit und Gewalt als Kehrseite des Eros. Auch sie bleibt für die Regisseurin mehr Modell als Individuum, hat bei ihrem ersten Erscheinen gleich mehrere junge Mädchen an ihrer Seite. Das hätte leicht allzu pädagogisch enden können, und hier endlich müssen die außerordentlich guten Sängerdarsteller(innen) erwähnt werden: Die junge Finnin Vannina Santoni, wie alle Sänger in dieser Aufführung darstellerisch perfekt (da hat die Kölner Oper schon sehr sorgfältig besetzt, szenisch wie musikalisch), bringt das Konzept mit einer jungen, leuchtenden, nicht allzu voluminösen, aber im Charakter "großen" und angemessen dramatischen (und trotzdem in den Koloraturen beweglichen) Stimme auf den Punkt, und dass in ihrem Sopran bei allem zupackendem Gestus noch etwas Zerbrechliches mitschwingt, passt ganz wunderbar zur Rolle. Und auch Regina Richter als metallisch klare und dadurch auch musikalisch sehr bestimmt agierende Elvira und Aoife Miskelly als jugendlich kecke, dabei keineswegs stimmlich leichtgewichtige Zerlina singen ganz hervorragend.

Szenenfoto

Donna Elvira (Regina Richter)

Stimmlich gibt es auch bei den Herren viel Glanz: Angefangen beim dämonisch kraftvollen, ein ganz klein wenig polternden Komtur von Avtandil Kaspeli (im Finale singt er, wie auch der Herrenchor, aus dem Orchestergraben) über den jungenhaft dynamischen und klangschönen Masetto von Luke Stoker zum hell-silbrig tenoral strahlenden, auch im Pianissimo substanzvollen Ottavio von Julien Baehr, der im übrigen einen virilen und kampfbereiten Macho als Widerpart zu Giovanni geben darf. Tareq Nazmi singt den Leporello tadellos, auch er mit junger, schlanker, aber substanzvoller Stimme - aber das Regiekonzept hat im Grunde keinen Platz für eine nun doch vom Stück her komödiantisch angelegte Rolle, wie überhaupt der Witz dieser genialen Oper in Emmanuelle Bastets Regie auf der Strecke bleibt.

Don Giovanni selbst ist nicht nur Arrangeur, sondern gleichzeitig auch Getriebener, ein Todessüchtiger, der sich Am Ende des ersten Akts die Pistole an die Schläfe setzt. Damit hat Emmanuelle Bastet die Geschichte im Grunde bereits zur Pause auserzählt, denn was danach folgt, ist mehr Vollzug als Entwicklung. Giovannis Schreibtisch rückt aus dem Zentrum an den Rand, die anderen haben jetzt das Sagen. Zuletzt wird Giovanni, reichlich vorhersehbar, von den Gittern erdrückt oder durchbohrt, wie zuvor schon der Komtur. Im Halbdunkel bleibt dann doch ein bisschen viel unklar, vor allem aber hätte man doch gerne mehr gewusst, was diesen Giovanni antreibt und was die Frauen in ihm sehen. Der recht verhaltene, von einigen Buhs durchsetzte Premierenapplaus für das Regieteam ist wohl eher auf zu viele Leerstellen zurückzuführen als auf irgendwelchen provokativen Gehalt.

Szenenfoto

Donna Anna (Vannina Santoni) und Don Ottavio (Julian Baehr)

Letztendlich spannender gestaltet sich die musikalische, speziell auch die orchestrale Seite mit dem neuen Chefdirigenten François-Xavier Roth am Pult, der hier offensichtlich Maßstäbe setzen will und dem Gürzenich-Orchester so einiges abfordert. Das aufgeraute Klangbild ist transparent und mit vibratolosen Streichern an den Errungenschaften der "historischen Aufführungspraxis" orientiert und stellt die Bläser heraus. Mit extremen, teilweise waghalsigen Tempi bringt Roth die Musiker, insbesondere die Streicher mitunter an den Rand der Möglichkeiten, da fehlt es den kleinen Notenwerten an der Präzision, die versierte Spezialensemble in kleiner Besetzung aufbieten können, mit denen ein großes Symphonieorchester wie dieses aber hörbar zu kämpfen hat - aber die Richtung ist klar, und vieles gelingt auch ausgezeichnet. Dabei macht es die vertrackte Akustik im Staatenhaus weder den Musikern noch den Zuhörern leicht, manches Detail geht verloren, anderes wird überdeutlich herausgestellt bis in kleinste Ungenauigkeiten, an den entfernten Klang der Sänger muss man sich sowieso gewöhnen, und zu allem Überfluss ist die Belüftung allzu deutlich hörbar. Immerhin: Im Verlauf der Aufführung spielt sich das immer besser ein. Zu erwähnen ist noch Theresia Renelt am Hammerflügel wegen der originellen, alle Freiheiten sehr fantasievoll ausnutzenden Begleitung der Rezitative.


FAZIT

Kölns neuer GMD François-Xavier Roth macht musikalisch keine halben Sachen und riskiert viel - und mit einem überragendem Sängerensemble gewinnt er (fast) alles. Emmanuelle Bastets spröde Regie dagegen ist an sich nicht uninteressant, steht aber allzu sehr auf der Stelle und unterschlägt das "giocoso", also den Witz der Oper.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
François-Xavier Roth

Inszenierung
Emmanuelle Bastet

Bühne und Kostüme
Tim Northam

Licht
François Thouret

Chor
Andrew Ollivant


Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der Premiere

Don Giovanni
Jean-Sébastien Bou

Donna Anna
* Vannina Santoni /
Ellie Dehn

Don Ottavio
* Julien Baehr /
Taejun Sun

Il Commendatore
Avtandil Kaspeli

Donna Elvira
* Regina Richter /
Katrin Wundsam

Leporello
* Tareq Nazmi /
Robert Gleadow

Zerlina
Aoife Miskelly

Masetto
* Luke Stoker /
Lucas Singer



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