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Tanzquartett

Choreographien von Marco Goecke, Raimondo Rebeck, Cayetano Soto und Ricardo Fernando

Blushing
Choreographie von Marco Goecke

Blind Dreams
Choreographie von Raimondo Rebeck, Musik von Olafur Arnalds, Armand Amar, Whitetree, Erwin Stache, Ezio Bosso und Philip Glass

Fugaz
Choreographie von Cayetano Soto, Musik von Georges I. Gurdjieff

Tangata
Choreographie von Ricardo Fernando, Musik von Astor Piazzolla

Aufführungsdauer: ca. 2 h 10' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 30. April 2016


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Vierfalt des modernen Ausdruckstanzes

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre

Seit einigen Jahren ist es in Hagen Tradition, dass der Ballettdirektor neben Handlungsballetten auch Tanzabende bietet, in denen die kleine aber feine Compagnie in Hagen ihre Vielseitigkeit im modernen Ausdruckstanz unter Beweis stellen kann. In der Regel handelt es sich dabei um dreiteilige Ballettabende. Nach dem Tanz in drei Sätzen, mit dem die Ballettspielzeit in Hagen im Oktober 2015 eröffnet worden ist, gibt es nun allerdings ein Novum. Erstmals stellt Fernando vier Choreographien vor, die ein breites Spektrum bieten und dem Ensemble einiges abverlangen, da die 14 Tänzerinnen und Tänzer sich innerhalb von gut zwei Stunden auf vier völlig unterschiedliche Bewegungssprachen einlassen müssen. Wie üblich choreographiert Fernando den letzten Teil des Abends selbst.

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Abstrakte Bewegungen in Blushing (Ensemble)

Den Anfang macht ein Stück von Marco Goecke, der 2000 in Hagen seine erste Choreographie mit dem Titel Loch kreierte, mit der er anschließend auch am Internationalen Choreographiewettbewerb in Hannover teilnahm. Nun kehrt er nach 16 Jahren in die Volme-Stadt zurück und präsentiert mit der Hagener Compagnie Blushing, eine Choreographie, die er 2003 für die Noverre-Gesellschaft schuf und die anschließend mit dem Prix Dom Perignon in Hamburg ausgezeichnet wurde. Der Titel suggeriert, dass Goecke darin der Frage nachgeht, aus welchen Gründen ein Mensch errötet. Eine Antwort darauf gibt das gut 20-minütige Stück mit seiner expressiven Ausdruckssprache allerdings nicht. Zu Beginn sieht man einen Mann auf einer dunklen Bühne, der wie ein kleines Kind, das seinen Willen nicht bekommt, wütend auf und ab springt. Im weiteren Verlauf treten insgesamt vier Tänzerinnen und vier Tänzer mal einzeln, dann paarweise oder als Gruppe auf und bewegen sich in teils abgehackten, dabei aber extrem schnellen und heftigen Bewegungen über die Bühne. Mal laufen sie dabei, dann robben sie sitzend vorwärts oder rückwärts. Auf Musik wird größtenteils verzichtet. Dann geben nur laute Atem- oder Klatschgeräusche den Rhythmus vor. Dann erklingt eine Beschallung durch die Gruppe Garbage, zu der sich die Tänzer expressiv bewegen. Häufig setzen sie einen Finger wie eine Pistole an die Schläfe und sinken in sich zusammen, als ob sie von einem Schuss getroffen wären. Ein Großteil des Publikums scheint Anhänger von Goeckes befremdlichem Stil zu sein, da dieser Teil mit großem Applaus bedacht wird.

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Pas de deux in Blind Dreams (Jiwon Kim Doede und Gustavo Barros)

Wesentlich poetischer und nachvollziehbarer gestaltet sich der zweite Teil des Abends, bei dem es sich um eine Uraufführung handelt. Unter dem Titel Blind Dreams geht Raimondo Rebeck, der zur Zeit mit Xin Peng Wang das NRW Juniorballett in Dortmund betreut, der Frage nach, welche Bilder blinde Menschen "sehen". Zur Minimal Music von Ezio Bosso und Philip Glass erzählt er die Geschichte einer blinden Frau (Jiwon Kim Doede). Zu Beginn sitzt sie in einem weißen Kostüm vor einer Staffelei und betastet das Bild. Auf einen großen Baum hinter ihr werden zu Naturgeräuschen wie Vogelgezwitscher, einem Flügelschlag oder dem Rauschen von Blättern unterschiedliche Bilder projiziert, die sie vielleicht mit den wahrgenommenen Geräuschen assoziiert. Aus dem Hintergrund tritt ihr Alter Ego (Sofia Romano) auf. Sie trägt das gleiche Kostüm wie die blinde Frau, allerdings in Rot. Diese Frau führt sie durch die Welt, in der das Ensemble in schwarzen Kostümen auftritt und als undefinierbare Masse, die Frau in Unruhe versetzt. Einzelne Lichtblitze von Ernst Schießl unterstützen diese Orientierungssuche. Zwischenzeitlich werden die Geräusche auch extrem laut und unangenehm. Die Klaviermusik, die um ein Cello erweitert wird, klingt in den ruhigeren Momenten dabei sehr melancholisch. Im zweiten Teil kommt es dann zu einem berührenden Pas de deux mit Gustavo Barros, einem Mann, der die Frau gewissermaßen durch seine Augen blicken lässt. Am Ende nimmt er das Bild von der Staffelei und stellt überrascht fest, dass es nur Schwarz ist. Der Bühnenhintergrund wandelt sich im Laufe des Stückes von einem schwarzen Vorhang zu einem weißgrauen Hintergrund, der am Ende aber wieder in die Dunkelheit führt. Doede stattet die junge Frau mit einer berührenden Zerbrechlichkeit im Ausdruck aus. Mit Romano und Barros findet sie in den Pas de deux zu einer bewegenden Innigkeit, so dass die Tänzerinnen und Tänzer am Ende ebenso wie der Choreograph mit großem Jubel bedacht werden.

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Fugaz: von links: Ana Isabel Casquilho, Eunji Yang, Jiwon Kim Doede und Tal Eitan

Nach der Pause geht es mit der Choreographie Fugaz von Cayetano Soto weiter, die er 2005 für das Ballett Theater München kreierte und seinem an Krebs verstorbenen Vater widmete. Unter anderem präsentierte auch das Ballett im Revier dieses Stück 2012, als die damals neue Ballettdirektorin Bridget Breiner ihre Compagnie unter dem Titel Der erste Gang vorstellte. Zur bedrohlich wirkenden Musik von Georges I. Gurdjieff kämpfen vier Frauen in kurzen Soli gegen eine Krankheit und den Tod, der in Gestalt eines "schwarzen Mannes" aus dem Zuschauerraum auf die Bühne tritt. Bei Tal Eitan und Jiwon Kim Doede geht der Tod vorbei und verschont sie. Die beiden haben ihre Krankheit also überstanden und verlassen die Bühne. Bei Ana Isabel Casquilho und Eunji Yang kommt es zu einer Konfrontation mit den beiden Männern. Im anschließenden Pas de deux zwischen Casquilho und Gustavo Barros beziehungsweise Yang und Ricardo Campo Freire bäumen sich die Frauen in einem Kampf noch einmal verzweifelt gegen den Tod auf, unterliegen aber und sinken zu Boden, während weitere schwarze Männer aus dem Publikum auftreten und die beiden Frauen mit den Füßen in den Bühnenhintergrund rollen. Die bedrückende Atmosphäre dieses Stückes wird zum einen von Gurdjieffs eindringlicher Musik unterstützt und zum anderen von den Tänzerinnen bewegend umgesetzt, so dass auch dieser Teil mit großem Beifall bedacht wird.

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Quartett in Tangata: Jiwon Kim Doede mit Gustavo Barros (links), Leszek Januszewski (Mitte) und Bobby Briscoe (rechts)

Den Abschluss macht dann eine Choreographie von Ricardo Fernando, die dieser im letzten Jahr für die Compagnie in Graz kreiert hat. Wie der Titel Tangata verrät, widmet sich Fernando - wieder einmal - dem Tango, mit dem er schon mehrere Male das Hagener Publikum begeistert hat. In fünf Sätzen lässt er zur Musik von Astor Piazzolla das ganze Ensemble zum Einsatz kommen. Dabei erzählt das Stück keine Geschichte, sondern fängt die verschiedenen Stimmungen ein, welche die Musik mit den eindringlichen Bandoneon-Rhythmen vermittelt. Die Tänzerinnen und Tänzer sind dabei in schwarze Anzüge gekleidet und wirken mit ihren weißen Hemden und den schwarzen Krawatten wie Tangotänzer in einer lateinamerikanischen Bar. Nach zwei eindrucksvollen Ensembles, bei denen die Tänzer mit Stühlen in Interaktion treten, wird auch der Aspekt des Paartanzes berücksichtigt. In drei Duetten mit klassischen Tangoschritten zeigen die Tänzerinnen und Tänzer die erotische Anziehungskraft dieses Tanzes. Im Quartett begeistern Jiwon Kim Doede, Bobby Briscoe, Leszek Januszewski und Gustavo Barros durch große Ausdruckskraft, bevor dann im letzten Ensemble die komplette Compagnie noch einmal zusammenfindet und am Ende zu Boden sinkt. Auch hierfür ernten die Tänzer und ihr Direktor großen Beifall.

FAZIT

Das Ballett Hagen stellt in vier unterschiedlichen Choreographien seine Vielfältigkeit unter Beweis und präsentiert ein breites Spektrum des modernen Ausdruckstanzes. Hier dürfte für jeden Geschmack etwas dabei sein, selbst wenn man zu Goeckes extremer Tanzsprache keinen Zugang finden sollte.



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Produktionsteam

Dramaturgie
Maria Hilchenbach

 

Blushing

Choreographie, Bühne und Kostüme
Marco Goecke

Einstudierung
Fabio Palombo

Licht
Udo Haberland

Tänzerinnen und Tänzer

*Premierenbesetzung

*Eunji Yang
*Jiwon Kim Doede
*Tal Eitan
*Ana Isabel Casquilho
Kana Mabuchi
Yoko Furihata
Sofia Romano

*Gustavo Barros
*Toshitaka Nakamura
*Miguel Esteves
*Nikolaos Doede
Bobby Briscoe
Ricardo Campo Freire

 

Blind Dreams

Choreographie und Bühne
Raimondo Rebeck

Kostüme
Rosa Aná Chanza

Licht
Ernst Schießl

Video
Valeria Lampadova

Tänzerinnen und Tänzer

*Premierenbesetzung

Junge Frau
Eunji Yang /
*Jiwon Kim Doede

Ego
Ana Isabel Casquilho /
*Sofia Romano

Mann
Ricardo Campo Freire /
*Gustavo Barros

Ensemble

 

Fugaz

Choreographie, Bühne, Kostüme und Licht
Cayetano Soto

Einstudierung
Mikiko Arai

Tänzerinnen und Tänzer

*Premierenbesetzung

1. Solo
*Ana Isabel Casquilho /
Eunji Yang

2. Solo
*Tal Eitan /
Kana Mabuchi

3. Solo
*Jiwon Kim Doede /
Yoko Furihata

4. Solo
*Eunji Yang /
Jiwon Kim Doede

1. Pas de deux
*Ana Isabel Casquilho
*Gustavo Barros /
Eunji Yang
Ricardo Campo Freire

2. Pas de deux
*Eunji Yang
*Ricardo Campo Freire /
Jiwon Kim Doede
Bobby Briscoe

 

Tangata

Choreographie, Inszenierung und Bühne
Ricardo Fernando

Kostüme
Rosa Aná Chanza
Ricardo Fernando

Licht
Ernst Schießl

Tänzerinnen und Tänzer

*Premierenbesetzung

Tres tangos para bandoneón y orchesta,
moderato
Ensemble

Tres tangos para bandoneón y orchesta,
Allegro molto
Ensemble

Concierto del angel, Introduccion
Quartett
*Jiwon Kim Doede
*Bobby Briscoe
*Leszek Januszewski
*Gustavo Barros /
Yoko Furihata
Nikolaos Doede
Ricardo Campo Freire
Toshitaka Nakamura

Duett
*Eunji Yang
*Nikolaos Doede /
Tal Eitan
Toshitaka Nakamura /
Ana Isabel Casquilho
Gustavo Barros

Tres minutos con la realidad
Trio
*Nikolaos Doede
*Ricardo Campo Freire
*Toshitaka Nakamura /
Bobby Briscoe
Gustavo Barros
Leszek Januszewski

Duett
*Sofia Romano
*Jiwon Kim Doede /
Ana Isabel Casquilho
Tal Eitan /
Eunji Yang
Kana Mabuchi

Duett
*Yoko Furihata
*Bobby Briscoe /
Jiwon Kim Doede
Gustavo Barros

Sextett
*Eunji Yang
*Ana Isabel Casquilho
*Tal Eitan
*Miguel Esteves
*Toshitaka Nakamura
*Ricardo Campo Freire /
Kana Mabuchi
Sofia Romano
Yoko Furihata
Bobby Briscoe
Leszek Januszewski

Concierto del angel, La muerte del angel
Ensemble

Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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