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Der Rosenkavalier

Komödie für Musik in drei Aufzügen
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 30' (zwei Pausen)


Premiere im Theater Hagen am 4. Juni 2016

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Das dionysische Prinzip

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre (© Theater Hagen)

Das Theater Hagen spielt mit Trauerflor. Dorothee Hannappel, seit 2012 Dramaturgin am Haus und auch für die Betreuung dieses Rosenkavalier verantwortlich, verstarb zwei Wochen vor der Premiere, die nun ihrem Gedenken gewidmet ist. Jedes Ding hat seine Zeit, wie es in dieser Oper der Abschiede heißt (wenn auch in ganz anderem Kontext) - das passt leider irgendwie auch auf die Situation des Hagener Theaters angesichts einer ungewissen Zukunft. Die ewige Regel, dass auch bei drastischen Sparmaßnahmen immer noch irgendwer bereit ist, die Intendanz zu übernehmen und unter erschwerten, oder ehrlicher: unmöglichen Bedingungen ein Haus zu lenken, scheinen außer Kraft; zuletzt zogen alle verbliebenen Kandidaten für die Nachfolge des am Ende der kommenden Saison scheidenden Norbert Hilchenbach ihre Bewerbungen zurück. Doch trotz aller Schatten, die über dieser Produktion liegen, setzt das Theater Hagen ein sehr vitales Ausrufezeichen.

Vergrößerung in neuem Fenster 1. Aufzug: Die Marschallin und Octavian

Den Rosenkavalier aus eigenen Ressourcen zu stemmen, das ist für ein kleines Stadttheater an sich schon eine Meisterleistung. Sicher stoßen die drei jungen Sängerinnen in den weiblichen Hauptpartien mitunter an ihre stimmlichen Grenzen - Veronika Haller als Marschallin, Kristine Larissa Funkhauser als Octavian und Maria Klier als Sophie sind leichtgewichtige Besetzungen, manche Töne verrutschen, manchmal forcieren sie, haben dann aber wieder sehr gelungene, berührende Passagen. Vor allem aber stürzen sie sich mit Haut und Haar in die Rollen, sängerisch wie schauspielerisch, und da gewinnt die Produktion eine Authentizität, die bei manchem routinierten Starensemble ausbleibt. Und wo wenn nicht in solchen Aufführungen sollen sie in diese komplexen Partien hineinwachsen? Dazu ist Rainer Zaun, mit Bayreuther Festspielerfahrung ausgestattet, als stimmgewaltiger Ochs eine Bank, Kenneth Mattice ein ordentlicher Faninal, Kejia Xiong ein engagierter italienischer Sänger mit allerdings ziemlich unscharfen Spitzentönen.

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Überreichung der silbernen Rose

Das Hagener Philharmonische Orchester wächst an diesem Premierenabend über sich hinaus. Die Besetzung, die sich Richard Strauss für die Streicher vorgestellt hat, ist hier schon aus Platzgründen nicht möglich, da bräuchte es einen größeren Orchestergraben. GMD Florian Ludwig macht aus der Not eine Tugend und gibt der Musik ein spezifisches, transparentes Klangbild, in dem manches Detail, was sonst untergeht, plötzlich bestimmend wird, wie ein Signal in die Szene eingreift. Er phrasiert klug, da hat jede Steigerung ihre innere Logik.

Regisseur Gregor Horres inszeniert gegen die Sehgewohnheiten, aber keineswegs gegen das Stück. Alle historisierenden Aspekte sind getilgt - kein Rokoko, auch kein fin de siecle, bestenfalls als kleine Pointe am Rande eine Anspielung auf die Vergangenheit wie im biederen 1960er-Jahre-Sekretärinnenkostüm der Intrigantin Annina. Aber auch wenn die Personen modern daher kommen, ist das keine Übertragung in die Gegenwart. Horres geht es überhaupt weniger darum, die Geschichte - in welcher Zeit auch immer - nachzuerzählen (was er trotzdem gut erkennbar tut, aber eben nicht vorrangig), sondern den dramaturgischen Mechanismus dieser Oper zu verdeutlichen - und hervorzuheben, was uns an diesen Figuren interessiert. Manche Szenen wie die fürstliche Audienzstunde im ersten Akt, vor allem aber die erste Hälfte des letzten Aktes kennzeichnet er deutlich sichtbar als Maskerade: Beim Wort nehmen soll man das nicht, was hier passiert, sondern von höherer Warte betrachten. So erscheint der Polizeikommissar in hochhackigen Frauenschuhen, auch er Teil eines großen Spiels von symbolischer Bedeutung. Der Monolog der Marschallin im ersten Aufzug und das Schlussterzett sind dagegen beinahe konzertant gesungen, da treten die Figuren aus dem Konversationsstück heraus.

Vergrößerung in neuem Fenster Ochs

Das Bühnenbild (Jan Bammes) ist reduziert auf zwei karge, verschiebbare Wände, Theaterbauten, die als solche erkennbar sein sollen, ganz im Sinne des Brecht'schen Verfremdungseffekts; dazu kommen auf der Drehbühne zwei Bettgestelle und ein paar Stühle aus rechtwinklig zusammengeschweißten Stahlrohren - weniger Dekor geht nicht. Sophie in weißem Brautkleid, Octavian und die Marschallin in Pastelltönen, dazu dominantes Rot als Bühnenfarbe - in diese streng ästhetisierte Welt bricht der liebestolle Ochs ein wie ein Faun (er setzt sich passend Bockshörnchen auf), mit violetter Weste und grünem Jackett, und damit verkörpert er das dionysische Prinzip, ungezügelte Lebens- und Liebeslust. Und doch gehören ihm Sympathie und Mitgefühl der Regie, wenn sein System zusammenstürzt und er mit ein paar Tränen im Auge versteht: "S'ist halt vorbei." Und obwohl er damit Platz macht für die wunderbarste Musik, die Strauss je geschrieben hat: Das vermeintliche happy end bleibt ein wenig eingetrübt durch das Verschwinden dieses bunten Vogels, der das Liebesbedürfnis vor Augen führt, an dem sie doch alle leiden.

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Das Finale: Marschallin, Octavian und Sophie

Octavian und Sophie werden in einigen Szenen gedoppelt durch ein Tänzerpaar, er wie Amor mit Flügelchen. Bei der Überreichung der silbernen Rose, wo die beiden über der Szene schweben, signalisiert das wie eine ironische Einblendung "Vorsicht Kitsch". Solche Kommentare hätte sich Horres getrost sparen können, schließlich macht auch und gerade das den Charme des Rosenkavalier aus (und im Dirigenten hat die Regie einen Partner, der an solchen Stellen sehr genau darauf achtet, dass es voran geht und nicht in Schönheit erstirbt). Manches Detail ist eher verwirrend, so der ältere Herr zu Beginn und am Ende der Oper - der stets abwesende Feldmarschall? Bestechend ist aber die Personenregie an den entscheidenden Stellen, sehr genau dosiert - oft sind es kleine Gesten oder nur Blicke, und etwaiges Sentiment im Finale kontrolliert Horres dadurch, dass er die Sophie jugendlich zornig, die Marschallin sachlich abwägend, den Octavian lange ratlos durch die Finalszene leitet, und das setzen die drei Darstellerinnen ganz großartig um. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Hagener Lokalpolitiker diese vielschichtige Inszenierung sehen und hören und erkennen, wozu Theater in der Lage ist - und was es einer Stadt wert sein muss.


FAZIT

Tolle Ensembleleistung des Hagener Theaters in einer spannenden und nachdenklich stimmenden Inszenierung auf musikalisch beachtlichem Niveau.



"Rettet das Theater Hagen" - hier geht es zu einer online-Petition zur Rücknahme der Sparbeschlüsse an den Hagener Oberbürgermeister Eric O. Schulz



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Ludwig

Inszenierung
Gregor Horres

Bühne
Jan Bammes

Kostüme
Yvonne Forster

Licht
Achim Köster

Choreinstudierung
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Dotothee Hannappel


Chor des Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

Feldmarschallin Fürstin Werdenberg
Veronika Haller

Baron Ochs auf Lerchenau
Rainer Zaun

Octavian
Kristine Larissa Funkhauser

Herr von Faninal
Kenneth Mattice

Sophie, seine Tochter
Maria Klier

Jungfer Marianne Leitmetzerin
Sophia Leimbach

Valzacchi, ein Intrigant
Richard van Gemert

Annina, seine Begleiterin
Marilyn Bennett

Ein Polizeikommissar
Keno Brandt

Haushofmeister bei der Feldmarschallin
Bernd Stahlschmidt-Drescher

Haushofmeister bei Faninal
Kejia Xiong

Ein Notar
Keno Brandt

Wirt
Kejia Xiong

Sänger
Kejia Xiong

Modistin
Andrea Kleinmann

Tierhändler
Matthew Overmeyer

Hausknecht
Peter Neuhaus


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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E-Mail: oper@omm.de

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