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Musiktheater
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Kennst du den Mythos...?

Schalke-Oratorium von Heribert Feckler und Dieter Falk (Uraufführung 2015)
Libretto von Ulf Schmidt, Filme von Jan Peter


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 20' (eine Pause)

Uraufführung im Großen Haus im MiR am 10. September 2015,  in der Veltins-Arena am 11. September 2015
(rezensierte Aufführung im Großen Haus im MiR: 17.09.2015)

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Das Herz schlägt Blau Weiß

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Gelsenkirchen ist genauso wie Dortmund in erster Linie eine Fußballstadt, so dass die beiden Städte überregional durch den FC Schalke 04 beziehungsweise den BVB Dortmund einen größeren Bekanntheitsgrad erlangen als durch ihre Opernhäuser. Dieser Tatsache tragen beide Häuser Rechnung und versuchen, sie sogar für sich nutzbar zu machen. So setzte beispielsweise der Intendant der Oper in Dortmund, Jens Daniel Herzog, mit Fangesänge vor zwei Spielzeiten eine "Fußball-Revue" aufs Programm und präsentierte in der letzten Spielzeit die Fußball-Operette Roxy und ihr Wunderteam von Paul Abraham (siehe auch unsere Rezension). Michael Schulz folgt nun in Gelsenkirchen dem Beispiel seines Kollegen aus Dortmund und nimmt den 111. Geburtstag des FC Schalke 04 zum Anlass, mit einem eigens dafür komponierten Fußball-Oratorium die neue Spielzeit zu eröffnen. Nach der Uraufführung in einer geschlossenen Veranstaltung für den FC Schalke 04 am 10. September fand die eigentliche Premiere einen Tag später in der Veltins-Arena statt und ist nun im Großen Haus im Musiktheater im Revier zu erleben. So begegnen einem auf den Fluren im Foyer neben den üblichen Theaterbesuchern in feiner Abendgarderobe auch Fans, die ihre Liebe zum Fußballverein mit diversen Fanartikeln wie Schals oder T-Shirts dokumentieren. Neben den Programmen gibt es auch Knicklichter zu erwerben, um sie bei der Schalker Hymne im Zuschauerraum leuchten zu lassen.

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Bonita Niessen bei der Eröffnungsnummer

Heribert Feckler hat gemeinsam mit Dieter Falk auf ein Libretto von Ulf Schmidt unter dem Titel Kennst du den Mythos...? die Vereinsgeschichte des FC Schalke 04 aus 111 Jahren in Musik und Szene gesetzt. Jan Peter hat dazu Filmmaterial zusammengestellt, das in großen Videoprojektionen auf der Bühne gezeigt wird. In einem Video führt Anna Thalbach auf unterhaltsame Art durch die Zeit, wobei sie optisch jeweils dem Zeitgeist angepasst ist. Die Neue Philharmonie Westfalen ist auf der Bühne positioniert und wird von Feckler selbst geleitet. Hinter dem Orchester sind der Opern- und Extrachor positioniert, wobei die Bestuhlung Stadion-Atmosphäre einfängt. Ein Steg führt durch das Orchester zu einem runden Podest, das mit dem Orchestergraben herabgelassen werden kann. Die Solisten treten in der Regel vor dem Orchester auf und werden durch Mikrofone verstärkt. Die Aussteuerung ist hierbei allerdings noch ein bisschen ausbaufähig, da zumindest im ersten Rang die Solisten teilweise vom Orchester übertönt werden. Vor allem der Ton bei den Videos mit Anna Thalbach ist stellenweise zu leise eingestellt, so dass man Thalbach nicht immer gut verstehen kann, was gerade für die Zuschauer, die sich noch nicht intensiv mit der Vereinsgeschichte auseinander gesetzt haben, bedauerlich ist.

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Schalker Geschichtsstunde mit den Herren des Opernchors

Direkt zu Beginn wird die Stimmung kräftig aufgeheizt, wenn von den Seitenrängen riesige Fahnen von Schalke 04 wehen und Bonita Niessen im obligatorischen blauen Kleid wie eine Statue aus dem Orchestergraben emporgefahren wird und verkündet, dass die Geschichte des FC Schalke 04 einem Mythos gleicht. Und da dürften bei den zahlreichen Fans in der folgenden Revue einige Erinnerungen wach gerüttelt werden. So geht es um die legendären Ballmann-Brüder, die Anfang der 20er Jahr das englische Kurzpass-Spiel nach Gelsenkirchen gebracht haben und damit den Grundstein für den sogenannten "Schalker Kreisel" gelegt haben. Eine Hymne wird angestimmt auf große Ausnahmetalente wie Fritz Szepan und Ernst Kuzorra, die den Verein in die Erstklassigkeit geführt haben, und natürlich darf in diesem Zusammenhang auch Reinhard "Stan" Libuda nicht fehlen. Feckler und Falk haben diese Erinnerungen mit Melodien unterlegt, die nah am Geist der Unterhaltungsmusik der jeweiligen Zeit sind. So lässt die Musik zu den Ballmann-Brüdern die Leichtigkeit der 20er Jahre wieder auferstehen, während mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten durchaus düstere Jahre aufziehen, auch wenn der Verein zwischen 1934 und 1942 insgesamt sechs seiner sieben Meistertitel erlangt. Mit dem Beginn der Bundesliga wird das Publikum dann in die "Halbzeit"-Pause geschickt.

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Anna Thalbach führt als Erzählerin in einer Videoprojektion durch die Schalker Vereinsgeschichte (vorne: Heribert Feckler am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen).

Nach der Pause werden die Erinnerungen emotionaler, was allerdings vielleicht auch daran liegt, dass sie beim Publikum durch eigenes Erleben noch präsenter sind. Ein musikalischer Höhepunkt ist ein Rap von Giuseppe Todaro, der die bewegenden Jahre des ständigen Auf- und Abstiegs in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts beschreibt. Hier trifft Todaro genau den Nerv des Publikums. Mythologisch wird es im Vorfeld auch mit Ikarus, wenn der Höhenflug des Vereins mit dem griechischen Jüngling verglichen wird, der bei seinem Flug der Sonne zu nahe gekommen ist. Doch im Gegensatz zu Ikarus hat sich der Verein aus jeder noch so misslichen Lage wieder aufrappeln können. Erinnert wird dann in einer packenden Szene an den Elfmeter-Krimi in Mailand 1997, als Schalke 04 just in dem Jahr den UEFA-Pokal gewann, als bundesweit der stufenweise Ausstieg aus der Kohleförderung beschlossen wurde, was für zahlreiche Gelsenkirchener Bergleute Arbeitslosigkeit bedeutete. Hier geht der Abend auch dann den Zuschauern unter die Haut, die sich ansonsten nicht so sehr für Fußball interessieren. Doch auch das Trauma der Vereinsgeschichte im Jahr 2001, als Schalke für vier Minuten deutscher Meister war und dann doch noch die Meisterschaft verloren hat, wird an diesem Abend bewegend aufgearbeitet. Wenn dann am Ende die Schalker Hymne angestimmt wird und im Publikum einige Zuschauer mitsingen, lässt sich erahnen, was den wahren Fußballfan im Stadion begeistert.

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Rapper Giuseppe Todaro mit den Tänzerinnen

Vielleicht fehlt allerdings auch gerade diese Fußball-Atmosphäre, um den Abend wirklich in vollem Umfang genießen zu können. Die Solisten des Hauses und die für diese Produktion engagierten Gäste geben mit dem Opern- und Extrachor wirklich alles, um fußballerische Leidenschaft zu wecken. Doch leider ist man darauf angewiesen, dass das Publikum diesen Ball auch aufnimmt. Dies geschah allerdings vor allem bis zur Pause an diesem Abend nur bedingt. Wenn auf der Bühne nach dem Grauen des Dritten Reiches Respekt vor andersdenkenden Menschen gefordert wird und zahlreiche Fans dafür werben, für Zivilcourage aufzustehen, ist es schon schade, dass ein Teil des Publikums sitzen bleibt, wenn das Lied "Steh auf, wenn du Schalker bist" ertönt. Hier könnte man, selbst wenn man eine andere Mannschaft favorisiert, über seinen Schatten springen und sich für den guten Zweck erheben. Andererseits ist es jedoch erstaunlich, dass an diesem Abend überhaupt Fußball-Fans den Weg ins Opernhaus gefunden haben, wo doch zeitgleich im Fernsehen das Europa-Pokal Spiel gegen Nikosia stattfand. Dass Schalker Fans an einem solchen Abend ins Theater gehen und nicht mit ihrem Verein am Bildschirm fiebern, zeigt, dass dieser Abend das Fußballherz in Gelsenkirchen erreicht hat. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten, und die von Michael Schulz angekündigten "zwei Halbzeiten" sind dann mit Blick auf die Länge des Abends dann auf jeden Fall in die Verlängerung gegangen.

FAZIT

Dieser Abend öffnet einerseits die Pforten für ein ganz neues Publikum und lässt das alte Publikum vielleicht erkennen, welche magische Kraft in dem Phänomen "Fußball" steckt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Heribert Feckler

Filmregie
Jan Peter

Projektleitung
Künstlerische Umsetzung
Michaela Dicu

Bühne
Giorgios Kolios

Kostüme
Andreas Meyer

Choreographie
Cedric Sprick

Chor
Christian Jeub

Licht
Mariella von Vequel-Westernach

Dramaturgie
Anna Grundmeier

 

Opern- und Extrachor des MiR

Junger Chor Beckhausen

Neue Philharmonie Westfalen

Trommlergarde des FC Schalke 04

 

Solisten

Erzählerin
Anna Thalbach

Solisten
Bonita Niessen
Petra Schmidt
Anke Sieloff
Joachim G. Maaß
Piotr Prochera
Lars-Oliver Rühl
Henrik Wager

Rapper
Giuseppe Todaro

Tänzerinnen
Fatoumata Camara
Violetta Kromer
Katja Morozova
Jouana Samia Wehbi

Statisterie
Thomas Dahm
Oliver Jendrny
Baycan Sarcan
Philipp Schacht
Felix Warczek

Statist Live-Kamera
Yasin Zerria

Band
Klaus Bittner (Gitarre)
Gero Gellert (E-Bass)
Gero Körner (Keyboard)
Jürgen Peiffer (Drums)

 


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