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Le cantatrici villane
(Aufstieg der Sängerinnen)

Dramma giocoso in zwei Akten
Text von
Giuseppe Palomba
Musik von Valentino Fioravanti

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Bockenheimer Depot am 23. Januar 2016



Oper Frankfurt
(Homepage)
Zickenkrieg im Theater

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller


Obwohl Valentino Fioravanti Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts in ganz Europa riesige Erfolge feiern konnte und er mit über 70 Opern sehr produktiv war, dürfte er als Komponist heute nur noch wenigen Opern-Enthusiasten bekannt sein. Mit seinen Werken traf er genau den Zeitgeist und führte die Opera buffa nicht nur zu einer neuen Blüte, sondern darf wohl auch als bedeutender Wegbereiter für den jungen Rossini betrachtet werden. Le cantatrici villane gilt als seine populärste Oper, die ihn 1799 weit über die Grenzen Neapels bekannt machte. Sogar Goethe war von dem Werk so angetan, dass er es 1812 in Weimar inszenierte. Zahlreiche Komponisten griffen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auf Fioravantis Dramma giocoso als Vorlage für eigene Vertonungen über das "Theater im Theater" zurück, beispielsweise auch Antonio Cagnoni, dessen Don Bucefalo 2014 beim Wexford Festival Opera zu erleben war (siehe auch unsere Rezension). Im
Bockenheimer Depot, das sich seit einigen Spielzeiten zu einem prädestinierten Ort für Opernausgrabungen entwickelt hat, ist nun mit Fioravantis Oper die Vorlage zu den zahlreichen Vertonungen zu erleben.

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Rosa (Jessica Strong, links), Nunziella (Katharina Ruckgaber, Mitte) und Agata (Karen Vuong) träumen von einer Karriere als Sängerin.

Das Dramma giocoso handelt von dem windigen Kapellmeister Don Bucefalo, der in einem Dorf bei Rom gleich vier jungen Frauen verspricht, ihr musikalisches Talent zu fördern und sie zu großen Opern-Diven zu machen. Zwar hätten sie keine musikalische Ausbildung, aber ein gutes Gehör, was für eine Karriere völlig ausreichend sei. Unterstützt wird sein Vorhaben von seinem Musikschüler Don Marco, der zwar vermögend, dafür allerdings völlig untalentiert ist. Immerhin besitzt er ein Cembalo, was für Bucefalo ein entscheidendes Kriterium ist. Gemeinsam planen beide Männer, sich bei diesem Unternehmen eine wohlhabende Witwe zu angeln, die sie glauben, in Rosa gefunden zu haben, da ihr Mann, Carlino, nicht aus Spanien zurückgekehrt ist. Doch Carlino taucht während der Proben inkognito auf und verdächtigt seiner Frau der Untreue. So kommt es während der Arbeit an Glucks Oper Ezio zu zahlreichen Verwicklungen, die auch noch von dem Konkurrenzkampf der vier Primadonnen untereinander befeuert werden. Jede hält sich nämlich für die beste Sängerin und zeigt sich den Mitstreiterinnen gegenüber äußerst missgünstig. Während Nunziella aus dem Kampf aussteigt, um sich Don Marco als finanzkräftigen Gatten zu angeln, wird der Showdown zwischen Rosa und Agata von Rosas Mann Carlino unterbrochen. Es kommt zu einem großen Tumult, bei dem sich Carlino schließlich zu erkennen gibt. Rosa kann ihm versichern, dass sie ihm treu geblieben ist, und so gibt es für alle ein Happy End. Einer Aufführung der geplanten Oper steht nun nichts mehr im Wege.

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Die Protagonisten als Zuschauer: von links: Carlino (Michael Porter), Rosa (Jessica Strong), Don Bucefalo (Björn Bürger), Don Marco (Thomas Faulkner), Giannetta (Maren Favela) und Agata (Karen Vuong)

Das Regie-Team um Caterina Panti Liberovici inszeniert die Geschichte über das Theater in einem gespiegelten Zuschauerraum. Bühnenbildner Sergio Mariotti hat einen Großteil der Bühne mit roten Theatersitzen ausgestattet, in dem die Protagonisten und die Statisten während der Ouvertüre wie Zuschauer Platz nehmen. So entdeckt Don Bucefalo, der in einer Zuschauerreihe auf Höhe des Orchesters in Richtung Bühne sitzt, die vier singenden Frauen nicht auf dem Feld sondern direkt im Theater und macht aus den Besucherinnen Bühnenfiguren, indem er ihnen die Alltagskleidung auszieht und die Perücken abnimmt und aufwändige Kostüme aus unterschiedlichen Epochen auffährt, die die Frauen sofort von einer steilen Karriere träumen lassen. Mit beweglichen Bühnenelementen, werden dann Garderoben und Probebühnen herein- und wieder herausgefahren, und ermöglichen so einen schnellen Szenenwechsel. Dass Liberovici, die seit 2009 als Regie-Assistentin in Frankfurt gearbeitet hat, mit der Frankfurter Oper recht vertraut ist, wird in einigen Anspielungen deutlich. So verspricht Bucefalo beispielsweise Rosa und Agata zu Stars wie "La Murrihy" (gemeint ist Paula Murrihy, die in Frankfurt 2013 in Glucks Ezio als Fulvia begeisterte) und "La Mahnke" (gemeint ist Claudia Mahnke, die auch in Frankfurt in den letzten Jahren große Erfolge gefeiert hat) zu machen. Außerdem soll die Aufführung von Glucks Ezio im Bockenheimer Depot stattfinden, und ein Bühnenprospekt zeigt einen Blick auf den Eingang der Spielstätte.

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Don Bucefalo (Björn Bürger) in Bedrängnis (um ihn herum: Statisten als Double von Carlino und die Sängerinnen (Katharina Ruckgaber, Karen Vuong, Jessica Strong und Maren Favela))

Musikalisch und textlich wurden vom Regie-Team einige Änderungen vorgenommen. So wird Rosas Arie, in der Fioravanti sie bei der Interpretation der Fulvia scheitern lässt, durch Glucks Originalarie "Ah! non son io que parla" ersetzt, in der Rosa beweisen darf, dass sie wirklich das Zeug zu einer Primadonna hat und somit nicht der Lächerlichkeit preisgegeben wird. An dieser Stelle erlebt man einen kurzen Moment Opera seria, bevor Agata mit ihrem Versuch, die Arie Onorias im Anschluss zu präsentieren, von dem vor Eifersucht rasenden Carlino unterbrochen wird und in einem chaotischen Tumult mit witzigen Slapstick-Einlagen der Buffo-Ton wieder aufgegriffen wird. Auch das Duett zwischen Don Marco und Nunziella, in dem er beschließt, mit seinem Geld Intendant und Kapellmeister zu werden, und Nunziella sich in einen blonden Vamp verwandelt, um sich ihn als Ehemann zu angeln, wird vom ersten in den zweiten Akt verschoben, wodurch der eigentliche Gegenspieler Carlinos um die Gunst Rosas beim großen Tumult eigentlich nur noch Don Bucefalo ist. Wenn dieser auf Rosas Verführungsversuche damit reagiert, dass er eigentlich gerne mit dem wertvollen Cembalo das Weite suchen will, entwickelt auch diese Szene eine ganz eigene Komik. Damit der neapolitanische Dialekt, in dem das Libretto ursprünglich geschrieben ist, mit seinen Abweichungen vom "gewöhnlichen italienischen Sprachgebrauch" die Solisten nicht einschränkt, verwendet man in Frankfurt eine Fassung, die ins Italienische übertragen worden ist. Der eingefügte Regieassistent (Christof M. Fleischer) spricht zwischendurch auch schon einmal Deutsch, um zu demonstrieren, dass das Stück ein Stück Theatergeschichte erzählt, die auch heute noch auf deutschen Bühnen so zu finden ist.

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Eklat bei der Probe im Bockenheimer Depot (in der Mitte von links: Don Bucefalo (Björn Bürger), Rosa (Jessica Strong), Agata (Karen Vuong), außen: Carlino (Michael Porter) mit Statisten als Double))

Musikalisch hat man das Gefühl, sehr viel Mozart und bereits ein bisschen Rossini in Fioravantis Musik zu hören. Besonders das Finale am Ende des ersten Aktes, das in Frankfurt erst nach der Pause gespielt wird, lässt schon hören, was Rossini in seinen Farse und Opere buffe zur Perfektion gebracht hat. Wenn Bucefalo zum einen von Carlino bedroht und von den Sängerinnen bedrängt wird, erweist sich Fioravanti als musikalischer Meister der Komödie. In der großen Wahnsinns-Arie des Bucefalo, in der dem Kapellmeister kurz vor der Pause dunkle Schatten erscheinen, die die ausgesprochenen Drohungen Carlinos vervielfachen und ihn schließlich ohnmächtig zusammenbrechen lassen, lässt Mozarts Don Giovanni grüßen, als dieser schließlich kurz vor seinem Ende auf den steinernen Gast trifft. Auch der Zickenkrieg unter den Frauen birgt in Fioravantis Musik zahlreiche witzige Momente. Das durchweg junge Ensemble begeistert dabei durch große Spielfreude und großes komisches Talent. Allen voran ist hier Karen Vuong als Agata zu nennen. Mit großem Spielwitz schießt sie ständig irgendwelche Pfeile gegen ihre Konkurrentinnen ab, trällert dabei mit sauber angesetzten Koloraturen und macht trotzdem deutlich, dass diese Agata immer hinter Rosa zurückstehen wird. Jessica Strong stellt als Rosa in der großen Wahnsinns-Arie der Fulvia ihre Vormachtstellung als Primadonna im Stück mit strahlenden Koloraturen und großer Dramatik unter Beweis. Auch sie begeistert mit hervorragender Komik, wenn sie auf dem Cembalo versucht, Don Bucefalo zu verführen. Maren Favela und Katharina Ruckgaber überzeugen mit jugendlichem Sopran als Giannetta und Nunziella.

Der Don Bucefalo, eine Paraderolle für jeden Buffo-Bariton, ist mit Björn Bürger ebenfalls hochkarätig besetzt. Mit markanter Stimmführung und großem Tempo zeichnet Bürger diesen windigen Charakter als liebenswerten Filou, dem man eigentlich nichts übel nehmen kann. Großartig gelingen ihm die große Wahnsinns-Arie vor der Pause, in der er sich von den Geistern Carlinos verfolgt fühlt, und die Auseinandersetzung im ersten Finale. Thomas Faulkner begeistert als Don Marco mit kräftigem Bass, obwohl es - wie bei Vuong - nicht sehr glaubhaft wirkt, dass Marco eigentlich nicht singen kann. Auch er stattet seine Partie mit großem Spielwitz aus. Michael Porter überzeugt als Carlino mit hellem Tenor, der in den Höhen äußerst geschmeidig klingt. Die Regie lässt ihn als eine Art schwarzen Ritter mit einer Maske auftreten. So wird glaubhaft, dass Rosa ihren Gatten wirklich nicht erkennt. Dabei gelingt es Porter ebenfalls, dem rachsüchtigen Ehemann komödiantische Züge zu verleihen. Karsten Januschke lotet mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester Fioravantis leichtfüßig klingende Musik differenziert aus, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Diese Opernrarität im Bockenheimer Depot macht szenisch und musikalisch großen Spaß. Als "Raritäten-Sammler" sollte man sich diese Produktion keinesfalls entgehen lassen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Karsten Januschke

Inszenierung
Caterina Panti Liberovici

Bühnenbild
Sergio Mariotti

Kostüme
Caterina Botticelli

Licht
Jan Hartmann

Dramaturgie
Deborah Einspieler

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Statisterie der Oper Frankfurt


Solisten

*Premierenbesetzung

Don Bucefalo
Björn Bürger

Rosa
*Jessica Strong /
Nora Friedrichs

Carlino
Michael Porter

Agata
Karen Vuong

Don Marco
Thomas Faulkner

Giannetta
Maren Favela

Nunziella
Katharina Ruckgaber

Regieassistent (Sprechrolle)
Christof M. Fleischer

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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