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Kinderträume, garantiert jugendfreiVon Stefan Schmöe / Fotos von Bettina StößNussknacker zum Ersten: Im Wochenabstand präsentieren die Ballett-Kompagnien in Dortmund und Essen, keine 40 km voneinander entfernt, ihre Neuproduktionen. In Dortmund spielt man die Choreographie von Benjamin Millepied im Bühnenbild von Paul Cox, entstanden 2005 für das Ballett in Genf. Und freut sich, dass Millepied inzwischen nicht nur als Ballettdirektor der Pariser Oper, sondern auch als Choreograph des Hollywood-Schinkens Black Swan (und Ehemann der Oscar-prämierten Hauptdarstellerin Natalie Portman) ist und einigen Glanz nach Westfalen bringt. Die Mäuse tanzen
Millepied und Cox haben das Ballett von allen biedermeierlichen Zutaten entrümpelt. Das Weihnachtsfest kann man zwar noch erahnen, aber statt Puppenstubenromantik gibt es eine Welt aus Bauklötzen (einer in Tannenform). Die bunten Kostüme sind auf einfache Formen reduziert. Zwei angedeutete Strommasten verlegen das Geschehen in die Moderne, wobei diese Moderne aber schon reichlich betagt erscheint - ins Kinderzimmer hat die Elektrizität jedenfalls noch keinen Einzug gehalten. Und auch die kleine Clara erscheint noch als braves Mädchen aus längst vergangenen Zeiten. Die Aktualisierung hat also ihre engen Grenzen. Die heutigsten Figuren sind Claras Eltern, deren maßvoll erotisch aufgeladener pas de deux immerhin ahnen lässt, dass die Nacht noch andere Dinge bereit hält als Claras Kinderträume. Ansonsten ist von der (freilich ohnehin in diesem Ballett spärlichen) Psychologisierung praktisch nichts mehr zu erkennen.
Hier tanzen ausnahmsweise mal Erwachsene - Claras Eltern
Der Traum führt Clara, nach dem Kampf zwischen Nussknacker und Mäusekönig, bekanntlich in das Reich der Zuckerfee. Weil der Nussknacker sich ja eigentlich als Prinz entpuppt, hat er zunächst einen Froschkopf (einer sich hartnäckig haltenden Tradition nach muss man offenbar erst Frosch sein, um sich zum Prinzen zu wandeln). Dabei ist es dann gar nicht der Prinz, sondern ein ebenso braver Junge, wohl ein Cousin, der an Claras Seite die Divertissements des zweiten Teils anschaut, an deren Bühnenwirksamkeit nicht nur Tschaikowsky großen Zweifel hatte, die beim Publikum aber ihrer vollständig fehlenden Dramatik zum Trotz sehr beliebt (und eifrig beklatscht) sind. Die Zuckerfee kommt hier ganz ohne Süßigkeiten aus. Überhaupt ändert sich die Ästhetik nicht - der Traum ist nicht anders bunt als die Realität zuvor. Clara und ihr kindlicher Begleiter schauen auf einem großen Globus nach, woher die exotischen Tänze kommen. Das hält diesen revuehaften zweiten Teil so einigermaßen zusammen. Blumenwalzer - Clara und ihr Begleiter schauen interessiert zu
Hübsch anzusehen ist das allemal, bleibt allerdings völlig harmlos - Kinderwelten eben, und von pubertärem Gedankengut ist diese Clara noch ziemlich weit entfernt (und braucht folglich auch keinen Märchenprinzen). Trotzdem ist das nicht unbedingt eine Choreographie für Kinder. Die Abstraktion in den Kostümen macht die Zuordnung und ein Nachvollziehen der Handlung nicht unbedingt leicht. Gleichzeitig erschwert sie den Tänzern, Persönlichkeit zu zeigen, da sind sie doch sehr in der Bauklötzchenwelt gefangen. Millepieds Humor ist dazu überschaubar - im Blumenwalzer sind die Herren Gärtner im Blaumann, die Damen tragen Blumentöpfe auf dem Kopf (auch das wird sich Kindern nicht unbedingt erschließen). Gelungen ist die Rahmenhandlung, in der Drosselmeier, der rätselhafte Onkel mit dem Nussknacker und hier so etwas wie ein Strippenzieher, von der Seite immer wieder in einem Buch schreibt und zeichnet, und auf einem Vorhang sind diese Schriftzüge und Zeichnungen dann zu lesen (meist Wörter und Zeichnungen im Wesentlichen aus einer Linie, ohne den Stift abzusetzen). Da bekommt die leichte Hand von Choreograph und Bühnenbildners einmal das Gewicht, dass der Nussknacker eben auch bräuchte. Zuckerfee und Prinz
Musikalisch wird die Produktion zur Chefsache - am Pult steht GMD Gabriel Feltz, aber auch der kann nicht verhindern, dass gleich die Ouvertüre völlig auseinander läuft, Blech- und Holzbläser selten zusammen sind, etliche Einsätze wackeln und so manche Stelle so klingt, als sei sie doch wrg wenig geprobt worden. Sicher spielen die Musiker der Dortmunder Philharmoniker immer wieder auch sehr schön, aber viel zu oft eben nicht zusammen. Auf der Bühne setzt sich das in abgeschwächter Form fort, an der Synchronität der Bewegungen in den Ensembles dürfte ruhig noch gefeilt werden - tänzerisch ist das Meiste doch eher braves Mittelmaß. Arsen Azatyan als Drosselmeier sowie Stephanine Rricciardi und Andrei Moriariu (Claras Eltern) setzen ein paar Akzente, bleiben aber ziemlich routiniert - Jelena Ana Stupar als Zuckerfee und Alysson da Roche Alves als deren Prinz tanzen gefällig, aber auch nicht mehr. Den Kindersolisten Sarah Falk und Luis Weissert wünschte man, sie dürften etwas frecher agieren. Zu erwähnen noch der Kinderchor der Chorakademie, der seinen kurzen Part sehr akkurat singt, dem es aber ein wenig an Leichtigkeit und Eleganz fehlt. FAZITDieser verspielte Nussknacker, musikalisch ziemlich dürftig, ist in seiner konsequent durchgezogenen Bauklötzchenästhetik durchaus unterhaltsam - aber bleibt an der dekorativen Oberfläche. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Choreographie
Bühne und Kostüme
Lichtdesign
Einstudierung
Choreinstudierung
Solisten* Besetzung der Premiere
Mutter
Vater
Zuckerfee
Prinz
Clara
Drosselmeier
Drosselmeiers Neffe
Großmutter
Großvater
Zinnsoldat
Harlequin
Gäste
Zinnsoldaten
Mäusekönig
Mäuse
Schneeflocken
Spanischer Tanz
Arabischer Tanz
Chinesischer Tanz
Russischer Tanz
Griechischer Tanz
Lebkuchenmutter
Blume
Gärtner
Blumenwalzer
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