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Der Nussknacker

Ballett in drei Akten
Musik von Peter I. Tschaikowsky
Choreographie von Benjamin Millepied




Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 18. Oktober 2015




Theater Dortmund
(Homepage)

Kinderträume, garantiert jugendfrei

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bettina Stöß

Nussknacker zum Ersten: Im Wochenabstand präsentieren die Ballett-Kompagnien in Dortmund und Essen, keine 40 km voneinander entfernt, ihre Neuproduktionen. In Dortmund spielt man die Choreographie von Benjamin Millepied im Bühnenbild von Paul Cox, entstanden 2005 für das Ballett in Genf. Und freut sich, dass Millepied inzwischen nicht nur als Ballettdirektor der Pariser Oper, sondern auch als Choreograph des Hollywood-Schinkens Black Swan (und Ehemann der Oscar-prämierten Hauptdarstellerin Natalie Portman) ist und einigen Glanz nach Westfalen bringt.

Szenenfoto

Die Mäuse tanzen

Millepied und Cox haben das Ballett von allen biedermeierlichen Zutaten entrümpelt. Das Weihnachtsfest kann man zwar noch erahnen, aber statt Puppenstubenromantik gibt es eine Welt aus Bauklötzen (einer in Tannenform). Die bunten Kostüme sind auf einfache Formen reduziert. Zwei angedeutete Strommasten verlegen das Geschehen in die Moderne, wobei diese Moderne aber schon reichlich betagt erscheint - ins Kinderzimmer hat die Elektrizität jedenfalls noch keinen Einzug gehalten. Und auch die kleine Clara erscheint noch als braves Mädchen aus längst vergangenen Zeiten. Die Aktualisierung hat also ihre engen Grenzen. Die heutigsten Figuren sind Claras Eltern, deren maßvoll erotisch aufgeladener pas de deux immerhin ahnen lässt, dass die Nacht noch andere Dinge bereit hält als Claras Kinderträume. Ansonsten ist von der (freilich ohnehin in diesem Ballett spärlichen) Psychologisierung praktisch nichts mehr zu erkennen.

Szenenfoto

Hier tanzen ausnahmsweise mal Erwachsene - Claras Eltern

Der Traum führt Clara, nach dem Kampf zwischen Nussknacker und Mäusekönig, bekanntlich in das Reich der Zuckerfee. Weil der Nussknacker sich ja eigentlich als Prinz entpuppt, hat er zunächst einen Froschkopf (einer sich hartnäckig haltenden Tradition nach muss man offenbar erst Frosch sein, um sich zum Prinzen zu wandeln). Dabei ist es dann gar nicht der Prinz, sondern ein ebenso braver Junge, wohl ein Cousin, der an Claras Seite die Divertissements des zweiten Teils anschaut, an deren Bühnenwirksamkeit nicht nur Tschaikowsky großen Zweifel hatte, die beim Publikum aber ihrer vollständig fehlenden Dramatik zum Trotz sehr beliebt (und eifrig beklatscht) sind. Die Zuckerfee kommt hier ganz ohne Süßigkeiten aus. Überhaupt ändert sich die Ästhetik nicht - der Traum ist nicht anders bunt als die Realität zuvor. Clara und ihr kindlicher Begleiter schauen auf einem großen Globus nach, woher die exotischen Tänze kommen. Das hält diesen revuehaften zweiten Teil so einigermaßen zusammen.

Szenenfoto

Blumenwalzer - Clara und ihr Begleiter schauen interessiert zu

Hübsch anzusehen ist das allemal, bleibt allerdings völlig harmlos - Kinderwelten eben, und von pubertärem Gedankengut ist diese Clara noch ziemlich weit entfernt (und braucht folglich auch keinen Märchenprinzen). Trotzdem ist das nicht unbedingt eine Choreographie für Kinder. Die Abstraktion in den Kostümen macht die Zuordnung und ein Nachvollziehen der Handlung nicht unbedingt leicht. Gleichzeitig erschwert sie den Tänzern, Persönlichkeit zu zeigen, da sind sie doch sehr in der Bauklötzchenwelt gefangen. Millepieds Humor ist dazu überschaubar - im Blumenwalzer sind die Herren Gärtner im Blaumann, die Damen tragen Blumentöpfe auf dem Kopf (auch das wird sich Kindern nicht unbedingt erschließen). Gelungen ist die Rahmenhandlung, in der Drosselmeier, der rätselhafte Onkel mit dem Nussknacker und hier so etwas wie ein Strippenzieher, von der Seite immer wieder in einem Buch schreibt und zeichnet, und auf einem Vorhang sind diese Schriftzüge und Zeichnungen dann zu lesen (meist Wörter und Zeichnungen im Wesentlichen aus einer Linie, ohne den Stift abzusetzen). Da bekommt die leichte Hand von Choreograph und Bühnenbildners einmal das Gewicht, dass der Nussknacker eben auch bräuchte.

Szenenfoto

Zuckerfee und Prinz

Musikalisch wird die Produktion zur Chefsache - am Pult steht GMD Gabriel Feltz, aber auch der kann nicht verhindern, dass gleich die Ouvertüre völlig auseinander läuft, Blech- und Holzbläser selten zusammen sind, etliche Einsätze wackeln und so manche Stelle so klingt, als sei sie doch wrg wenig geprobt worden. Sicher spielen die Musiker der Dortmunder Philharmoniker immer wieder auch sehr schön, aber viel zu oft eben nicht zusammen. Auf der Bühne setzt sich das in abgeschwächter Form fort, an der Synchronität der Bewegungen in den Ensembles dürfte ruhig noch gefeilt werden - tänzerisch ist das Meiste doch eher braves Mittelmaß. Arsen Azatyan als Drosselmeier sowie Stephanine Rricciardi und Andrei Moriariu (Claras Eltern) setzen ein paar Akzente, bleiben aber ziemlich routiniert - Jelena Ana Stupar als Zuckerfee und Alysson da Roche Alves als deren Prinz tanzen gefällig, aber auch nicht mehr. Den Kindersolisten Sarah Falk und Luis Weissert wünschte man, sie dürften etwas frecher agieren. Zu erwähnen noch der Kinderchor der Chorakademie, der seinen kurzen Part sehr akkurat singt, dem es aber ein wenig an Leichtigkeit und Eleganz fehlt.

FAZIT

Dieser verspielte Nussknacker, musikalisch ziemlich dürftig, ist in seiner konsequent durchgezogenen Bauklötzchenästhetik durchaus unterhaltsam - aber bleibt an der dekorativen Oberfläche.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz

Choreographie
Benjamin Millepied

Bühne und Kostüme
Paul Cox

Lichtdesign
Rick Murray

Einstudierung
Janie Taylor
Kurt Froman

Choreinstudierung
Bianca Kloda


Ballett des Theater Dortmund

Kinderchor der Chorakademie Dortmund

Die Dortmunder Philharmoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Mutter
*Stephanine Ricciardi
Debora di Giovanni
Haruka Sassa

Vater
*Andrei Morariu
Harold Quintero López
Javier Cacheiro Alemán
Giuseppe Ragona

Zuckerfee
*Jelena-Ana Stupar
Barbara Melo Freire
Debora di Giovanni

Prinz
*Alysson da Rocha
Giacomo Altovino
Javier Cacheiro Alemán

Clara
Galatea Weber
*Sarah Falk
Cosima Ceasar
Casey Hoskins

Drosselmeier
*Arsen Azatyan
Stephen C. King

Drosselmeiers Neffe
*Luis Weissert
Denis Gurdzi
Oliver König
Mounir Taabani
Julien Knoll

Großmutter
*Barbara Melo Freire
Jelena-Ana Stupar
Denise Chiarioni

Großvater
*Davide D'Elia
Tigran Sargsyan

Zinnsoldat
Giacomo Altovino
*Hiroaki Ishida
Arsen Azatyan

Harlequin
*Alysson da Rocha
Hiroaki Ishida
Denise Chiarioni
Moonsun Yoon

Gäste
*Jelena-Ana Stupar
Risa Terasawa
*Clara Carolina Sorzano Hernandez
Denise Chiarioni
*Nae Nishimura
*Amanda Vieira
Lucia das Gracas Lopes Barbosa
Harold Quintero López
*Stephen C. King
Alysson da Rocha
*Giuseppe Ragona
William Dugan
Hiroaki Ishida
*Erik Jesús Sosa Sánchez
*Francesco Nigro
Davide D' Elia

Zinnsoldaten
Lucia das Gracas Lopes Barbosa
Amanda Vieira
Moonsun Yoon
Risa Terasawa
Nae Nishimura
Haruka Sassa
Sae Tamura

Mäusekönig
Tigran Sargsyan
*Stephen C. King

Mäuse
Davide D' Elia
Dann Wilkinson
Tigran Sargsyan
William Dugan
Erik Jesús Sosa Sánchez
Giacomo Altovino
Hiroaki Ishida

Schneeflocken
Denise Chiarioni
Clara Carolina Sorzano Hernandez
Sae Tamura
Debora di Giovanni
Nae Nishimura
Haruka Sassa
Amanda Vieira
Barbara Melo Freire
Francesco Nigro
Alysson da Rocha
Javier Cacheiro Alemán
Erik Jesús Sosa Sánchez
William Dugan
Arsen Azatyan
Dann Wilkinson
Davide D' Elia

Spanischer Tanz
*Clara Carolina Sorzano Hernandez
Stephanine Ricciardi
Risa Terasawa
*Francesco Nigro
Alysson da Rocha
Tigran Sargsyan

Arabischer Tanz
*Sae Tamura
Debora di Giovanni
Amanda Vieira
*Nae Nishimura
Clara Carolina Sorzano Hernandez
Stephanine Ricciardi
Dayne Andrew Florence
*Erik Jesús Sosa Sánchez

Chinesischer Tanz
*Hiroaki Ishida
Javier Cacheiro Alemán
*Giacomo Altovino
Tigran Sargsyan

Russischer Tanz
*Denise Chiarioni
Lucia das Gracas Lopes Barbosa
Arsen Azatyan
Andrei Morariu
*Davide D' Elia
*Harold Quintero López
Javier Cacheiro Alemán
Dann Wilkinson

Griechischer Tanz
*Haruka Sassa
Jelena-Ana Stupar
Davide D' Elia
*Stephen C. King
*William Dugan
Francesco Nigro

Lebkuchenmutter
*Dann Wilkinson
Giuseppe Ragona

Blume
*Barbara Melo Freire
Denise Chiarioni

Gärtner
*Giuseppe Ragona
Harold Quintero López

Blumenwalzer
*Amanda Vieira
Gemma Gullefer
*Moonsun Yoon
Haruka Sassa
*Risa Terasawa
Nae Nishimura
*Lucia das Gracas Lopes Barbosa
Sae Tamura
*Francesco Nigro
Dann Wilkinson
William Dugan
*Giacomo Altovino
Alysson da Rocha
*Tigran Sargsyan
Hiroaki Ishida
*Davide D' Elia
Erik Jesús Sosa Sánchez


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