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Musiktheater
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Mathis der Maler

Oper in sieben Bildern
Text und Musik von Paul Hindemith


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h (eine Pause)

Premiere an der Sächsische Staatsoper Dresden am 1. Mai 2016


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Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)
Bilder seines Abgrunds

Von Joachim Lange / Fotos von Jochen Quast

Bei der reichlich verspäteten Dresdner Erstaufführung von Paul Hindemiths (1895-1963) sperrigem Großwerk Mathis der Maler sucht Regisseur Jochen Biganzoli den Zugang über ein metaphorisches Spiel mit der Profession des Titelhelden. Er lässt gar Matthias Grünewalds (1475-1528) Isenheimer Altar versteigern, um dann beim Komponisten selbst und dessen Werk zu landen. Samt einer eingespielten Attacke des Propaganda-Ministers der Nazis auf den Komponisten via Volksempfänger. Dazwischen versucht er aus dem selbst gemachten, mitunter arg sperrigen und redundanten Libretto jenen Politik-, Religions- und Künstlerdiskurs herauszufiltern, den die großformatige Hochdruckmusik durchweg behauptet. Damit weitet sich der Blick gleichsam von selbst auf heutige Konflikte und Konstellationen in der PEGIDA-Hochburg Dresden. Dieses Herangehen schließt freilich eine lineare Nacherzählung im historischen Gewand aus. Kann gut sein, dass sich die Nazis besonders von der Bücherverbrennung auf offener Szene so brüskiert fühlten, dass eine Uraufführung in Deutschland nicht mehr möglich war. 1926 wurde Hindemiths Cardillac unter Fritz Busch in Dresden uraufgeführt. Sein Mathis der Maler gelangte erst 1938 in Zürich auf die Bühne. Zur Historie gehört übrigens auch, dass eine Ende der 50er-Jahre geplante Aufführung in Dresden aus politischen Gründen nicht zustande kam.

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Der Bauernführer suchst Schutz beim Künstler im Atelier

In den ersten der sieben Szenen beherrschen Werke von Robert Longo, Roy Lichtenstein, Ernst Ludwig Kirchner und Claude Monet den abstrakten Bühnenraum. Eingeleitet mit jeweils einem projizierten Zitat dieser Künstler auf den geschlossenen Vorhang. Was wir dann erleben, ist ein Crescendo von verbaler zu physischer Gewalt, das die Verwicklung von Mathis in die Wirren von Bauernkrieg und Reformation übersetzt. Der Bauernführer Schwalb und seine Leute flüchten in das schicke Atelier des Malers und hinterlassen Blutspuren auf der Leinwand. Als sich Mathis vor den Papisten dafür verantworten soll, dass er den Flüchtigen geholfen hat, zerstört er vor Wut mit der blanken Faust das Glas, das jene Totenkopf-Reliquie schützt, die der tolerante und pragmatische Kardinal Albrecht (John Daszak) gerade gestiftet hat. Das Kirchner-Gemälde wird als Hintergrund der Bücherverbrennung ketzerischer Werke von einem zügelnden Flammenstreifen selbst verzehrt.

Im Stück kommt es dann zum Ausbruch von realer Gewalt eines aufgestachelten Mobs. Nur das entschlossene Dazwischengehen von Mathis bewahrt die Gräfin Helferstein (Christa Mayer) davor, dem Mob in die Hände und, wie zuvor ihr Mann, zum Opfer zu fallen. Alles im denkbar größten atmosphärischen Kontrast zu Claude Monets berühmten Seerosen im Hintergrund.

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Wenn es um Bücherverbrennung geht, dann brennt das Bild

Für das Massaker, das die aufständischen Bauern niederstreckt, lässt Biganzoli keine Maschinenpistolen knattern, sondern zu jeder Orchester-Salve blutrote Scheinwerfer aufblitzen und Glitzer-Konfetti regnen. Für den Versuch der Lutheraner, dem pragmatischen Kardinal durch eine Hochzeit mit Ursula (Annemarie Kremer) den gut katholischen Schneid im wahrsten Wortsinn abzukaufen, hat Andreas Wilkens einen schlichten Behördenflur an die Rampe gesetzt. Immerhin bleibt vor diesen Türen und zwischen den Stühlen so viel Platz, dass der Kardinal seinen Entschluss vor einer Meute von Reportern verkünden kann: Nicht den, zu heiraten, wie von der pragmatischen Mainzer Bürgerschaft und Luther gefordert, um ein vermittelnder weltlicher Fürst zu werden, aber den, auf alle Macht und jeden Reichtum zu verzichten.

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Hier wird der Isenheimer Altar versteigert

Mathis' Flucht wiederum spielt sich vor einem riesigen leeren Bilderrahmen ab, weil er nicht nur vor seinen Verfolgern, sondern auch vor seinem Künstlertum (oder göttlichen Auftrag) davonzulaufen versucht. Zur inneren Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Sendung entfesselt Biganzoli in diesem Rahmen ein Panoptikum von personifizierten Erinnerungen und Erwartungen an den ermüdeten Künstler. Inklusive einer Jesus-Pantomime, die an Grünewalds berühmten Altar erinnert. Der dann auch noch als Satireattacke auf den Kunstbetrieb von heute zum einem Rekordpreis versteigert wird.

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Wenn der Aufstand niedergeschlagen wird regnet es Blut-Konfetti

Die letzte szenische Wendung schließt den Kreis der überzeitlichen Künstlerbiographie vor einem historischen Panoramablick. Sie bringt Mathis als Hindemith selbst auf die Bühne. Dass die von dem müden, resigniert wirkenden Mann scheidende junge Ziehtochter Regina (Emily Dorn) einen Koffer dabei hat und am Revers einen Judenstern, das wäre für das Verständnis gar nicht nötig gewesen.

Simone Young hat am Pult der Sächsischen Staatskapelle die gewaltige Klangarchitektur alsbald imponierend im Griff und findet die Balance zur Bühne - ganz gleich, ob sie nun massives Blech oder feinere Lyrismen aus dem Graben beisteuert. Ihr gelingt die eloquente, packende musikalische Prachtentfaltung, die dem Werk als Legitimation gut tut. So wie das hochkarätige Ensemble, das Markus Marquardt in der Titelpartie überzeugend anführt.


FAZIT

Jochen Biganzoli und Simone Young haben Paul Hindemiths Mathis der Maler zu ersten Mal auf die Dresdner Bühne gebracht, und damit überzeugt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Simone Young

Inszenierung
Jochen Biganzoli

Bühne
Andreas Wilkens

Kostüme
Heike Neugebauer

Choreographie
Silvia Zygouris

Chor
Jörn Hinnerk Andresen

Video
Thomas Lippick

Dramaturgie
Anna Melcher



Sächsischer Staatsopernchor

Sächsische Staatskapelle Dresden


Solisten

Albrecht von Brandenburg
John Daszak

Mathis
Markus Marquardt

Lorenz
Matthias Henneberg

Wolfgang
Tom Martinsen

Riedinger
Michael Eder

Hans Schwalb
Herbert Lippert

Truchseß
Hans-Joachim Ketelsen

Sylvester
Gerald Hupach

Der Pfeifer des Grafen
Timothy Oliver

Ursula
Annemarie Kremer

Regina
Emily Dorn

Gräfin Helfenstein
Christa Mayer

Erster Bauer
Frank Blümel

Zweiter Bauer
Torsten Schäpan

Dritter Bauer
Markus Brühl

Vierter Bauer
Alexander Födisch



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)



Da capo al Fine

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