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Madama Butterfly

Tragedia giapponese in zwei Akten
Libretto von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach einem Drama von David Belasco
Musik von Giacomo Puccini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 17. April 2016


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Theater Bonn
(Homepage)

Wie sich die Bilder gleichen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Man fragt sich schon, warum diese Oper seit mehr als 100 Jahren immer wieder funktioniert. Da fordert das Textbuch eine gerade einmal 15-jähre, zerbrechlich zarte Hauptfigur, noch dazu Japanerin, und die hat eine Gesangspartie zu stemmen, in die eine Sopranstimme über Jahre hineinwachsen muss. Man kennt das ja: Die typische Darstellerinnen der Butterfly ist mindestens dreimal so alt (und so schwer) wie die vom Libretto suggerierte Kindsfrau. Von Glaubwürdigkeit keine Spur, eigentlich. Zumal wenn die Regie, wie jetzt in Bonn die von Mark Daniel Hirsch, zu jener gefühlten Hälfte von Inszenierungen gehört, die mit mehr oder weniger maßvollem Fernost-Kolorit (was leicht bedeutet: mehr oder weniger Kitsch) die Geschichte beim Wort nehmen und realistisch nacherzählen (während sich die gefühlte andere Hälfte in moderner Trash-Ästhetik zeitgemäßen Antiamerikanismus hingibt, was meist nicht weniger kitschig ist).

Szenenfoto

Beachte: Das Mädchen links im Bild ist laut Textbuch zarte 15 Jahre alt. (Cio-Cio-San, die "Madama Butterfly", mit Gefolge.)

Bühnenbildner Helmut Stürmer hat aus verschiebbaren, halbtransparenten Wänden auf verschiedenen Ebenen einen geometrisch strengen, in schwarzweißgrau gehaltenen Raum geschaffen, der gleichzeitig Hausinneres und Garten sein kann (und wie man ihn in Variationen zig-mal in Butterfly-Produktionen gesehen hat, weil dieses Konzept natürlich immer aufgeht). Bunt wird es durch die schicken, sehr japanischen, sehr traditionellen und im Design beim genauen Hinschauen dann doch ein bisschen modernen Kostüme von Dieter Hauber. Dagegen wirkt, und so soll das natürlich sein, die Uniform des hier besonders schnöseligen amerikanischen Marineoffiziers Pinkerton ausgesprochen langweilig, was dem ohnehin ziemlich unbeweglichen Tenor George Oniani, der die meiste Zeit ratlos herumsteht, szenisch nicht gerade hilft. Dabei hat er eine Riesenstimme aufzubieten, bombensicher in der Höhe, nicht zu hell und mit Strahlkraft, und auch das Piano – wenn er denn mal piano singt – trägt. Aber die „Italianità“, der Sinn für eine Phrasierung, die über das (zugegeben beeindruckende) Ausstellen der Spitzentöne hinaus geht, das fehlt. So erhält die Figur durch die szenische wie musikalische Interpretation bei aller Bewunderung für die vokalen Mittel ziemlich viel Beamtenmentalität. Was mag die junge Japanerin nur an diesem Typen finden? Noch so ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Szenenfoto

Liebesglück, das nur einen Akt währt: Cio-Cio-San und Pinkerton

So jung und zart ist die natürlich auch in Bonn nicht, und japanisch sieht die dunkelhäutige Yannick-Muriel Noah schon gar nicht aus – selbst bei extrem großer Fantasie wird daraus kein fragiles „Fräulein Schmetterling“. Und doch funktioniert die Oper auch hier. Wenn auch mit ein bisschen Verzögerung, denn im ersten Akt ist die Sängerin porzellanweiß geschminkt, was zwar eine Spur fernöstlicher wirkt, aber die Figur (bewusst?) auf Distanz hält. Erst im zweiten Teil, ohne diese Maske, wenn die Mimik besser erkennbar wird, dann gewinnt gleich die ganze Oper an Kontur (und wenn das Regieteam das wirklich so geplant hat, wenn es aus der gekauften puppenhaften Braut eine leidende Frau machen möchte, dann hat es dadurch den ersten Aufzug weitgehend verschenkt). Mit Bühnenpräsenz und Ausstrahlung zieht Yannick-Muriel Noah jetzt die Aufmerksamkeit auf sich, und mit im Timbre jugendlicher, trotzdem großer Stimme und sicherer Höhe trumpft sie (wenn auch im Ausdruck manchmal etwas zu sehr auf Vorsicht gesungen) musikalisch eindrucksvoll auf. Da gewinnt die Figur eine Tiefe jenseits der vordergründigen Geschichte, und das erklärt wohl den Butterfly-Erfolg – die Verletzlichkeit einer Frau, die alles zu opfern bereit ist, die ist nicht an Alter und Herkunft gebunden.

Szenenfoto

2. Akt: Cio-Cio-San wartet

Schade, dass die (ja nicht grundsätzlich falsche) Regie nicht über ein paar Standardgesten hinaus kommt. Die Butterfly singt ihre zentrale Arie „Un bel di vedremo“ an der Rampe mit Blick ins Publikum – dabei ist das Meer, auf das sie vermeintlich schaut, gut sichtbar genau auf der anderen Seite, in ihrem Rücken also, und da stört weniger die fehlenden Logik als vielmehr die offensichtliche Einfallslosigkeit. Bei Susanne Blattert, die die Suzuki mit klar fokussierter Stimme und großer Souveränität singt, scheint im Spiel eine Spur Ironie beigemischt zu sein, ein Anflug von spöttischem Lächeln, wobei nicht klar ist, ob das der Figurenzeichnung oder dem insgesamt arg behäbigen Konzept gilt. Giorgos Kanaris ist ein stimmlich schlanker (aber durchsetzungsfähiger), szenisch sehr steifer Konsul, was hier wohl zum diplomatischen Habitus gehören soll. Priit Vollmer als asketisch donnernder Onkel Bonzo, Johannes Mertes als eleganter Fürst Yamadori und Jonghoon You als komödiantischer Heiratsvermittler Goro sind sehr ordentliche Besetzungen, und auch unter seinen üppig prangenden Kostümen singt der Chor ausgesprochen klangschön.

Szenenfoto

Tragisches Finale: Cio-Cio-San mit Kind, Suzuki und eine Dienerin, die man wohl als Todesengel interpretieren darf

Schön ist auch, was man aus dem Orchestergraben hört. Am Dirigentenpult steht der junge Kapellmeister Stephan Zilian, und der hat mit dem Beethoven Orchester sehr genau gearbeitet. Der Klang ist luftig transparent und sehr sängerfreundlich, die Details sind akkurat ausgestaltet. Was Zilian aber fehlt, ist das Gespür für die notwendige Dramatik. Offenbar möchte er jedes Pathos vermeiden und dirigiert betont sachlich – was dazu führt, dass allzu schematisch eine viertaktige Periode nach der anderen abgearbeitet wird. Ein wenig boshaft wirkt es da, dass im Programmheft ein Aufsatz des Dirigenten Will Humburg (der in Bonn ja schon große Abende dirigiert hat) abgedruckt ist, in dem er über das rechte Maß an Rubati und ähnlichen Freiheiten raisonniert – mit der Zielrichtung, ein „zu viel“ zu unterbinden. Das lässt sich aber leicht umdeuten auf Zilian und ein „zu wenig“: So akademisch brav muss Puccini nun auch nicht klingen. Aber vielleicht nimmt der engagiert dirigierende Zilian sich nach der insgesamt gelungenen Premiere ein wenig mehr Freiheiten und mehr Mut zum großen Gefühl heraus, immerhin geht es ja immer noch um Puccini. Zufrieden war das Publikum auch so. Die Butterfly funktioniert halt immer wieder.


FAZIT

Alles in allem eine solide, wenn auch szenisch arg konventionell geratene Aufführung, aus der Yannick-Muriel Noah als sehr gute Butterfly herausragt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stephan Zilias

Inszenierung
Mark Daniel Hirsch

Bühne
Helmut Stürmer

Kostüme
Dieter Hauber

Licht
Max Karbe

Chor
Marco Medved


Chor des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

Cio-Cio-San
Yannick-Muriel Noah

Suzuki
Susanne Blattert

F. B. Pinkerton
George Oniani

Sharpless
Giorgos Kanaris

Goro
Christian Georg /
* Jonghoon You

Kate Pinkerton
Kathrin Leidig

Fürst Yamadori
Johannes Mertes

Onkel Bonze
Rolf Broman /
* Priit Volmer

Yakusidé
Boris Beletskiy

Kaiserlicher Kommissar
Daniel Pannermayr

Mutter Cio-Cio-Sans
Ji Young Mennekes

Base
Jeannette Katzer

Tante
Ulrike Gmeiner



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