Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Cosí fan tutte
ossia La scuola degli amanti

Dramma giocoso in zwei Akten KV 588
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang A. Mozart


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 6. Dezember 2015


Homepage

Theater Bonn
(Homepage)

An der Liebe werden auch Rationalisten irre

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Dietrich Hilsdorf ist der Opernwelt ja seinerzeit noch Cosí fan tutte schuldig geblieben, irgendwie. In Gelsenkirchen hatte er in den frühen 1990er-Jahren mit einem Mozart-Zyklus für Aufsehen gesorgt. Da gab es auch Cosí, allerdings in einer musikalischen Sparversion, bei der das Orchester auf sechs Musiker zusammengeschrumpft wurde. Jetzt gibt es in Bonn die komplette Oper, wenigstens beinahe (dazu später mehr), und ganz kurz verweist Hilsdorf auf jenes Hotel am Golf von Neapel von damals: "Albergo Vesuvio" steht auf der Unterseite der Stühle in Dieter Richters wunderbar verstaubtem Rokoko-Salon, ein lost place, in den das Personal dieser Oper zu Beginn mit Gepäck einzieht wie in einer vergangenen Zeit. Ein Einheitsbühnenbild, bei dem der Lichteinfall durch das seitliche Fenster die Tageszeit andeutet und von dem ein Steg über den Orchestergraben die Brücke zur Jetztzeit schlägt. Manchmal treten die Sänger ganz nahe an das Publikum heran, etwa Fiordiligi in ihrer Arie im zweiten Akt, kurz vor der Selbstaufgabe (was heißt: dem Eingeständnis, einen anderen zu lieben als den Verlobten), und sie scheint uns ganz direkt sagen zu wollen: Seht, hört doch, ich kann nicht anders.

Szenenfoto

Vermeintlicher Abschied, weil angeblich den Soldaten der Marschbefehl ausgegeben wurde: Hinten Ferrando (l.) und Guglielmo, vorne Fiordiligi und Dorabella

Was Hilsdorf im Verbund mit seinem kongenialen Ausstatterteam (neben Dieter Richter noch Renate Schmitzer als Kostümbildnerin) mit bestechend genauer Personenregie im vermeintlichen Rokokogewand vorführt, zielt natürlich auf uns ab. Don Alfonso, von Priit Vollmer mit jugendlich schlanker Stimme ohne jede Altväterlichkeit oder Altersweisheit gesungen, ist ein scharf kalkulierender Rationalist - und Hilsdorf gönnt sich den Spaß, ihn zwischenzeitlich kräftig am Erfolg seines vermeintlich so sicheren Verstandskalküls zweifeln zu lassen: Der kühle Vernuftsmensch ist jedenfalls nicht der bessere Frauenversteher. Es ist Despina, die Zofe, die ihm beistehen und die zynische Wette auf und um Frauentreue zu seinen Gunsten retten muss. Hier ist die Despina kein kokettes Mädchen, sondern eine lebenserfahrene, auch verbitterte, nicht mehr junge Frau, die aus vielen Enttäuschungen gelernt hat. Susanne Blattert spielt da ihre ganze Bühnenerfahrung aus, und da klingt die Musik plötzlich gar nicht mehr so harmlos und heiter.

Szenenfoto

Die Stunde des Rationalisten? Don Alfonso (2.v.l.) lenkt die Geschicke. Oder versucht es zumindest.

Überhaupt greifen Regie und Musik sehr genau ineinander, und in Dirigent Hendrik Vestmann hat Hilsdorf einen ausgezeichneten Partner, der das im ersten Akt sehr gute, im zweiten etwas weniger konzentrierte Beethoven Orchester nicht nur souverän durch alle Klippen hindurch leitet, sondern sehr genau im Detail gearbeitet hat. Es gibt viele kleine Zäsuren, in denen die Musik kurz inne hält, weil die Szene dies erfordert, aber Vestmann lässt den musikalischen Spannungsbogen auch da nicht abreißen. Er lässt das Orchester mit trockenem, klaren Klang spielen, und auch wenn das natürlich kein Spezialensemble für solche Musik ist, gelingt eine erstaunliche Palette an Klangfarben.

Szenenfoto

Kurze Besinnungspause der erschöpften Damen Dorabella (stehend) und Fiordiligi.

Das ist der Hintergrund, vor dem die beiden Liebespaare in die Versuchssituation geschickt werden, die bei Hilsdorf natürlich nicht gut ausgeht, schon gar kein harmloses Liebhaber-wechsle-Dich-Spiel ist. Die Personen erhalten scharfes Profil. Guglielmo, von Giorgos Kanaris zupackend und draufgängerisch gesungen und gespielt, ist ein selbstverliebter Geck. Er bekommt im ersten Akt einen großen Auftritt mit der anspruchsvollen Arie Rivolgete a lui lo sguardo, die Mozart später strich - eine Selbstdarstellung, die letztendlich am Ende zum Zusammenbruch führen wird. Dass er als einziger im Finale aus der vermeintlichen Harmonie ausschert und sich - und den anderen - Gift in den Wein wünscht, ist die Konsequenz dieser Fallhöhe. Sympathischer ist der träumerische Ferrando, der sich mit seiner Wunschkonzert-Arie Un aura amoroso als der sensiblere der beiden vorstellen darf - was oft zum retardierenden Moment gerät, macht hier den Unterscheid der Charaktere deutlich. Dem jungen ungarischen Tenor Tamás Tarjányi, durch eine schwere Erkältung eingeschränkt, fehlt im Timbre vielleicht eine Spur an Wärme, aber er gestaltet die Partie mit leichter Stimme sehr schön aus ohne jede Sentimentalität.

Kathrin Leidig, als Dorabella die weniger standhafte der beiden Schwestern, trumpft mit schönem, überschäumendem Mezzosopran auf. Der Star dieses ungeheuer spielfreudigen Ensembles aber ist die Koreanerin Sumi Hwang als Fiordiligi. Die Stimme ist nicht übermäßig groß, aber ausgesprochen wandlungsfähig und kann in der hohen Lage energisch zulegen. Vor allem aber ist jeder Ton sehr bewusst gesungen und von großer Ausdruckskraft, das Piano von hoher Intensität. Die Sängerin riskiert viel, da geht auch schon mal ein Ton daneben, aber sie beglaubigt die zwischen Treue und Begierde zerrissene junge Frau unbedingt. Die gestochen scharfen, dabei fast lässig nebensächlich gesungenen Koloraturen gibt sie quasi als Zugabe obendrauf - großer Jubel nach beiden Arien.

Szenenfoto

Kurz vor der finalen Katastrophe: Richtig glücklich wirken Fiordiligi (l.) und Dorabella nicht angesichts der geplanten Hochzeit. Despina wendet sich entgeistert ab.

Nein, ein kann es nach solchen Gefühlsausbrüchen nicht geben, es gibt eigentlich überhaupt kein Ende. Zu verwirrt sind alle Beteiligten, alle Sicherheiten hinweg gespült. Und weder die alten Paare noch die neuen sind die richtigen - und wenn überhaupt, wird es wohl nur noch ein Paar geben. Wenn man dieser durch und durch packenden Aufführung einen Vorwurf machen möchte, dann den, dass Hilsdorf auch in dieser Fassung ein wenig frei mit der Musik umgeht, die Chöre komplett streicht (die mögen zwar musikalisch banal sein, kontrastieren aber gerade damit die "großen" Nummern wie die beiden Abschiedsensembles) und das zweite Finale ziemlich holprig zusammenstreicht, sodass die Oper überstürzt ihrem Ende entgegen eilt. Dabei ist es auch der Inszenierung wegen um jede fehlende Note schade.


FAZIT

Sicher eine der besten Produktionen der laufenden Spielzeit: Dietrich W. Hilsdorfs hochkonzentrierte Inszenierung wird von einem musikalisch wie schauspielerisch großartigen Ensemble packend in Szene gesetzt.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hendrik Vestmann

Inszenierung
Dietrich W. Hilsdorf

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Renate Schmitzer

Licht
Thomas Roscher


Beethoven Orchester Bonn


Solisten

Fiordiligi
Sumi Hwang

Dorabella
Kathrin Leidig

Despina
Susanne Blattert

Guglielmo
Giorgos Kanaris

Ferrando, Offizier
Tamás Tarjányi

Don Alfonso
Priit Volmer

Constanza, donna delle pulizie
Volker Hoeschel



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Bonn
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -