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Ghostwriter mit Komplexen Von
Thomas Molke /
Fotos von Paul Leclaire Cyrano (Veit Schäfermeier, vorne links) im Duell gegen den Vicomte Valvert (Jean-Loup Fourure, vorne rechts) Die Geschichte spielt um 1640 im spanisch-französischen Krieg, einem Nebenschauplatz des Dreißigjährigen Krieges, und handelt von dem stadtbekannten Poeten und Degenhelden Cyrano de Bergerac, der unsterblich in seine schöne Cousine Roxane verliebt ist. Aufgrund seiner großen Nase traut er sich allerdings nicht, Roxane seine Gefühle zu offenbaren. Als diese ihm gesteht, in den jungen Gascogner Kadetten Christian verliebt zu sein, und Cyrano erkennt, dass auch Christian Roxane begehrt, beschließt er, Roxane dem Rivalen zu überlassen. Christian sieht zwar optisch sehr gut aus, ist aber alles andere als ein Dichter, so dass Cyrano nicht nur so weit geht, im Namen Christians poetische Briefe an Roxane zu verfassen, sondern auch bei einem heimlichen Rendezvous im Park hinter einem Busch Christian die passenden Liebesworte souffliert. Doch auch der zum Oberst ernannte Graf de Guiche liebt die schöne Frau und beschließt, Christian und Cyrano aus dem Weg zu räumen, indem er ihr Kadetten-Corps zur Belagerung von Arras abordnet. Dort erkennt Christian, dass Roxane nicht ihn, sondern seine Briefe liebt und fordert Cyrano auf, sich Roxane als Verfasser zu offenbaren. Bevor es jedoch dazu kommt, fällt Christian im Kampf. Cyrano bringt es nicht übers Herz, der trauernden Roxane mitzuteilen, dass Christians Abschiedsbrief eigentlich von ihm stammt. Erst als er Jahre später vom Tod gezeichnet Roxane im Kloster besucht und sie bittet, ihn Christians letzten Brief lesen zu lassen, erkennt Roxane, dass Cyrano der Verfasser all ihrer Briefe ist. Doch es ist zu spät. Cyrano stirbt, und Roxane bleibt nichts übrig, als weiter zu trauern. Liebe auf den ersten Blick: Roxane (Lucy Scherer) und Christian (Fabio Diso) (im Hintergrund: Cyrano (Veit Schäfermeier, Mitte) und Montfleury (Vladimir Lortkipanidze, rechts) Thomas Winter hat in seiner Inszenierung Dialogtexte aus dem Originalschauspiel in der deutschen Übersetzung übernommen, die in der Versform stark an die Verfilmung aus dem Jahr 1990 erinnern. Auch die Kostüme von Ulv Jakobsen tragen dazu bei, dass man sich in der Produktion in eine längst vergangene Zeit der Mantel- und Degenfilme zurückversetzt fühlt. Das Bühnenbild, für das Jakobsen ebenfalls verantwortlich zeichnet, ist hingegen eher schlicht gehalten. Auf der Drehbühne befindet sich eine halbrunde Treppe, die auf der einen Seite nach oben und auf der anderen Seite wieder herabführt, wobei der mittlere Teil als Ein- bzw. Ausgang herausgenommen werden kann. So lässt sich die Bühne mit einfachen Mitteln sowohl in die Bäckerei des Zuckerbäckers Ragueneau verwandeln, wohin Roxane Cyrano im ersten Akt zum Rendezvous bittet, um ihm ihre Liebe zu Christian zu gestehen, als auch in die belagerte Stadt Arras im zweiten Akt, in der die Gascogner Kadetten dem spanischen Feind Widerstand leisten. Auf der linken Bühnenseite befindet sich ein Balkon, auf dem Roxane ihr nächtliches Treffen mit Christian hat. Die großen grünen Büsche, die ihn dieser Szene auf der Bühne aufgebaut sind, erinnern dabei an eine Art Irrgarten. Wenn Roxane sich nach Christians Tod ins Kloster zurückzieht, deuten einige Holzbögen, die aus dem Schnürboden herabgelassen werden, den neuen Ort an. Dass immer noch die Reste der belagerten Stadt auf der Bühne zu sehen sind, zeigt, wie sehr Roxane in der Erinnerung an ihren Geliebten Christian lebt. Nur das erste Bild in der Oper badet mit einem fantasievoll bemalten Hintergrund in der Opulenz einer Barockoper. Cyrano (Veit Schäfermeier, rechts) souffliert Christian (Fabio Diso, links) beim Rendezvous. Winter vertraut in seiner Inszenierung auf die Kraft des Stückes und verzichtet auf jedwede Regiemätzchen oder Modernisierungen. Die Dialoge in Versform mag man in ihrer Künstlichkeit mögen oder schwülstig finden. Jedenfalls stehen sie ganz im Sinn des Stückes. Musikalisch bietet das Werk eine breite Palette, die irgendwo zwischen Webbers Phantom of the Opera und Schönbergs Les Misérables anzusiedeln ist. Bei der ersten Szene in der Oper tritt der Chor durch den Zuschauerraum auf und bleibt auch zunächst im Parkett und auf den Rängen, um die Zuschauer als Opernpublikum in die Inszenierung mit einzubeziehen. Leider leidet unter der Verstärkung durch Headsets bisweilen die Textverständlichkeit des von Hagen Enke gut einstudierten Chores. Vladimir Lortkipanidze punktet als absolut eitler Opernsänger Montfleury in dieser Szene mit großem komödiantischen Talent einen absolut eitlen Opernsänger Montfleury ab. Wenn er in seiner Arie die Bögen zelebriert und überspitzt darstellt, wie untalentiert dieser gefeierte Opernstar ist, kann man durchaus nachvollziehen, dass Cyrano ihm Gesangsverbot erteilen möchte. Cyrano (Veit Schäfermeier) als Ghostwriter Für die Titelpartie kehrt Veit Schäfermeier ans Theater Bielefeld zurück, der hier vielen noch als Sir Percy in Wildhorns The Scarlett Pimpernel 2010 und als Joe Gillis in Webbers Sunset Boulevard in der letzten Spielzeit in guter Erinnerung sein dürfte. Auch als Cyrano ist er eine Idealbesetzung. Mit kräftiger Stimme verleiht er der Titelfigur den Zynismus und Biss, mit dem dieser seinen Feinden begegnet, und schlägt sich auch in der Fechtszene mit Jean-Loup Fourure als Vicomte Valvert beachtlich. Gleichzeitig zeigt er im Zusammenspiel mit der bezaubernden Lucy Scherer als Roxane, wie sehr er unter seiner zu großen Nase leidet, so dass dieser Komplex ihn zum Ghostwriter für den schönen Christian werden lässt. Fabio Diso wird optisch der Partie des Christian gerecht, kann stimmlich in den Höhen aber nicht immer überzeugen. Ein musikalischer Höhepunkt ist sicherlich das Duett zwischen Schäfermeier und Scherer im Garten, wenn Cyrano im Verborgenen der Dunkelheit Christians Rolle einnimmt und mit der Geliebten Liebesschwüre austauscht. Wenn dann Christian hinterher auf den Balkon klettert, um die Geliebte zu küssen, geht Schäfermeiers Ausdruck der Traurigkeit unter die Haut. Auch die Szene, in der er nach Christians Tod mit sich kämpft, Roxane sein Geheimnis zu offenbaren, gehört zu den bewegenden Momenten des Abends. Alexander Franzen hat die Partie des intriganten Grafen de Guiche bereits bei der deutschen Erstaufführung des Musicals 1999 bei den Freilichtspielen Schwäbisch Hall übernommen und stattet den fiesen Grafen, dem jedes Mittel recht ist, um sich seiner Nebenbuhler zu entledigen, mit großem darstellerischen Ausdruck aus. William Ward Murta wird am Pult des Musicalorchesters, das nach Cyrano de Bergerac "Hector Savinien" benannt ist, seinem Ruf als Bielefelds Musical-Ikone mehr als gerecht, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt. FAZIT Musical-Fans sollten sich diese Rarität in Bielefeld nicht
entgehen lassen, und auch Anhänger von klassischen Theater-Inszenierungen
dürften bei dieser Produktion auf ihre Kosten kommen. |
Produktionsteam Musikalische Leitung Inszenierung Bühne und Kostüme Fechtchoreographie Tanzchoreographie Choreinstudierung Licht Dramaturgie
Bielefelder Opernchor Musicalorchester "Hector Savinien"
Solisten*Premierenbesetzung Cyrano de Bergerac Roxane, seine Cousine General de Guiche Ragueneau, ein Zuckerbäcker Vicomte Valvert Montfleury, ein Opernsänger Chaperonne, Roxanes Anstandsdame Kapitän Carbon de Castel-Jaloux 1. Kadett 2. Kadett / Page
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