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Musiktheater
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A Little Night Music
(Das Lächeln einer Sommernacht)

Musical in zwei Akten
Buch von Hugh Wheeler nach einem Film von Ingmar Bergman, deutsche Fassung von Eckart Hachfeld
Musik und Songtexte von Stephen Sondheim


In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 21. Mai 2016


 

Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Schwedische Schwermut mit Augenzwinkern

 Von Thomas Molke / Fotos von Bettina Stöß

Stephen Sondheim gilt seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ein wenig als ein "enfant terrible" der amerikanischen Musicalszene, weil nahezu jedes seiner Werke eingängige, melodiöse und temporeiche Elemente des Genres mit den Ansprüchen des Sprechtheaters verbindet und dabei für jedes Stück eine ganz eigene Sprache findet, wodurch eine eindeutige Zuordnung seines Gesamtwerkes zu einer bestimmten Stilrichtung unmöglich gemacht wird. In Deutschland ist Sondheim, der seine Karriere als Textdichter unter anderem für Bernsteins West Side Story begann, vor allem durch die Verfilmungen von seinem ersten großen Erfolg A Funny Thing Happened on the Way to the Forum mit Zero Mostel als Sklave Pseudolus, Sweeney Todd mit Johnny Depp in der Titelpartie und Into the Woods mit Meryl Streep als Hexe und Johnny Depp als Wolf bekannt. Das Theater Bielefeld, das sich seit einigen Jahren mit Musical-Produktionen fernab des Mainstream einen Namen gemacht hat, hat nun nach Company vor vier Jahren erneut ein Werk Sondheims auf den Spielplan gestellt, das nicht nur mit 11 Tony Awards ausgezeichnet wurde, sondern auch 1977 mit Elisabeth Taylor verfilmt wurde: A Little Night Music. Um eine Verwechslung mit Mozarts berühmter Komposition auszuschließen, lief der Film - und auch das Musical - in Deutschland unter dem Titel Das Lächeln einer Sommernacht.

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Die fünf Liebeslieders beim Prolog: von links: Mrs. Segstrom (Patrizia Margagliotta), Mrs. Nordstrom (Katharina Schutza), Mr. Lindquist (Frank Bahrenberg), Mrs. Anderssen (Angelina Arnold) und Mr. Erlanson (Carlos H. Rivas)

Grundlage ist nämlich Ingmar Bergmans schwedischer Kinofilm Sommarnattens leende aus dem Jahr 1955, der international ein riesiger Erfolg wurde und zum Maßstab des filmischen Kammerspiels avancierte. Erzählt wird die Geschichte von mehreren Paaren und deren Finden und Trennen auf dem Anwesen der Madame Armfeldt während der schwedischen Mittsommernacht. Fredrik Egerman ist seit elf Monaten in zweiter Ehe mit der wesentlich jüngeren Anne verheiratet, die aufgrund einer inneren Nervosität die Ehe mit ihm körperlich noch nicht vollzogen hat. Sein Sohn Henrik, der ungefähr im gleichen Alter wie Anne ist, himmelt seine Stiefmutter an und flüchtet sich in ein Studium der Theologie. Fredriks ehemalige Geliebte Desiree Armfeldt tingelt mittlerweile mit einer Schauspieltruppe durchs Land und gibt ein Gastspiel in Fredriks Heimatstadt. In einer Vorstellung sieht Fredrik seine ehemalige Geliebte wieder und landet anschließend in ihrer Garderobe. Doch Desiree ist mittlerweile mit dem ebenfalls verheirateten Grafen Carl-Magnus Malcolm liiert, dessen Frau Charlotte wahnsinnig eifersüchtig auf Desiree ist. Um Fredrik zurückzugewinnen und Carl-Magnus loszuwerden, bittet sie ihre Mutter Madame Armfeldt, beide Familien zur schwedischen Mittsommernacht auf ihr Anwesen einzuladen. Alle kommen mit unterschiedlichen Intentionen. Während des gemeinsamen Abendessens entladen sich unter reichlichem Alkoholgenuss die Spannungen. Henrik versucht, sich das Leben zu nehmen, und wird in letzter Sekunde von Anne gerettet. Die beiden gestehen sich ihre Liebe und laufen davon. Charlotte flirtet mit Fredrik, um ihren Gatten eifersüchtig zu machen, woraufhin dieser den vermeintlichen Nebenbuhler zum Duell fordert. Beim Kampf wird Fredrik allerdings nur leicht verletzt. Carl-Magnus und Charlotte beschließen einen Neuanfang, und auch Desiree und Fredrik, der vermutet, der Vater von Desirees Tochter Fredrika zu sein, wollen es noch einmal miteinander versuchen. Madame Armfeldt erklärt ihrer Enkelin Fredrika, dass die Sommernacht nun zweimal gelächelt habe, einmal über die jungen Leute (Anne und Henrik), die noch gar nichts wissen, und ein zweites Mal über die Narren (Fredrik, Desiree, Carl-Magnus und Charlotte), die zu wenig wissen. Dann prophezeit sie ihr, dass die Sommernacht vor Anbruch des Tages noch ein drittes Mal lächeln werde, dieses Mal über die Alten, die zu viel wissen, und bricht leblos, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, zusammen.

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Fredrik Egerman (Alexander Franzen, links), Anne Egerman (Johanna Spantzel, 2. von links), Petra (Navina Heyne), Carl-Magnus Malcolm (Tobias Licht, rechts) und seine Frau Charlotte (Katharina Solzbacher, rechts) freuen sich auf das Wochenende auf dem Lande bei Desiree Armfeldt (Melanie Kreuter, Mitte links) und Fredrika (Julia Meier, Mitte rechts).

Kay Link inszeniert die Geschichte absolut temporeich mit schnellen Szenenwechseln und arbeitet auch die komische Seite, die unter der scheinbaren Schwermut des Stückes vor allem in den Dialogen liegt, mit einer geschickten Personenregie heraus. So bezeichnet er das Quintett, das in der Art eines griechischen Chors die Geschichte kommentiert, als "Liebeslieders" und lässt sie als Seniorengruppe mit Rollatoren im Prolog in der Erinnerung von alten Zeiten träumen. Die Frage "Remember?", die bereits in der Eröffnungsnummer aufkommt, beinhaltet zwar eine gewisse Melancholie, die durch das komische Spiel der fünf Solisten allerdings immer wieder gebrochen wird. Madame Armfeldt hebt sich von diesem Chor nicht nur durch ihre vornehmere Kleidung, sondern auch durch den modernen Ledersessel ab, in dem sie von ihrer Enkelin über die Bühne geschoben wird. Cornelia Brey ermöglicht mit Bühnenelementen, die aus dem Schnürboden herabgelassen werden, im ersten Akt einen schnellen Wechsel zwischen den Wohnungen der Figuren, der Bühne, auf der Desiree auftritt, und ihrer Garderobe, in der es zum Wiedersehen mit Fredrik kommt, und arbeitet mit kleinen Details die unterschiedlichen Welten der Charaktere heraus. So hängen an der Wand im Wohnzimmer der Malcolms abstrakte Kunstfiguren, die die Kälte aufgreifen, die zwischen den Eheleuten herrscht, während bei Madame Armfeldt Renaissancebilder mit nackten Liebenden zu sehen sind, die eine ganz andere Grundeinstellung erkennen lassen. Henriks Zimmer deutet mit brauner Holztapete an, dass er noch nicht genau weiß, wo ihn sein Weg eigentlich hinführen soll. Hinter der ganzen Szene sieht man ein kreisrundes Loch, das wohl auf die nicht untergehende Sonne in der Mittsommernacht anspielen soll.

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Angespannte Stimmung beim Abendessen: am Tisch von links: Henrik (Tom Schimon), Anne (Johanna Spantzel), Fredrik (Alexander Franzen), Desiree (Melanie Kreuter), Madame Armfeldt (Monika Mayer), Carl-Magnus (Tobias Licht), Charlotte (Katharina Solzbacher) und Fredrika (Julia Meier), dahinter: Frid (Marius Bechen) und Petra (Navina Heyne)

Wenn sich dann die Paare kurz vor der Pause zum "Weekend auf dem Lande" aufmachen, wird ein kitschiges Werbeplakat herabgefahren, das mit einem glücklichen Paar, einer fröhlich wirkenden Kuh und riesigen Blumen ein pittoreskes Erlebnis auf dem Land verspricht, was durch das Quintett noch unterstützt wird, da die fünf Solisten nun in Schafskostümen auftreten und zur Musik fröhlich das Tanzbein schwingen. Auch die Pappautos, mit denen sich die beiden Paare auf den Weg machen, charakterisieren sie absolut treffend. Im zweiten Akt dominiert ein grünes Gartenlabyrinth die Bühne, in dem sich die einzelnen Figuren verlieren. Hier kommt vor allem die Drehbühne zum Einsatz, um den Szenenwechsel zu ermöglichen. In diesem Garten ist ein Pavillon mit einer riesigen Tafel aufgebaut. Während sich an dieser Tafel zunächst die Spannungen zwischen den einzelnen Figuren entladen, findet in dem Pavillon das Duell hinter geschlossenen weißen Vorhängen statt. Henrik versucht, sich in einem kleinen Schwimmbecken zu ertränken, wobei die leicht beschwipste Anne auf der Suche nach ihm zunächst auf seinem Rücken Platz nimmt, bevor sie ihn im Wasser entdeckt und vor dem Selbstmord bewahrt. Etwas ernster und melancholischer gelingt dann die berühmte Musiknummer "Send in the Clowns", die im Gegensatz zu den restlichen Liedern auf Englisch belassen wird. Desiree hofft, dass es für Fredrik und sie noch einmal eine gemeinsame Zukunft geben kann. Doch Fredrik lehnt zunächst ab. Erst als er sieht, dass seine Frau mit seinem Sohn durchbrennt, scheint er zu einem Neuanfang bereit zu sein. Die Ernsthaftigkeit lässt sich dabei aber genauso in Frage stellen wie Carl-Magnus' Treueschwüre gegenüber seiner Frau Charlotte.

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Melancholie in der Mittsommernacht: Desiree (Melanie Kreuter) mit "Send in the Clowns"

An einigen Stellen fragt man sich, ob Links Humor in der Szene nicht bereits in Klamauk abdriftet, der so eigentlich nicht ins Stück gehört. So ist beispielsweise fraglich, ob Fredrik für das Schäferstündchen in Desirees Garderobe wirklich ein pinkfarbenes Hasenkostüm anlegen und sie ihn dann mit einer riesigen Mohrrübe "zähmen" muss. Auch Carl-Magnus' ständiges Bestreben, die Hosen herunterzulassen, wird vielleicht ein bisschen übertrieben. Diskutabel ist auch, ob der verklemmte Henrik im ersten Akt bei dem Dienstmädchen Petra nicht bereits ein bisschen zu weit geht. Auch dem Ende nimmt Link die leise Melancholie, indem er Madame Armfeldt nicht wirklich sterben lässt. Sie täuscht ihren Tod nur vor, um ihrer Enkelin einen Schrecken einzujagen. Das Ensemble setzt jedenfalls Links Einfälle überzeugend um. Monika Mayer, die fast vier Jahrzehnte zum Bielefelder Ensemble gehörte, stellt eine Idealbesetzung für die weise Madame Armfeldt dar und bringt mit leichtem Zynismus ihre ganze Lebenserfahrung in diese Partie mit ein. Melanie Kreuter gelingt es, als Desiree sowohl die melancholischen als auch die komischen Momente glaubhaft herauszuarbeiten. Alexander Franzen, in Bielefeld in den Musical-Produktionen ein gern gesehener Gast, begeistert auch als Fredrik Egerman mit großartiger Komik. Tom Schimon spielt die Leiden des jungen Henrik großartig aus und begleitet sich im Song "Later" selbst auf dem Cello. Johanna Spantzel macht als naive und leicht überdrehte Anne deutlich, dass sie viel zu jung für ihren Ehemann ist. Tobias Licht übertreibt zwar vielleicht als Carl-Magnus mit seinem machohaften Gehabe ein wenig, macht dabei aber dennoch eine sehr gute Figur. Katharina Solzbacher verleiht der Gräfin Charlotte die Ironie, die sie braucht, um mit solch einem Mann leben zu können. Auch Navina Heyne, Marius Bechen und Julia Meier überzeugen als Dienstmädchen Petra, Butler Frid und Fredrika Armfeldt. William Ward Murta führt die Bielefelder Philharmoniker mit leichter Hand durch die Partitur, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Das Theater Bielefeld unternimmt einen weiteren gelungenen Versuch, den auf deutschen Bühnen immer noch etwas vernachlässigten Stephen Sondheim mehr im Repertoire zu etablieren.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
William Ward Murta   

Inszenierung
Kay Link   

Bühnenbild und Kostüme
Cornelia Brey

Choreographie
Amy Share-Kissiov

Licht
Johann Kaiser

Dramaturgie
Daniel Westen

 

Bielefelder Philharmoniker

Statisterie des Theaters Bielefeld


Solisten

Madame Armfeldt
Monika Mayer

Desiree Armfeldt
Melanie Kreuter

Fredrika Armfeldt
Julia Meier

Fredrik Egerman
Alexander Franzen

Anne Egerman
Johanna Spantzel

Henrik Egerman
Tom Schimon

Graf Carl-Magnus Malcolm
Tobias Licht

Gräfin Charlotte Malcolm
Katharina Solzbacher

Petra
Navina Heyne

Frid
Marius Bechen

Quintett / Liebeslieders
Mr. Lindquist
Frank Bahrenberg

Mr. Erlanson
Carlos H. Rivas

Mrs. Nordstrom
Katharina Schutza

Mrs. Anderssen
Angelina Arnold

Mrs. Segstrom
Patrizia Margagliotta

 

Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Bielefeld
(Homepage)




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