Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Le nozze di Figaro (Figaros Hochzeit)

Commedia per musica in vier Akten
&xnbsp; Text von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang A. Mozart


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Veranstaltungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere an der Staatsoper Unter den Linden im Schillertheater am 7. November 2015


Homepage

Staatsoper Berlin
(Homepage)
Ciao Cherubino, ciao

Von Roberto Becker / Fotos von Hermann und Clärchen Baus ©HCB

Staatsopernintendant Jürgen Flimm hält viel von Mozarts Le nozze di Figaro. Das hat er im Vorfeld der jüngsten Berliner Staatsopern-Premiere gesagt. Außerdem hat er diese DaPonte Oper selbst schon zweimal inszeniert. Und seine Zuneigung zum Stück merkt man seinem neuerlichen Versuch durchaus an.

Bei Flimm ist der Figaro ein Wohlfühlstück vom Feinsten. Wo man bei jeder Gelegenheit lachen kann. Hier hat es jeder faustdick hinter den Ohren. Hier werden die Gags einer flotten Komödie allesamt genüsslich ausgebreitet und jeder darf seine komische Seite ausspielen. Zusammen mit Magdalena Gut (Bühne) und Ursula Kudrna (Kostüme) verlegt die Regie den tollen Tag, den Da Ponte und Mozart nach Beaumarchais' Vorlage entfesseln, in die Sommerfrische in einem imaginären Seebad am Meer. Mit dieser „Im Prinzip ja, aber“-Haltung geht es auch in eine andere Zeit. Dem ausgestellten Schick der Kostümen nach zu urteilen, deutet alles auf die 1920er-Jahre. Das Gepäck der Ausflugsgesellschaft ist nobel - allesamt kommen zu den Klängen der Ouvertüre bepackt mit ihren edlen Koffern und Hutschachteln über den Laufsteg vor dem Orchestergraben. Das Sommerhaus, das sie beziehen, ist großzügig. Die leicht verwitterten Lammellenwände halten die Sommersonne ab. Es kommt gerade immer so viel Licht durch, dass es für eine anheimelnde Atmosphäre langt. Die Bezüge über den Möbeln sind schnell weggeräumt und schon kann Figaro damit beginnen, das Bett aufzubauen, und die Dinge nehmen den bekannten Lauf.

Vergrößerung in
neuem Fenster

Susanna, der Graf und der Liegestuhl

Figaro denkt, er hat eine passable Stellung und bekommt die passende Frau dazu. Susanna weiß, dass hinter der großzügigen Zimmerzuweisung für sie und ihren Bräutigam das Kalkül des Grafen steckt, nun doch bei ihr zu landen. Cherubino, der, wie man mit anzüglichem Augenzwinkern hört, alles was er macht, gut macht, ist allemal in Sachen Frauen auf Dauerempfang bzw. -Sendung geschaltet. Zumal sein Beuteschema bei der blutjungen Barbarina beginnt, natürlich auf die flotte Susanna und die gar nicht so abgeneigte Gräfin gerichtet ist, und selbst vor Marzellina nicht halt macht. Die ist hier allerdings als reife, aber hochattraktive Frau immer noch sozusagen im Rennen. Am Ende macht er sie alle kirre, kann aber bei keiner landen, ja kriegt nicht mal Barberina ab, denn die bleibt im Sommerhaus beim Papa, wenn die gräfliche Gesellschaft nach einem tollen Tag im Strandhaus und einer turbulenten Nacht in den Dünen wieder abreist. Armer Cherubino - vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr.

Vergrößerung in
neuem Fenster

Hier kommt der Graf ins Stolpern

Doch um den erhellenden Brückenschlag über die Beziehungen in den verschiedenen Phasen des Lebens geht es Jürgen Flimm gar nicht. Das kommt natürlich vor - mit einem kleinen, altersweisen Sympathiebonus des Regisseurs für das älteste Paar, das hier eher den Typus der aktiven Senioren verkörpert, die machen, worauf sie Lust haben und es auch noch können. Die beiden blutjungen geben einfach den Anziehungskräften und der lauen Sommeratmosphäre nach, während Susanna einen kleinen Treuetest mit ihrem Figaro veranstaltet. Rosina hat in ihren Ehejahren offenbar jede Hoffnung aufgegeben, ihren Grafen zur Räson zu bringen. Sie sagt sich: dann soll er sich halt lächerlich machen und drückt auch mal den Pagen an die frustrierte Ehebrust.

Vergrößerung in
neuem Fenster

Figaro weiß noch nicht, was ihn erwartet

So ungefähr läuft’s bei diesem Ausflug. Der Abend entwickelt sich so, als wollte uns der Regisseur sagen: Kinder, nehmt das Leben und die Oper nur nicht so toternst, sondern freut euch, dass es auch mal was zu lachen gibt! Sicher droht auch hier Figaro seinem Chef das berühmte metaphorische Tänzchen an. Doch der Schwerenöter tänzelt dann halt wirklich vor sich hin. Und man hat den Eindruck, dass nicht wirklich was passiert wäre, wenn er bei seinem Überraschungsbesuch im Zimmer seiner Gattin wirklich Cherubino hinter der verschlossenen Tür erwischt hätte. Und nicht die geistesgegenwärtige Susanna. Bei Flimm ist das alle Komödie. Schranktür auf, Koffertür zu. Rein in den Liegestuhl, raus aus dem Strandkorb. Vor allem Almaviva muss da einiges an Komiker-Fitness für den Dauer-Slapstick aufbieten.

Als Garten dienen die nächtlichen Dünen, die sich in den Raum hineinschieben. Von Wolken eingehüllt und vom Licht eines Leuchtturms durchpulst. Was in dem Falle tatsächlich besser als der Mond zum Hin und Her auf der Bühne passt. Doch das Daueramüsement ist auch anstrengend und hat durchaus auch ein paar gefühlte Längen bis es auf Touren kommt.

Vergrößerung in
neuem Fenster

Nachts in den Dünen

An der Besetzung gibt’s vokal nichts auszusetzen. Das hatte Staatsopernniveau. Hinreißend etwa die französische Mezzosopranistin Marianne Crebassa als flotter androgyner Cherubino oder die federleichte Sónia Grané als Barbarina. Dass Susanna die treibende Kraft der Intrigen ist, die die Beziehungsgeflechte etwas besser machen sollen, funktioniert, weil Anna Prohaska als Susanna ein rotschopfiger, temperamentvoller Glücksfall ist und ihr etwas brav wirkender Figaro ohne Protzerei sicher bei Lauri Vasar aufgehoben ist. Das Ildebrando D'Arcangelo als Almaviva als zentrale Komödienfigur ins Zentrum rückt, gelingt ohne Schaden für die Balance, weil er stimmliche Noblesse und Kraft beisteuert. Dass mit Dorothea Röschmann eine der besten Gräfinnen weit und breit zur Verfügung steht, rundet dieses Paar ab. Dass auch Marzellina und ihr Bartolo noch im Spiel um die Liebe sind, ist dank Katherina Kammerloher und Otto Katzameier mehr als nur eine Behauptung.

Weil auch die kleinen Rollen wahrnehmbar ausformuliert sind, macht es schon Spaß, diesem Ensemble zuzusehen und zuzuhören. Ohne jede Gefahr, sich in irgendeinem Deutungsabgrund zu verlieren oder sich einem assoziierten Hintersinn stellen zu müssen. Das alles ist natürlich trotzdem da, aber Flimm lässt es diesmal links liegen. Auf die Abgründe und den Hintersinn von Mozarts Musik freilich ist auch der Venezolaner Gustavo Dudamel am Pult der Staatskapelle nicht aus. Er ist mit dabei bei der Komödie, begleitet mehr, als er gestaltet, durchaus souverän, aber nicht wirklich aufregend.

FAZIT

Bei dem neuen Figaro setzt Jürgen Flimm voll auf die Komödie. Das Sängerensemble ist vorzüglich - und Gustavo Dudamel ein solider Gast am Pult der Staatskapelle.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gustavo Dudamel

Inszenierung
Jürgen Flimm

Mitarbeit Regie
Gudrun Hartmann

Bühne
Magdalena Gut

Kostüme
Ursula Kudrna

Choreographie
Catharina Lühr

Licht
Olaf Freese

Chor
Frank Flade

Dramaturgie
Detlef Giese


Staatsopernchor Berlin

Staatskapelle Berlin


Solisten

Graf Almaviva
Ildebrando D’Arcangelo

Gräfin Almaviva
Dorothea Röschmann

Susanna
Anna Prohaska

Figaro
Lauri Vasar

Cherubino
Marianne Crebassa

Marcellina
Katharina Kammerloher

Basilio
Florian Hoffmann

Don Curzio
Peter Maus

Bartolo
Otto Katzameier

Antonio
Olaf Bär

Barbarina
Sónia Grané



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Unter den Linden Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -