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Berlin bei Nacht
Von Joachim Lange / Fotos von robert-recker.de
Mischa Spoliansky (1898-1985) ist ein Phänomen der Sorte "Ach, das ist von dem?". Was natürlich, wie so oft, an dem Kulturbruch liegt, der ab 1933 für zwölf Jahre eine verordnete Amnesie mit sich brachte, die alles, was irgendwie jüdisch war, traf. "Heute Nacht oder nie", die jüngste Revue der Komischen Oper, ist jetzt Spolianskys gewidmet. An sozusagen authentischem Ort. Dieses Haus war vor dem Krieg jenes Metropoltheater, in dem die Berliner Operette und die Revue triumphierten. Was bekanntlich immer mehr zu einem Tanz auf dem Vulkan wurde. Der als jüdischer Russe in Bia?ystok geborene Spoliansky war in Berlin so erfolgreich, dass er auch im britischen Exil weiterarbeiten konnte.
Es gehört zum Erfolgsrezept des Intendanten Barrie Kosky, an diese Tradition der 1920er-und ganz frühen 1930er-Jahre anzuknüpfen. Der Australier hat die Komische Oper zwar keineswegs zum Operettentheater gemacht. Aber er hat seinen Spielplan mit einer Facette aufgemöbelt, die ohne verklemmte Zurückhaltung in die Vollen geht, Spaß macht und eine Ahnung davon aufdämmern lässt, was Berlin einmal war, bevor es zur Zentrale eines Tausendjährigen Reiches wurde. "Die Lesbe", "Der Bonze" und "Die Hure"
Mischa Spoliansky war ein musikalischer Sonnyboy der Goldenen Zwanziger. Sein Hits "Heute Nacht oder nie", das Jan Kiepura populär machte, hat es ins kollektive Gedächtnis geschafft, auch wenn der Autor bei weitem nicht mehr so bekannt ist wie etwa sein Kollege und Förderer Friedrich Hollaender. Am Ende des gerade mal 80 Minuten kurzen Feuerwerks mit dem Orchester auf der Vorderbühne und dem halben Dutzend Interpreten zwischendrin, gibt es dann diesen Evergreen als Höhepunkt und Abschluss einer Best-of-Revue mit über zwanzig Spoliansky-Hits. "Der Beamte" (links) und das Ensemble
Kai Tietje hat sie nicht nur (zusammen-)passend arrangiert, er singt sogar mal mit und hält im Nadelstreifen vom Klavier aus den Laden musikalisch zusammen, den der musicalversierte Regisseur Stefan Huber sparsam, aber effektvoll arrangiert hat. Von Inszenierung zu reden wäre an diesem Abend etwas hochgegriffen - aber wenn die Geschwister Pfister und der bei Robert Wilsons durchmusikalisierten Stücken am Berliner Ensemble längst auch zum Sänger avancierte Schauspieler Stefan Kurt mit von der Partie sind, und als Die Hure (Andreja Schneider), Die Lesbe (Christoph Marti), Der Bonze (Tobias Bonn) und Der Beamte (Stefan Kurt), den Ensemblemitgliedern der Komischen Oper Mikro Wagner (Das Fräulein), Christoph Späth (Der Taxichauffeur) und Johannes Dunz (Der Provinzler) zu Seite stehen und das Quartett von tanzenden Girls (die bei Bedarf auch die Boys sind) schmissig dazwischen tanzen und singen, braucht es im Grunde nicht viel mehr, als jeden für sich von der Leine zu lassen. "Die Lesbe"
Wobei man freilich auch da, wo es die Titel (wie beim "Nuttenlied" aus Alles Schwindel von 1931, oder "Einmal möcht ich keine Sorgen haben" aus dem gleichnamigen Tonfilm von 1932) eine erkennbare gesellschaftliche Reichweite haben, bei der Nummernrevue bleibt. Wie man Abgründe evoziert, das freilich führt Marti als rauchig verruchte Diseuse mit rotbestrumpfter Beinarbeit a la Marlene vor. Ansonsten bleibt es mit dem Tango auf der Avus, einem Ausflug nach Spandau oder dem Leben ohne Liebe bei der Verabredung zu einer Berliner Nacht, die aus den Goldenen Zwanzigern vor allem das Gold schimmern lässt.
An der Komischen Oper tragen die Geschwister Pfister die Mischa Spoliansky-Revue mit. Ein vergnüglicher Ausflug ins Berliner Nachtleben. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Kostüme
Licht
Choreographie
Dramaturgie
Solisten
Die Lesbe
Der Bonze
Die Hure
Der Beamte
Das Fräulein
Der Taxichauffeur
Der Provinzler
Der KIavierspieler
Die Girls und "Boys"
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