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Musiktheater
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Le Nozze di Figaro

Opera buffa in vier Akten
Dichtung von Lorenzo Da Ponte nach der Komödie von Beaumarchais
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Theater am Domhof am 11. Oktober 2014

 

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Theater Osnabrück
(Homepage)

Die Liebe kennt keine Standes- und Klassenschranken          

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg

Wie modern und wirklichkeitsnah Mozarts Figaro nach wie vor sein kann, zeigt die jüngste Inszenierung von Regisseur Peter Lund, mit der das Theater Osnabrück die Musiktheatersaison der Spielzeit 2014/15 eröffnet. Lund zeigt den Figaro als schwarzhumoriges, manchmal grotesk überzeichnetes, zeitlos komplexes  Intrigenlustspiel. Nicht die Liebe, die Gleichberechtigung an sich ist das Problem der nur scheinbar aufgeklärten Gesellschaft, sondern ihr Ideal, das sich über das konkrete Leben mit Herkunfts-, Standes- und Kastendenken hinwegsetzt. Mit viel Witz, fantasievollem Kostümrausch und Liebe zum Detail präsentiert Lund die verschiedenen, widersprüchlich sich verhaltenden Charaktere. Dazu singt und schauspielert unter der Leitung von Andreas Hotz ein fantastisch besetztes und aufgelegtes Solisten- und kleines Orchesterensemble, das transparent, dynamisch und tempodifferenziert Mozarts Zwischentöne beleuchtet.

Als Mensch wird man in ein soziales Umfeld geboren und eine Person von Stand definiert sich im 18. Jahrhundert in der Öffentlichkeit vor allem über die kostbare Kleidung. In diesem Sinne betritt  zu den Klängen der Ouvertüre ein geflügelter Amor bzw. ein mit einem Schwert bewaffneter Cherub die Bühne und treibt die in einheitlich schlichte Unterwäsche gewandeten Ensemblemitglieder auf die Bühne. Sie bibbern vor Kälte, blicken verunsichert und ängstlich ins Publikum und müssen warten. Verärgerung macht sich breit. Man beginnt sich konspirativ zu verbünden, doch als aus dem Theaterhimmel die Kleiderstange herabsinkt, ist’s vorbei mit der Harmonie. Noch reicht die Autorität des Grafen aus, um alle in die Schranken zu weisen, aber unter der Oberfläche brodelt es.

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Der Graf inspiziert das Ankleidezimmer, während Susanna die Gräfin ins Bild setzt.

Spiegel dieser Gesellschaft im Umbruch ist das Bühnenbild Ulrike Reinhards. Kehrseite einer riesigen, weißen, klassizistischen Schrankwand mit 3 Türen ist ein einfach ausgestatteter, wie eine Probebühne wirkender, unfertiger Raum. Hier nimmt in der ersten Szene Figaro Maß, während seine Verlobte Susanna an ihrer unfrisierten Hochzeitsperücke herumzupft und vergeblich Figaros Aufmerksamkeit fordert. Hierhin zieht sich der Graf zu Beginn des dritten Aktes mit einer Flasche Wein zurück, um im Selbstgespräch die konfuse Lage zu erörtern, während die Gräfin zu Beginn des zweiten Aktes vor der Schrankwand präsentiert wird. Wenn dann Lina Liu anrührend mit schlanker, tragender Stimme in großen Melodiebögen aus Schmerz über die enttäuschte Liebe den Tod herbeisehnt, scheint die Illusion der unterdrückten Empfindsamkeit perfekt – wäre da nicht der riesige, nur mit Leiter zu erklimmende Matratzenturm, auf dem sie ihre Kavatine singt. Lund behält fast immer einen einfühlsamen, humorvoll distanzierten Grundton bei, kommentiert den scheinbar tugendhaften Charakter der Gräfin, denn auch sie wird im Verlaufe des zweiten Aktes den Verführungskünsten und schmachtenden Blicken Cherubinos nicht widerstehen wollen. Anders verhält es sich mit der jungen Barbarina. Sie geht den großzügigen Versprechungen und Verlockungen des Grafen auf den Leim und bevor Leslie Visco in „L’ho perduta me meschine“ ihr Leid klagt, wird ihr Schicksal der Betrogenen angedeutet, während die Kavatine zunächst instrumental vom Hammerklavier erklingt.

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Figaro stürmt in das Zimmer der Gräfin.

Oft vernachlässigte Charaktere der Opera buffa werden aufgewertet. Marcellina erscheint zunächst als attraktive Frau mit Hüft- und Hintern betontem, schwarz seiden schillernden Kostüm, die - von Susanna auferlegt - ihre lockige Haarpracht unter einer schwarzen Mütze verstecken muss. Nachdem Bartolo und sie rehabilitiert sind, entfaltet sie – von Susann Vent-Wunderlich virtuos interpretiert – in der Arie des vierten Aktes ihre Haarpracht  und eine geschlechtsspezifische „Gesellschaftsanalyse“, deren Naivität mit witzigen Nebelfantasien unterstrichen wird. Auch Basilio, von Mark Hamman brillant interpretiert als ein auf der Bühne tänzelnder, die Kleidung zurecht zupfender, modebewusst- und selbstverliebter Intrigant, darf im vierten Akt seine Lebensphilosophie erläutern. Und wenn Almerija Delic als niemals erwachsen werdender Peter Pan den pubertären Draufgänger Cherubino vor Augen führt, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Mit schwitzigen Fingern, ängstlichen und verliebten Blicken sprudelt sie vor Liebeshormonen, vermag schließlich nur noch auf allen Vieren zu den Frauenbeinen zu hecheln. Passend dazu die musikalische Interpretation von Andreas Hotz, der in Cherubinos Arietta im zweiten Akt vor allem den musikalischen Humor in den Holzbläsern herausstreicht.

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Susanna lockt den Grafen zum nächtlichen Stelldichein.

Hotz und ein kleines Osnabrücker Sinfonieorchester betonen mit ihrer dynamisch und tempodifferenzierten, lebendigen, an historischer Interpretation ausgerichteten  Darbietung den leichten Buffocharakter des Werkes.  Hinzu kommt ein Solistenensemble, das schnelle Tempi, kontrastreiche Arien und transparente Ensembleszenen umzusetzen weiß. Daniel Moon interpretiert den Grafen als zurückhaltenden, musikalisch mit Grazie und Lebendigkeit ausgestatteten Wohltäter, der sich in seiner Rachearie an der Kampfansage berauscht. Shady Torbeys ist ein stürmischer Figaro mit wohlklingendem, tiefgründigen Bassbariton. Seine Interpretations- und Charakterisierungskunst kommt am Premierenabend vor allem in der langen Arie des vierten Aktes zur Geltung. Erika Simons – seit der Spielzeit 2014/15 neu im Ensemble Osnabrück - ergänzt das stimmige Solistenteam als junge, spritzige Susanna.

FAZIT

Diese Inszenierung macht Lust auf Mozarts realistisch-menschliches Intrigenlustspiel. Bühnenbild, Kostüme, musikalische und szenische Interpretation vereinen sich zu einem unterhaltsamen Gesamtkunstwerk mit Biss. Temporeich, mit viel Witz und Liebe zum Detail werden die Charaktere vor Augen geführt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Hotz

Inszenierung
Peter Lund

Bühne
Ulrike Reinhard

Kostüme

Daria Kornysheva

Choreinstudierung
Markus Lafleur

Dramaturgie
Ulrike Schumann

 

Chor des Theater Osnabrück

Osnabrücker Sinfonieorchester

Hammerflügel
Elias Corrinth /
Fabian Liesenfeld /
*Mino Marani


Solisten

*rezensierte Aufführung

Graf Almaviva
Sunkon Kim /
*Daniel Moon

Gräfin Almaviva
*Lina Liu /
Susann Vent-Wunderlich

Susanna
Erika Simons

Figaro
Shadi Torbey

Cherubino
Almerija Delic

Marcellina
*Susann Vent-Wunderlich /
Leslie Visco

Bartolo
José Gallisa

Basilio
Mark Hamman

Don Curzio
César del Rio

Barbarina
Pia Salome Bohnert /
*Leslie Visco

Antonio
Genadijus Bergorulko

Ein Cherub
*Aniele Kalthöver /
Jette Mannek




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Osnabrück
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