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Musiktheater
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Germanicus

Barockes Pasticcio in zwei Teilen
Text von Christine Dorothea Lachs und Giulio Cesare Corradi
Musik von Georg Philipp Telemann

in deutscher und italienischer Sprache mit deutschen Seitentiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Premiere im Theater am Domhof am 20. Juni 2015

 

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Theater Osnabrück
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Germanicus          

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg

Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, sich dem berühmten römischen Feldherrn Germanicus historisch zu nähern und zugleich seine barocke Aufbereitung im Musiktheater kennen zu lernen. Nur ca. 20 km vom Theater Osnabrück entfernt, im schönen Osnabrücker Land, liegt Kalkriese, wo die legendäre Varusschlacht, die militärische Tragödie der Römer, stattfand. 6 Jahre später wird Germanicus an den Rhein geschickt, um Rache zu üben. Während 2015 im Museum Kalkriese, in der Sonderausstellung Ich Germanicus! Feldherr Priester Superstar, der biographische, politische und militärische Werdegang des Adoptivsohns Neros beleuchtet wird, zeigt das Theater Osnabrück als letzte Operninszenierung der Spielzeit 2014/15 ein bisher unbekanntes, frühes Pasticcio von Telemann: Germanicus.

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Agrippina (Erika Simons) in Erwartung einer zauberhaften Liebesnacht

Auch der Osnabrücker Inszenierung gingen umfangreiche Forschungen voraus. Den Grundstein legte der Musikwissenschaftler Michael Maul, der im Rahmen seiner Doktorarbeit eine Ariensammlung entdeckte, die er einem Libretto der 1704 in Leipzig uraufgeführten Telemann-Oper  zuordnen konnte. Weitere Detektivarbeit folgte. Als Vorlage scheint Telemann die italienische Oper Germanico sul Reno von Giovanni Legrenzi benutzt zu haben, die die Schriftstellerin Christine Dorothea Lachs, Tochter des Leipziger Operngründers Nikolaus Adam Strungk für ihn ins Deutsche übertrug. Arien aus Flavius Bertaridus, Der misslungene Brauwechsel oder Riccardo I., Der neumodische Liebhaber Damon oder Die Satyrn von Arkadien und Miriways von Telemann kamen hinzu. Die Rezitative der Osnabrücker Neuinszenierung übernahm man aus der Legrenzi-Oper. So entstand ein typisch barockes, buntes, deutsch-italienisches Pasticcio um den römischen Feldherrn Germanicus, seine Gattin Agrippina, den mutigen Cheruskerfürsten Arminius und seine Geliebte Claudia.

Gewürzt mit politischen Intrigen, Liebesdramen, Verwechslungen und ironisch distanzierten Betrachtungen und Kommentaren wird erzählt, dass der siegreiche Germanicus glaubt, seinen Todfeind Arminius bezwungen, getötet zu haben und zur Festigung seiner Herrschaft am Rhein die Tochter des Gouverneurs Segestes mit dem römischen Prinzen Lucius verheiraten will. Claudia jedoch liebt den Cherusker Arminius, der lebt und seinerseits versucht, Rache an Germanicus zu nehmen, indem er seine Frau Agrippina und sein Kind Caligula zu entführen versucht. Hauptmann Florus vereitelt dies, entpuppt sich jedoch als intriganter, auch vor einem Mord an Germanicus nicht zurückschreckender, machtgieriger Mensch, während der eifersüchtige Germanicus seinen Sohn aufstachelt, die ehrlose Mutter zu töten. Auch die Liebe zwischen Arminius und Claudia scheint in Gefahr, als dieser beobachtet, wie die gehorsame Claudia zum Schein auf das Gebot des Vaters eingeht, Lucius zu ehelichen.

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Cherusker Arminius (Jan Friedrich Eggers) rettet sich mit einem Sprung in die Arme seiner geliebten Claudia (Lina Liu).

Alexander May betont in seiner Regieführung zwar den Spielcharakter des Werkes - z.B. sind die für das Spiel benötigten Requisiten auf der Bühne, stellen Komponist und Librettistin die Protagonisten vor und begleiten den Abend. Letztere greift sogar als Deus ex Machina ins Geschehen ein. Manche Arie, das Machtstreben des Florus, die scheinbare Treuherzigkeit Agrippinas werden witzig kommentiert. Insgesamt bringt der Regisseur jedoch zu wenig Licht in den Symbolcharakter der ständig wechselnden Handlungsstränge und –orte, sodass der besondere, zwischen Tragik und Komik changierende Charakter des Telemann-Werkes zu wenig herausgestellt wird. Wolf Gutjahr hat die Bühne in ein gülden glitzerndes, manchmal auch die Kehrseite zeigendes barockes Heckentheater verwandelt, dessen Stangenordnung und Zentralperspektive dank Drehbühne immer mehr ins Wanken gerät. Barocke Kostüme im überwiegend historisierenden Stil und eine mitunter bunte Beleuchtung ergänzen das Bild der Selbstinszenierung.

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Intrigant Florus (Antonio Giovannini) und Prinz Lucius (Almerija Delic)

Musikalisch überwiegt ein rhythmisch beschwingter, manchmal geradezu tänzerischer  Musiziergestus. Der Orchestergraben ist angehoben. Zum klangfarblich mit Bachtrompeten und Horn angereicherten Barockorchester kommt eine Generalbassgruppe aus Barockcello, Kontrabass, Fagott, Cembalo und Laute hinzu. Instrumentalmusiker und Gesangssolisten interpretieren mit viel Sinn für Gestaltung und barocke Verzierungskunst. Bis auf Leslie Visco, die mit schlankem Sopran die Rolle des Caligula verkörpert und als Erasmusstudentin ein Jahr am Theater Osnabrück verbringt und dem Countertenor Antonio Giovannini, der in zahlreichen Arien mit reichen, nicht enden wollenden Koloraturketten das Publikum zu verzaubern weiß, werden alle Gesangs- und Schaupielrollen vom Osnabrücker Solistenensemble übernommen. Erika Simons gestaltet anschaulich die schillernden Seiten der Gemahlin des Germanicus. Mal rührt sie mit zartem, leisen, geradezu gehauchten Stimmklang, mal locken klangvolle Verzierungen, dann wieder formen sich die Töne zu einem langgezogenen Aufschrei. Shady Torbey strahlt mit klangvoll brustigem Stimmklang als selbstbewusster, leidenschaftlicher römischer Feldherr Germanicus. Lina Liu vermag auch in höchsten Sopranhöhen textverständlich zu singen.

FAZIT

Ein schillerndes, barockes Pasticcio mit vielen wundervollen Arien und verwirrenden Handlungssträngen



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniel Inbal

Inszenierung
Alexander May

Bühne
Wolf Gutjahr

Kostüme
Katharina Weissenborn

Dramaturgie
Ralf Waldschmidt,
Alexander Wunderlich

 

Basso Continuo Ensemble

Osnabrücker Sinfonieorchester


Solisten

Germanicus
Shadi Torbey

Agrippina
Erika Simons

Caligula
Leslie Visco

Florus
Antonio Giovannini

Lesbus
Genadijus Bergorulko

Segestes
Mark Hamman

Claudia
Lina Liu

Arminius
Jan Friedrich Eggers

Lucius
Almerija Delic


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Osnabrück
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