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Król Roger (König Roger)

Oper in drei Akten
Text von Karol Szymanowski und Jaroslaw Iwaszkiewicz
Musik von Karol Szymanowski

in polnisher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Nürnberg am 14. März 2015
(rezensierte Aufführung: 17. März 2015)


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Staatstheater Nürnberg
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Sehnsuchtsort Ferne

Von Joachim Lange / Fotos von Ludwig Olah


Karol Szymanowskis (1882-1937) einzige Oper König Roger entfaltet auch in Nürnberg eine unglaubliche musikalische Wucht. Der 1926 uraufgeführte kurze Dreiakter des polnischen Komponisten kann sich durchaus neben der Salome von Richard Strauss oder der Penthesilea von Otmar Schoeck sehen lassen. Obendrein hat er bewusst französische, gar arabische Klangfarben unter die aufrauschende Opulenz gemischt.

Auch bei ihm ist die zerstörerische Kraft von Verführung explizites Thema. Diese Verführung kann man als Bedrohung des Gemeinwesen auffassen, das von ihr heimgesucht wird. Man kann sie aber auch als ein Abarbeiten des Künstlers an der eigenen (sexuellen) Identität auffassen. So ist denn die Geschichte, die erzählt wird, sowohl von Euripides Bakchen inspiriert, als auch von der Selbsterfahrung des Komponisten als Homosexueller im katholischen Polen. Es ist gut nachvollziehbar, dass er immer wieder der beklemmenden Enge seiner Heimat ins freiere, hedonistische Italien entflohen ist. Vor allem nach Sizilien, dem Schauplatz seiner einzigen Oper. Ganz so, wie es Jahrzehnte später den ebenfalls homosexuellen Komponisten Hans Werner Henze nach Italien zog.

Szenenfoto

Am Anfang ist er noch ein Störenfried: Der Hirt wird attackiert

Im Stück nun gerät die klar geordnete, eigentlich mittelalterliche Welt des sizilianischen Königs Roger und seiner Frau Roxana durch das Auftauchen eines charismatischen Hirten aus den Fugen. Dieser Hirte zieht als Prophet einer dionysischen Lehre durchs Land, die sich direkt gegen die bis dahin geltenden moralischen Grundfesten der Gesellschaft wendet. Er hat Erfolg, denn selbst die Königin und später auch Roger fühlen sich zu dem neuen Glauben hingezogen. Es stellt sich obendrein heraus, dass sich hinter der Gestalt des Hirten der Gott Dionysos selbst verbirgt. Am Ende wendet sich Roger nach einer im Grunde resignierenden Selbstfindung und dem Triumph des Dionysos, als Akt der Emanzipation von beiden Welten, metaphorisch der aufgehenden Sonne zu.

Szenenfoto

Roger wehrt sich vergeblich gegen den Rattenfänger

Von einem Umsturz so fundamentaler Art ist vor allem jede Menge zu hören. Dank der grandios sich ins opulente Schwelgen werfenden Staatsphilharmonie Nürnberg unter der Leitung des Szymanowski-Landsmanns und musikalischen Direktors der Warschauer Oper, Jacek Kaspszyk. Und Dank einer hervorragenden Sängercrew. Zu deren Überzeugungskraft trägt bei, dass der polnische Bariton Mikolaj Zalasinski neben seiner vokalen Gestaltungskraft auch für idiomatische Authentizität garantiert. Doch auch Ekaterina Godovanets (Roxane), Hans Kittelmann (Ratgeber Edrisi) und der helle strahlkräftige Tenor David Kims („Hirte“) stehen dem in Nichts nach.

Szenenfoto

Ein König als einsamer Narr

Zu sehen ist von dieser Vehemenz der Verführung weit weniger. Regisseur Lorenzo Fioroni, Paul Zoller (Bühne) und Sabine Blickenstorfer (Kostüme) zelebrieren stattdessen einen geradezu apokalyptischen Untergang. Die Bühnenschräge ist eine Melange aus Dorfplatz, Flüchtlingslager oder Schiffsdeck vor schwankender Horizontlinie. Überall stehen Ausguck- oder Scheinwerfermasten. Am Ende stürzen sie wie bei einer großen Katastrophe einfach um. Eine „Mare Nostrum“-Fahne lenkt die Assoziationen auf die aktuellen Flüchtlingsdramen im Mittelmeer. Zwischen den Akten eingeblendete Erlebnisberichte desillusionierter Amerikaauswanderer früherer Generationen erinnern an die Hoffnungen und geplatzten Illusion, die die Sehnsuchtsorte jenseits der eigenen Heimat schon immer auszuüben beginnen, wenn man dort nicht zufrieden ist.

Doch es bleibt unklar, warum sich ausgerechnet die gestandenen, in schwarz trauernden Frauen, die zu Beginn eine traditionelle Beerdigung ausrichten, von einem so dahergelaufenen Typen wie diesem ganz und gar unitalienischen Rattenfänger in Turnschuh- und Schlabberlook verführen lassen und nach den ausgeteilten Pässe gieren sollten. Die Überblendung von Sehnsucht mit dem Vertreibungs- und Asylelend von heute funktioniert jedenfalls nicht so recht.

Szenenfoto

Am Ende allein im kalten Licht

Dafür werden aber ausführlich Verfall und Untergang zelebriert. Und das konsequent und in düstersten Farben. Es ist ein Untergang, für den das Auftauchen eines Predigers gegen alles Bestehende nur den letzten Anstoß geben kann. Wenn dieser Typ Erfolg hat und jene Menschen aus ihren gewachsenen Traditionen und Ritualen locken kann, dann ist diese Gesellschaft auf den Tod hin krank, dann steht der Untergang - tja vielleicht sogar des Abendlandes(?) - wohl unmittelbar bevor. So bilden denn auch das vokale Charisma des Hirten und das Verführungspotenzial seiner äußeren Erscheinung einen auffallenden Gegensatz. Ganz so wie bei den bärtigen Verführern von heute, die mit ihrer fundamentalistischen Vehemenz zu radikaler Flucht aus Zivilisation und Gegenwart aufrufen. Im dritten Akt sind schließlich nicht nur die Masten umgeknickt, es regnet auch noch jede Menge Müll aus dem Schnürboden. In dieser Trostlosigkeit klettert der bis auf die Unterhose nackte König auf dem Trümmerberg einem kalten Licht entgegen. Da bleibt kein Hauch von Erlösung oder Hoffnung. Hier kommt nichts mehr wieder ins Lot. Ob das so stimmen kann, bleibt eine Frage, die man aus einem bildmächtigen Opernabend mit erheblichem Überwältigungs-Potential mitnimmt.


FAZIT

Unter Leitung von Intendant Peter Theiler häufen sich in Nürnberg die sehens- und hörenswerten Opernproduktionen, die hohes musikalisches Niveau mit einer gewagten Stückauswahl und interessanten Regiekonzepten verbinden, auffallend! Opern-Bayern ist halt keineswegs nur München oder Bayreuth. Dieser fulminante polnische Beitrag zur europäischen Musikgeschichte des beginnenden 20. Jahrhunderts beeindruckt gleichwohl vor allem musikalisch.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jacek Kaspszyk

Inszenierung
Lorenzo Fioroni

Bühne
Paul Zoller

Kostüme
Sabine Blickenstorfer

Licht
Karl Wiedemann

Choreinstudierung
Tarmo Vaask

Dramaturgie
Kai Weßler


Statisterie des
Staatstheater Nürnberg

Chor und Extrachor des
Staatstheaters Nürnberg

Jugendchor des Lehrergesangsvereins
Nürnberg (Kinderchor)

Staatsphilharmonie Nürnberg


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Roger
Kay Stiefermann /
* Mikolaj Zalasinski

Roxana
Ekaterina Godovantes

Edrisi
Hans Kittelmann

Der Hirte
David Yim

Erzbischof
Daniel Dropulja

Diakonissin
Joanna Limanska-Pajak



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Nürnberg
(Homepage)



Da capo al Fine

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