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Musiktheater
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Joseph Süss

Oper in dreizehn Szenen
Libretto von Werner Fritsch und Uta Ackermann
Musik von Detleb Glanert

Kooperation mit dem Staatstheater am Gärtnerplatz München und dem Theater Erfurt

In deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 90'  (keine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 7. Februar 2015

Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Joseph Süß Oppenheimer

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Oliver Berg

Detlev Glanerts Musik seiner 1999 in Bremen uraufgeführten Oper Joseph Süß lässt einen so schnell nicht los. Mit unbeschreiblicher Vehemenz, mit Schärfe und Nachdruck meißeln sich die Orchesterklänge ein, reißen das Publikum mit in den Aufstieg und Fall dieser tragischen Figur. Historische Vorlage ist – ähnlich wie im 1925 erschienenen Roman „Jud Süß“ von Lion Feuchtwanger – der 1698 in Heidelberg geborene Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer, der in Stuttgart als Finanzier und Finanzberaters des württembergischen Herzogs Karl Alexander Karriere machte. Nach dem Tod des katholischen Herzogs kam Pogromstimmung auf. Die protestantischen Landstände, die um ihren politischen Einfluss bangen mussten und unter den Steuern des Herzogs litten, machten den Juden Oppenheimer zum Sündenbock für ihr Leid. 1738 verurteilten sie ihn zum Tod durch den Strang: ein Justizmord, der den Gefangenen im Opernlibretto kurz vor der Hinrichtung an seiner religiösen Grundüberzeugung zweifeln lässt. Aufrecht und unerschrocken kündigt er den im Alten Testament beschriebenen Bund zwischen Gott und den Menschen mit den Worten „Herr! Ich zerbreche deinen Regenbogen“.

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Henrike Jacob (Magdalena), Gary Martin (Joseph Süß), Eva Bauchmüller (italienische Opernsängerin)

Süß wird - im Wechsel von Kerker- und Erinnerungsszenen - im Libretto als hybrider Aufsteiger gezeichnet, der im Bestreben nach Macht und Reichtum den Blick für die Wirklichkeit verliert. Warnungen ihm Wohlgesinnter missachtet er. Seinen Kopf zu retten, erscheint ihm aussichtslos. Konvertieren lehnt er ab. Erst als der persönliche Feind und Gegenspieler Weissensee sich an ihm rächt, Süß’ Tochter Naemi stirbt, nachdem sie den sexuellen Übergriffen des Herzogs preisgegeben und vergewaltigt wurde, zeigt der Protagonist, dass er getroffen und verletzt ist. Auch bei Regisseur Guy Montavon, dessen Inszenierung 2012 zunächst im Staatstheater am Gärtnerplatz in München gezeigt wurde, im März 2014 nach Erfurt kam und nun im Theater Münster zu sehen ist, ist von Empathie und Mitgefühl wenig zu spüren. Bei ihm scheint Süss mit der scheidenden Gunst des Herzogs am Ende eher dem Wahnsinn zu verfallen als zusammenzubrechen. Ähnlich wie die immer wieder mahnenden Sirenenklänge in der Musik stellt Montavon der Oper eine Eingangsszene voran, die mit Judenwitzen und Schildern mit der Aufschrift „Juden sind in unsern deutschen Wäldern nicht erwünscht“ an die Pogromhetze im 20. Jahrhundert in Deutschland erinnert. Allerdings bleibt diese ohne Verbindung zur folgenden, durch Käfig und Kostüme im 18. Jahrhundert situierten Opernhandlung.

Peter Sykora hat Kerker, Wald, Palast und Stadthaus auf einer Drehbühne angeordnet, sodass ein nahtloser Szenenwechsel ermöglicht wird. Die Räumlichkeiten sind spärlich angedeutet und durch dicke, reflektierende Mauern voneinander getrennt. Ausgangspunkt der Oper sind die letzten Stunden vor der Hinrichtung Süss’. Drohend lastet ein roter Käfig über der Zelle, deren Spalt in der Rückwand den Blick auf eine rot maskierte Henkerfigur frei gibt. Süß sitzt auf dem Boden eines mit einem Sockel aus Goldbarren versehenen, ansonsten leeren Raumes. Ein kostbares, mit Goldfaden und –knöpfen ausgestattetes rotes Jackett, das ihn als Edelmann kennzeichnet, hängt an der Wand. Hin und wieder hört man zerplatzende Wassertropfen. Er grübelt, hört Stimmen.

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Gary Martin (Joseph Süß Oppenheimer), Gregor Dalal (Herzog Karl Alexander), Helge Salnikau (Henker), Opernchor

Wer nun eine differenzierte Interpretation des komplexen Librettos und der ebenso komplexen Musik erwartet, wird enttäuscht. Anstatt uns die historische, von religiösen und politischen Kämpfen geprägte Situation näher vor Augen zu führen, reduziert Regisseur Guy Montavon das Bühnengeschehen auf derbes Machtspiel und Intrige. Eine zwischen Rückblende, Traum, Erinnerung differenzierende Interpretation fehlt. Die Charaktere wirken klischeehaft, plakativ gezeichnet. Umso stärker die emotionale Sogkraft der Musik. Sie führt nicht nur verschiedenste Gesangs- und Sprachmelodien vor Augen. Glanerts oft scharfe, klanglich zugespitzte Farben sind laut Komponist zweifach motiviert. Einmal werde in Anspielung auf die Barockzeit das Ideal des Spaltklangs nachempfunden, also eines Klanges, der Höhen und Tiefen betone. Zugleich bilden die Fehlstellen im Orchester den Spielbetrieb deutscher Orchester ab, nachdem in den 1930er Jahren jüdische Musiker mit Berufsverbot belegt wurden. Ganz anders die klanglich ausgewogenere, traditionellere Gegenwelt der Frauen. Ruhige, musikalisch anrührende Momente sind vor allem der Tochter Süß vorbehalten, die in gesellschaftlicher Abgeschiedenheit mit den Worten des Hohelieds Salomos von der Liebe träumt.

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Gary Martin (Joseph Süß Oppenheimer), Henrike Jacob (Magdalena)

Das Theater Münster begleitet die Aufführung dieser Oper mit einem großen Beiprogramm, in dem nicht nur die historische Persönlichkeit, sondern auch ausführlich die Rezeptionsgeschichte im 20. Jahrhundert beleuchtet wird. Bei der Premiere wurde sogar zusätzlich zum Programmheft der Librettotext verteilt. Chor und das klangfarbenreiche, oft solistisch agierende Orchester spielen und singen unter der umsichtigen Leitung Thorsten Schmid-Kapfenburgs ausdrucksstark gestaltend. Hinzu kommt ein passend besetztes Gesangssolistenensemble, das die schwierigen Anforderungen zwischen Sprechen, Sprachmelodie, Rezitativ und Gesang grandios meisterte. Bariton Gary Martin ist ein klang- und kraftvoller Joseph Süß Oppenheimer. Tenor Youn-Seong Shim stellt seinen Gegenspieler, den Sprecher der protestantischen Landstände dar. Gregor Dalal überzeugt als maßlos geiler Hurenbock und weiß die Rolle des Herzogs auch sängerisch wunderbar buffonesk zu überzeichnen. Juan Fernando Gutierrez stellt anrührend den eindringlich warnenden Rabbiner Magus dar. Klangvoll und mit leichtem Vibrato in der Stimme bringt Lisa Wedekind als Naemi Wärme ins Ensemble. Henrike Jakobs klangvoller Sopran verkörpert überzeugend  Magdalena, die Tochter Weissensees. Eva Bauchmüller weiß als barock kostümierte italienische Opernsängerin mit lupenreinen Spitzentönen und Koloraturen nicht nur den Herzog zu verzücken.

FAZIT

Zwar kann die Regieinterpretation von Musik und komplexem Librettotext nicht ganz überzeugen, aber die musikalische Darbietung und die Komposition Detlev Glanerts ist mitreißend und hörenswert.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Thorsten Schmid-Kapfenburg

Inszenierung
Guy Montavon

Bühne & Kostüme
Peter Sykora   

Choreinstudierung
Inna Batyuk     

Dramaturgie
Jens Ponath

 

Opern- und Extrachor des
Theaters Münster

Sinfonieorchester Münster

 

Solisten

Joseph Süß Oppenheimer
Gary Martin 

Herzog Karl Alexander
Gregor Dalal

Magus
Juan Fernando Gutiérrez

Naemi
Lisa Wedekind

Graziella
Eva Bauchmüller

Magdalena
Henrike Jacob

Weissensee
Youn-Seong Shim

Henker
Helge Salnikau

Haushofmeister
Frank Göbel


Weitere
Informationen

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Theater Münster
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