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Musiktheater
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Anything Goes

Musical Comedy in zwei Akten
Buch von Guy Bolton, P. G. Wodehouse, Howard Lindsay und Russel Crouse, Neufassung von Timothy Crouse und
John Weidman, Deutsch von Christian Severin (Dialoge), Hartmut H. Forche und Lida Winiewicz (Gesangstexte)
Musik und Gesangstexte von Cole Porter

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 28. Februar 2015

Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Gute Laune pur in Münster

Von Thomas Molke / Fotos von Oliver Berg

Cole Porters Musical Comedy Anything Goes zählt nicht nur zu den bedeutendsten amerikanischen Musicals der 30er Jahre, sondern hat seit einiger Zeit wieder neben Kiss Me Kate einen festen Platz im Repertoire der Bühnen eingenommen. Hauptgrund dafür dürften die wunderbaren Melodien sein, die sich in der Interpretation von namhaften Showgrößen wie Liza Minelli, Frank Sinatra, Nina Simone, Josephine Baker oder auch Marlene Dietrich zu Evergreens entwickelt haben. Dabei war das Musical ursprünglich gar nicht als reines Unterhaltungsstück geplant, sondern sollte unter dem Titel Hard to Get oder auch Bon Voyage das Verhalten der Passagiere bei einem Schiffsuntergang beschreiben. Doch als unmittelbar vor Probenbeginn 1934 der Luxusliner Morro Castle auf dem Rückweg nach New York bei einem Brand zerstört wurde und das Unglück 137 Menschenleben forderte, hielt man es für angemessen, das Thema abzuändern. So wurde das soziale und politische Depressionsgefühl der 30er Jahre eher konterkariert, indem man eine Gesellschaft porträtierte, die mit ihrer Vergnügungssucht den realen wirtschaftlichen Problemen zu entfliehen versucht und mit zahlreichen Verwicklungen und Verwirrungen gewissermaßen in eine Traumwelt flüchtet.

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Liebe ohne Zukunft? Hope Harcourt (Corinna Ellwanger) und Billy Crocker (Nathanael Schaer)

Betrachtet man die Figuren des Stückes, lässt sich erkennen, dass unter der Oberfläche der reinen "Gute-Laune-Musik" durchaus Facetten der Ironie und des Zynismus durchschimmern. Da tritt die Nachtclubsängerin Reno Sweeney mit ihren vier "Engeln" in einer höllisch-himmlischen "Erweckungsshow" auf, die der echte Geistliche Henry J. Dobson sicherlich unterbunden hätte, wenn er zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Schiff gewesen wäre. Stattdessen wird er allerdings anstelle des gejagten Gangsters Moonface Martin, der sich auf dem Schiff ebenfalls als Geistlicher ausgibt, vor der Abfahrt in Gewahrsam genommen. Dass Moonface gemeinsam mit der Gangsterbraut Erma ganz andere Interessen auf dem Schiff verfolgt, verwundert keineswegs. Hinzu kommt der mittellose Billy Crocker, der als blinder Passagier auf das Schiff gekommen ist, um zu verhindern, dass die von ihm geliebte Hope Harcourt aus rein finanziellen Gründen den reichen Engländer Lord Evelyn Oakleigh heiratet. Als er sich als der meistgesuchte Verbrecher Amerikas ausgibt, wird ihm sogar die Ehre zuteil, gemeinsam mit dem Kapitän zu dinieren, da dieser wiederum endlich froh ist, für die Klatschzeitungen eine namhafte Persönlichkeit an Bord zu haben. Dass es sich dabei um einen Verbrecher handelt, spielt eine eher untergeordnete Rolle. Auch die Unberechenbarkeit der Börse wird abgehandelt. So sollte Billy eigentlich für seinen Boss Elisha Whitney ein Aktienpaket abstoßen, was er allerdings versäumt hat. Während Elisha sein Vermögen und damit auch die Aussicht auf eine Ehe mit Hopes Mutter Evangeline schwinden sieht, kommt völlig unerwartet die Meldung, dass die betreffenden Aktien ins Unermessliche gestiegen seien. Elisha hat damit sein Vermögen vervielfacht und ist für Evangeline wieder eine lukrative Partie, so dass sie ihre Tochter nicht mehr aus finanziellen Gründen mit dem englischen Lord verheiraten muss. Letzterer hingegen wendet sich der Nachtclubsängerin Reno zu, so dass es am Ende drei Paare gibt.

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Gangster unter sich: Erma (Katharina Schutza) und Moonface Martin (Aurel Bereuter)

Das Regie-Team um den Intendanten Ulrich Peters begnügt sich in der Inszenierung damit, die Ironie unter der Oberfläche zu belassen, bietet pure Unterhaltung und scheint damit genau den Geschmack des Publikums zu treffen. Bernd Franke hat die komplette Bühne als gewaltiges Oberdeck konzipiert, das über zwei Etagen verfügt und dem Ensemble ausreichend Platz für fulminante Tanzeinlagen bietet. Für die Szenen in den Kabinen werden zwei Bühnenelemente nach vorne geschoben, die einen schnellen Umbau ermöglichen. In Renos "Erweckungsshow" ist die obere Etage als Bühne mit dekorativem Hintergrund gestaltet, vor dem Reno wie ein Engel mit Flügeln aus dem Schnürboden herabgelassen wird. Die anderen Bereiche des Schiffes sind mit schwarzen Tüchern verhängt, so dass der Übergang zum Deck nach dieser Szene wieder ohne große Umbauprobleme möglich ist. Auch die Kostüme von Götz Lancelot Fischer treffen den Revue-Charakter der Vorlage ziemlich genau. Selbst der musikalische Leiter Stefan Veselka wirkt in seinem weißen Jackett wie ein "Kapitän" des Sinfonieorchesters Münster. Mit Glanz und Glitter wird ebenfalls nicht gespart, wenn es am Ende zum glücklichen Finale Konfetti aus dem Schnürboden regnet.

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Reno Sweeney (Marysol Ximénez-Carillo, vorne Mitte) bei ihrer "Erweckungsshow" (dahinter von links: Virtue (Agnès Girard), Chastity (Priscilla Fiuza), Purity (Maria Bayarri-Pérez) und Charity (Elizabeth Towles))

In dieser opulenten Optik macht auch das Solisten-Ensemble eine gute Figur. Mit Marysol Ximénez-Carillo hat man eine charismatische Sängerdarstellerin und Tänzerin verpflichtet, die der Partie der Reno Sweeney mehr als gerecht wird. Einerseits verfügt sie über jede Menge Sex-Appeal, die glaubhaft machen, warum sich so viele Passagiere von ihr erwecken lassen wollen, andererseits gibt sie in ihrer Interpretation von "'You're the Top" und "Blow, Gabriel, Blow" den bekannten Liedern eine sehr individuelle Note. In den Tanznummern verschmilzt sie mit den Tänzerinnen und Tänzern des TanzTheaters Münster, die als ihre vier Engel Purity, Charity, Chastity und Virtue und als Matrosen auftreten, zu einer Einheit und begeistert auch durch eine atemberaubende Stepp-Einlage. Bei dem großartigen Titelsong "Anything Goes" möchte man als Zuschauer am liebsten direkt mittanzen. Etwas unglaubwürdig wirkt lediglich, dass sie sich in den exzentrischen englischen Lord Evelyn Oakleigh verlieben soll, der von Christoph Rinke mit großer Komik präsentiert wird. Auch wenn er in "The Gypsy in Me", einer Nummer, in der Rinke tänzerisch überzeugt, stimmlich allerdings an seine Grenzen stößt, einen ganz anderen Charakterzug des unterkühlten Engländers zeigt, wagt man doch zu bezweifeln, dass eine Frau wie Reno einen Mann wie Evelyn aus Liebe heiratet, zumal sie zu Beginn des Stückes ja noch in Billy Crocker verliebt ist. Dieser ist mit Nathanael Schaer sowohl stimmlich als auch darstellerisch ebenfalls ideal besetzt. Mit komödiantischem Talent schlüpft er in die unterschiedlichen Verkleidungen, mit denen er versucht, dem Kapitän und seinem Steward zu entkommen, auch wenn er in der Schlussszene als Chinese, in der er Evelyn Reno als chinesisches Mädchen Pflaumenblüte andreht, der Evelyn einst die Unschuld geraubt haben soll, mit der Albernheit ein bisschen übertreibt.

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Großes Happy End (von links: Matrose (Frank Göbel), Erma (Katharina Schutza), Moonface (Aurel Bereuter), Steward (Tom Ohnerast), Lord Evelyn Oakleigh (Christoph Rinke), Reno Sweeney (Marysol Ximénez-Carillo), Kapitän (Frank-Peter Dettmann), Billy Crocker (Nathanael Schaer), Hope Harcourt (Corinna Ellwanger), Evangeline Harcourt (Suzanne McLeod), Elisha Whitney (Gerhard Mohr), Matrose (Lars Hübel), Matrose (Jaean Koo), dahinter Opernchor, Statisterie und TanzTheater Münster)

Eine großartige Bühnenpräsenz besitzen auch Aurel Bereuter und Katharina Schutza als Gangster Moonface Martin und Gangsterbraut Erma. Bereuter beweist mit großartiger Komik, warum Moonface nie zum Verbrecher Nummer 1 avancieren wird, und bringt mit seiner Ballade "Be Like a Bluebird" nicht nur seinen Zellengefährten Billy, sondern auch den Dirigenten und das Orchester zur Weißglut. Schutza punktet als männermordender Vamp nicht nur mit einer ansehnlichen Oberweite, sondern lässt auch mit einem souligen "Buddy, Beware!" Männerherzen höher schlagen. In den weiteren Rollen gefallen Corinna Ellwanger als schöne Debütantin Hope Harcourt, die in der Traumnummer "All Through the Night" mit Schaer zu einer bewegenden Innigkeit findet und der man ihre Trauer nach der "Erweckungsshow", wenn sie allein im Saal zurückgeblieben ist und alles um sie herum abgeräumt wird, darstellerisch wirklich abnimmt. Suzanne McLeod setzt als ihre schrullige Mutter Evangeline Harcourt, deren einziges Ziel darin besteht, wieder zu Geld zu kommen, wunderbar komische Akzente. Gleiches gilt für Gerhard Mohr als Elisha Whitney. Auch der von Inna Batyuk einstudierte Chor gefällt in den zahlreichen kleineren Rollen. Die Choreographien von Stefan Haufe werden vom TanzTheater Münster und den Solisten spritzig und kurzweilig umgesetzt. Fraglich ist nur, ob man die Lieder nicht auf Englisch hätte belassen sollen, da die Übersetzungen an einigen Stellen doch arg konstruiert wirken. Richtig deutlich wird dies erst, wenn das Ensemble zum Finale "Anything Goes" auf Englisch präsentiert und man merkt, dass hier Musik und Text doch eine deutlichere Einheit eingehen. Das Premierenpublikum jedenfalls scheint es nicht zu stören. Es feiert das Ensemble, das Regie-Team und das Sinfonie-Orchester Münster, das unter der Leitung von Stefan Veselka einen schmissigen Musical-Sound aus dem Graben ertönen lässt, mit stehenden Ovationen.

FAZIT

Intendant Ulrich Peters bietet mit dieser Inszenierung kurzweilige Unterhaltung, die zahlreiche Musicalfans nach Münster locken dürfte. Diese Produktion kann mit den kommerziellen Musical-Tempeln außerhalb der Stadttheater durchaus mithalten.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Veselka

Inszenierung
Ulrich Peters

Choreographie
Stefan Haufe

Bühne
Bernd Franke

Kostüme
Götz Lanzelot Fischer

Chor
Inna Batyuk

Dramaturgie
Margrit Poremba

 

Opernchor des Theaters Münster

Statisterie

TanzTheater Münster

Sinfonieorchester Münster

Klavier
*Daniel Klein /
Elda Laro

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Reno Sweeney,
die sinnlichste Predigerin der Welt
Marysol Ximénez-Carillo

Hope Harcourt, die schöne Debütantin
Corinna Ellwanger

Evangeline Harcourt, ihre Mutter, eine Witwe
Suzanne McLeod

Lord Evelyn Oakleigh, ein reicher Engländer
Christoph Rinke

Elisha Whitney, ein erfolgreicher Börsenmakler
Gerhard Mohr

Billy Crocker, Whitneys junger Assistent
Nathanael Schaer

Moonface Martin, ein gejagter Gangster
Aurel Bereuter

Erma, eine verführerische Gangsterbraut
Katharina Schutza

Kapitän
Frank-Peter Dettmann

Steward
Tom Ohnerast

Luke, ein bekehrter Chinese
Kiyotaka Mizuno

John, noch ein bekehrter Chinese
Jae Joon Pak

Purity, Showgirl in Renos Performance
*Maria Bayarri-Pérez /
Ako Nakanome

Chastity, Showgirl in Renos Performance
Priscilla Fiuza

Charity, Showgirl in Renos Performance
Elizabeth Towles

Virtue, Showgirl in Renos Performance
*Agnès Girard /
Anna Caviezel

Girl
Eva Lillian Thingbø

Matrose
Jaean Koo

Henry J. Dobson, Geistlicher / Matrose
Lars Hübel

Fred, Barmann
Jordan Zarev

Reporter / Matrose
Christian-Kai Sander

FBI Agent / Matrose
Frank Göbel

Zeitungsfotograf
Enrique Bernardo

Reporterin
Barbara Bräckelmann

FBI Agentin
Simona Maestrini

Matrosen
Tommaso Balbo
*Erik Constantin /
Vladimir De Freitas Rosa
Adam Dembczynski
*Jason Franklin /
Keelan Whitmore

Passagiere
Opernchor


Weitere
Informationen

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Theater Münster
(Homepage)



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