Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Arabella

Lyrische Komödie in drei Aufzügen
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 6. Juli 2015 an der Bayerischen Staatsoper München




Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Schachern unterm Treppenkreuz

Von Roberto Becker / Fotos von Wilfried Hösl

Ach ja, die Bella. Höhere Tochter einer bankrotten Grafen-Familie. Papa ist spielsüchtig, die Mama sorgt dennoch dafür, die Fassade aufrechtzuerhalten. Bedient sich aber auch mal selbst (jedenfalls jetzt in München) im Kreise der von Arabella verworfenen Heiratskanditaten. Mit der Verheiratung dieser Tochter will man sich sanieren. Da kennt der Alte nix. Da wird auch gleich mal ein Bild der Tochter einem wohl nur knapp verklausulierten Bettelbrief an den alten, aber stinkreichen ehemaligen Regimentskameraden Mandryka im fernen Slawonien beigelegt, in der Hoffnung, dass der anbeißt. Was im Prinzip auch klappt. Wer sogar anreist, ist nicht der verstorbene Alte, sondern sein obendrein auch noch junger und attraktiver Neffe. Der versteht den Wink mit dem Kuppelzaunpfahl. Verscherbelt ein gutes Stück seiner Wälder (samt der Zigeuner, die drin hausen) an den reichen Juden der Gegend. Und macht sich auf in die Hauptstadt. Das ist so herrlich inkorrekt. Aber von Hugo von Hofmannsthal gedichtet, also irgendwie auch charmant hintersinnig und manchmal so entwaffnend banal, dass man lachen muss: "Theodor, welch eine Wendung!" sagt die Gräfin Adelaide. "Kolossal" antwortet ihr Gatte.

Vergrößerung in neuem Fenster

Arabella (Anja Harteros)

Wie ernst diese ganze Maskerade ist, merkt man spätestens dann, wenn Arabellas kleine Schwester Zdenka, nach dem sie mit ihrem Geliebten Matteo eine Nacht verbracht und sich dabei in absoluter Dunkelheit als die von ihm angehimmelte Arabella ausgegeben hatte, mitten in den großen Showdown hineinplatzt, den sie mit ihrer kleinen Intrige ausgelöst hat. Als Mandryka schon drauf und dran ist, Matteo zum Duell zu fordern, weil er, nach dem was er gehört hatte, glauben musste, dass der ihm ein paar Minuten nach seiner Verlobung mit Arabella Hörner aufgesetzt hatte, da kommt Zdenka, jetzt als Mädchen, dazu und klärt alles auf. Das ist die Intrige, die das unausweichlich drohende Happyend nur etwas verzögert.

Dass Zdenka aber der Meinung ist, dass ihr nichts anderes übrig bliebe, als sich in der Donau zu ertränken, wirft ein Schlaglicht auf das, was Arabella mit der Umschreibung "zweifelhafte Existenzen" meinte, und was dazu führte, dass die Waldners nur noch für Bargeld etwas konsumieren können in dem Hotel, in dem sie logieren.

Foto

Matteo (Joseph Kaiser) und Zdenka (Hanna-Elisabeth Müller)

Bei der Münchner Vorgänger-Inszenierung der Arabella fand man sich auf einem Berg von Schuldscheinen und geplatzten Wechseln in ständiger Abrutschgefahr. Der Filmregisseur Andreas Dresen hat jetzt bei seiner dritten Opernregie alles Wienerische im Gegenlicht der Entstehungszeit der Oper, die 1933 uraufgeführt wurde, verschwinden lassen. Anfangs kann man den expressionistisch überzeichneten Raum gar nicht klar als Hotelsalon identifizieren. Mit der Zeit erst erschließt sich das Bühnenkonstrukt auf der Drehbühne als ein ansteigendes Kreuz aus zwei geschwungenen Riesentreppen. Ein Stiegenhaus als Teil fürs Ganze, das spart fast jedes Interieur. Verlagert das Wienerische aber in den Tonfall des Grafen Waldner. Kurt Rydl gibt ihn wie einen städtischen Vetter des Baron Ochs auf Lerchenau. Nur dass der Wiener eben schon eine Frau, zwei unverheiratete Töchter und seine Spielschulden an der Backe hat. Um das auszuhalten, braucht man jede Menge Wienerische Nonchalance. Und die liefert er.

Dresens angedeutete Entstehungszeit, deren Schick sich bei den Kostümen auf leuchtendes Rot beschränkt, gibt mit den schwarzen, aber nicht näher zuzuordnenden Uniformen den beherrschenden Farbkontrast ab. Wenn denn die Absicht dieser Inszenierung darin bestand, es in die späten Zwanziger-Jahre zu verlegen, dann wird die am deutlichsten in der Ballszene offenbar. Wo erst vereinzelt und mehr nebenbei im Hintergrund herumspaziert wird, da geht es bald recht handfest zur Sache. Da fliegen die Uniformjacken, rutschen die Hosen und Kleider. Und auch das Überstiegenhaus entfaltet auf der Drehbühne und mit Suchscheinwerfern ins Unheimliche gesteigert sein Eigenleben. Das erstaunlichste dran aber ist, dass man plötzlich auch hört, was man sieht. So aggressiv und auf die Demagogie der drohenden Zeitenwende verweisend hört man den Komponisten, der drei Jahre später die Olympiahymne komponieren sollte, selten.

Vergrößerung in neuem Fenster

Arabella (Anja Harteros) und Mandryka (Thomas J. Mayer)

Das ist schon eine besondere Note, die Philippe Jordan da aus dem Bayerischen Staatsorchester herausholt. Der Rest bleibt dann doch der große Strauss-Ton und die anrührende Komödie. Dabei ist Anja Harteros, die auch in Salzburg und Dresden als Arabella gefeiert wird, hier vielleicht eine Spur selbstbewusster als üblich. Ihre Unterordnung ("Du sollst mein Gebieter sein") hat ihren Preis. Dieses Misstrauen, mit der er ihr am Anfang ihrer Beziehung begegnete, wird sie sich mit Zins und Zinseszins vergelten lassen. Wenn sie ihm am Ende das Glas Wasser nicht reicht, sondern ins Gesicht schüttet, dann wird die Verlobungsgeste aus den slawonischen Dörfern zur ersten Runde in einem wohl immerwährenden Ringen um das letze Wort. Und wenn beide dann das Treppenkreuz von verschiedenen Seiten aus stürmen, um sich an der Kreuzung zu treffen, um dann weiter zu rennen, dann darf man das gerne als ein Bild für den offenen Ausgang noch jeder Liebesbeziehung betrachten.

Foto

Ensemble: Ein Tanz auf dem Vulkan auf steiler Treppe

Szenisch ist diese Arabella also eher von der Sorte "karg mit Hintersinn". Womit ein Gegengewicht zur musikalischen Opulenz vorgegeben ist. Die Besetzung ist auf Münchner Niveau. Man kann an Nuancen immer mäkeln, aber insgesamt rechtfertigt das Gehörte den Jubel des Premierenpublikums. Anja Harteros hat die Arabella mittlerweile verinnerlicht, sie hat die hohen Töne und den langen Atem und den Charme der anspruchsvollen Braut. Bei Hanna-Elisabeth Müllers Zdenka stellte sich die Faszination, die sie in Salzburg auslöste, so nicht wieder ein, weil sie sich vom zupackenden Zugriff Jordans zu sehr ins dramatisch Scharfe drängen lies. Doris Soffel steht ihre Adelaide mit viel komödiantischer Verve durch. Bei Thomas J. Mayers Mandryka hat man manchmal das Gefühl, dass er das in ein paar Jahren noch besser hinbekommt - gleichwohl ist er schon jetzt erstklassig. Auch Joseph Kaiser ist ein schmachtender Matteo, Eir Inderhaug garniert ihre Fiakermilli-Koloraturen mit zünftigen Peitschenhieben, aber auch das Grafentrio und die Kartenaufschlägern fügen sich in dieses Ensemble.

FAZIT

Auf den ersten Blick ist die Bühnenästhetik dieser Arabella gewöhnungsbedürftig. Sie lässt aber der Musik und den Sängern den Raum, sich zu entfalten.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philippe Jordan

Inszenierung
Andreas Dresen

Bühne
Mathias Fischer-Dieskau

Kostüme
Sabine Greunig

Licht
Michael Bauer

Chor
Sören Eckhoff

Dramaturgie
Rainer Karlitschek



Chor der Bayerischen Staatsoper

Bayerisches Staatsorchester


Solisten

Graf Waldner
Kurt Rydl

Adelaide
Doris Soffel

Arabella
Anja Harteros

Zdenka
Hanna-Elisabeth Müller

Mandryka
Thomas J. Mayer

Matteo
Joseph Kaiser

Graf Elemer
Dean Power

Graf Lamoral
Steven Humes

Die Fiakermilli
Eir Inderhaug

Eine Kartenaufschlägerin
Heike Grötzinger

Welko
Bastian Beyer

Graf Dominik
Andrea Borghini

Jankel
Tjark Bernau

Ein Zimmerkellner
Niklas Mallmann

Djura
Vedran Lovric


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter

 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -