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La Cenerentola ossia
La Bontà in trionfo

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Jacopo Ferretti nach dem Märchen Cendrillon ou La petite pantoufle de vair
aus der Märchensammlung von Charles Perrault
Musik von Gioacchino Rossini

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 19. September 2014
(rezensierte Aufführung: 21.09.2014)

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Magie im Märchen

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Nachdem Stefano Mazzonis di Pralafera die letzte Spielzeit mit Rossinis La Gazzetta beendet hat, wird die neue Saison gewissermaßen mit der "großen Schwester" dieses Werkes eröffnet, in die Rossini ein Jahr später nicht nur die Ouvertüre übernommen hat, sondern bei der auch das in Liège erstmals wieder aufgeführte große Quintett am Ende des ersten Aktes für einen der musikalischen Höhepunkte der Oper, das berühmte Sextett "Questo è un noddo avviluppato" aus dem zweiten Akt, Pate gestanden haben dürfte. Dass La Cenerentola zu den wenigen Opern des Schwans von Pesaro gehört, die den Sprung ins Repertoire der Opernhäuser geschafft haben und mittlerweile eine fast größere Popularität erlangt als Il barbiere di Siviglia, dürfte zum einen der berühmten Märchenvorlage von Charles Perrault zu verdanken sein, der die Handlung in groben Zügen folgt, zum anderen aber auch an der Vielzahl der Interpretinnen liegen, die sich im Rahmen einer gewissen Rossini-Renaissance auf eine bewegliche Mittellage spezialisiert haben und dabei auch nicht vor halsbrecherischen Koloraturen zurückschrecken. Auch in Liège hat man für diese Neuproduktion ein Ensemble verpflichtet, dass mit der musikalischen Ausgestaltung den Saal regelrecht zum Toben bringt.

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Erste Begegnung zwischen Angelina-Cenerentola (Marianna Pizzolato) und Don Ramiro (Dmitry Korchak)

Während das Libretto von Jacopo Ferretti der Oper durch einige Eingriffe in die Märchenhandlung die übernatürlichen Aspekte nimmt und beispielsweise die gute Fee durch den Philosophen Alidoro ersetzt, der zum einen dem Prinzen Don Ramiro rät, mit seinem Kammerdiener Dandini die Rollen zu tauschen, um inkognito eine passende Braut für sich auszuwählen, und zum anderen Angelina-Cenerentola ermöglicht, auf dem Ball des Prinzen zu erscheinen, bauen Cécile Roussat und Julien Lubek in ihre Inszenierung zahlreiche magische, märchenhafte Momente ein. Hier ist nicht zuletzt die echte weiße Taube zu nennen, die wahrscheinlich als Anspielung auf das Märchen über die Bühne flattert. Auch Alidoro kommt in der Inszenierung vielmehr als eine Art Zauberer daher, der in seinem langen prachtvollen Mantel nicht nur ebenso edel wie der Prinz gekleidet ist, sondern auch sechs Diener an seiner Seite hat, die ebenfalls für magische Momente sorgen. Wenn dann beim Festbankett des Prinzen das aufgetischte Essen zum Leben erwacht, erinnert der Schwan, der sich heftig gegen die Gäste wehrt, bis ihm dann recht unsanft der Kopf abgehackt wird, stark an den Schwan aus der Carmina burana, der verzweifelt versucht, dem Kochtopf zu entkommen.

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Don Magnifico (Bruno de Simone) mit seinen Töchtern Clorinda (Sarah Defrise, rechts) und Tisbe (Julie Bailly, links)

Auch das Bühnenbild, für das Roussat und Lubek ebenso wie für die fantasievollen Kostüme und die Beleuchtung verantwortlich zeichnen, fängt den märchenhaften Charme der Inszenierung bezaubernd ein. Durch Einsatz der Drehbühne wird das Haus des Don Magnifico insgesamt in drei Bereiche unterteilt. Der erste Teil zeigt einen Flur, in dem zunächst eine riesengroße Wanne steht, in der Clorinda und Tisbe ein Bad nehmen. Im zweiten Bereich wird ein Innenhof mit einem Brunnen sichtbar. Hier tritt der Prinz durch einen großen Heuballen am Rande der Bühne auf. Der dritte Bereich zeigt dann Don Magnificos Schlafzimmer, wobei eine Vielzahl von großen Koffern als Treppe vom Balkon zum Bett herabführt. Für den Palast des Prinzen wird vor einen der Bereiche eine Treppe mit rotem Teppich gesetzt, die zu einem riesigen roten Thron emporführt. Dass Dandini in der Verkleidung als Prinz dabei einen überdimensionalen großen Hut im Stile Napoleons trägt, mag eine Anspielung auf die Entstehungszeit der Oper sein. Weniger märchenhaft ist allerdings das Kleid, in dem Angelina-Cenerentola auf dem Ball erscheint. Mit der Blume und dem Zweig auf dem Kopf erinnert sie eher an ein kauziges Waldwesen als an eine bezaubernde Frau, der sowohl der falsche als auch der echte Prinz zu Füßen liegen. Wenn der Prinz sie am Ende zu seiner Braut wählt, wird sogar vollständig auf eine neue Kostümierung verzichtet, und Angelina-Cenerentola besteigt den Thron in ihren grauen Lumpen, wobei auch der weiße Schleier, den sie trägt, den Eindruck erweckt, als habe er lange in der Asche gelegen.

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Angelina-Cenerentola (Marianna Pizzolato, rechts) darf nicht mit zum Ball des Prinzen (von links: Tisbe (Julie Bailly), Don Magnifico (Bruno de Simone), Clorinda (Sarah Defrise) und Dandini (Enrico Marabelli), auf der rechten Seite: Don Ramiro (Dmitry Korchak)).

Magisch hingegen gelingen die Abflüge mit dem Ballon, der von der Seite aus dem Schnürboden herabgelassen wird, und zunächst Angelina-Cenerentola zum Ball des Prinzen bringt, dann den Prinzen in Don Magnificos Haus führt und am Ende das glückliche Paar in den "Himmel der Liebe" entschwinden lässt. Auch der von den Tänzern dargestellte Esel, der zum ersten Mal in dichten Nebelschwaden auf dem Balkon auftaucht, wenn Don Magnifico seinen beiden Töchtern im ersten Akt von seinem Traum erzählt, und in dem sich Don Magnifico am Ende des Stückes in einem Spiegel gewissermaßen selbst erkennt, erfreut sich beim Publikum großer Beliebtheit, zumal die rot auftoupierten Haare Don Magnificos ein wenig die Form der Eselsohren annehmen. Witzig ist auch der Bezug zwischen den Feder- beziehungsweise Pelz-Boas, die Clorinda und Tisbe bei ihrem Besuch im Palast des Prinzen tragen und die genau den Tieren entsprechen, die beim Bankett zum Essen aufgetischt werden und auf den Platten zum Leben erwachen.

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Glückliches Ende für Angelina-Cenerentola (Marianna Pizzolato)

Musikalisch und darstellerisch präsentieren sich die Solisten auf hohem Niveau. Bruno de Simone ist die Buffo-Partie des Don Magnifico regelrecht auf den Leib geschrieben. Mit komödiantischem Spiel und kräftigem Bariton begeistert er in den atemberaubenden schnellen Läufen durch einen faszinierenden Parlando-Stil. Seine große Arie "Sia qualunque delle figlie", in der er sich seine glorreiche Zukunft als Schwiegervater eines Prinzen vorstellt, avanciert zu einem Höhepunkt des Abends. Sarah Defrise und Julie Bailly stehen ihm als verzogene Töchter Clorinda und Tisbe darstellerisch in nichts nach und überzeugen mit sauberem Sopran beziehungsweise fundiertem Mezzo und zickigem Spiel. Laurent Kubla verleiht dem Alidoro mit sonorem Bass große Würde. Enrico Marabelli präsentiert als Dandini die zweite große Buffo-Partie der Oper mit großem Spielwitz und weichem Bariton. Besondere Komik entwickelt er gemeinsam mit de Simone in dem großen Duett "Un segreto d'importanza", in dem Dandini Don Magnifico gesteht, dass er nur der Kammerdiener ist. Dmitry Korchak stattet den Prinzen Don Ramiro mit strahlendem Tenor aus, der nur in den Höhen ein wenig angestrengt klingt. Zwar trifft er in seiner großen Arie "Si, ritrovarla io giuro", in der er bekräftigt, dass er die schöne Unbekannte (Cenerentola) wiederfinden und heiraten werde, auch die Spitzentöne sauber, muss dabei allerdings ein bisschen forcieren.

Marianna Pizzolato ist stimmlich für die Titelpartie eine Idealbesetzung, da sie zum einen über eine fundierte Mittellage verfügt, die in den schnellen Läufen eine hervorragende Beweglichkeit aufweist, und zum anderen auch in den Höhen mit sauberen Koloraturen zu punkten weiß. So stellt sie in ihrer Schlussszene "Non piu mesta accanto al foco", in der sie ihr Glück über die Wendung ihres Schicksals ausdrückt, noch einmal die ganze Bandbreite ihrer Stimme unter Beweis und bringt das Publikum regelrecht zum Toben. Das berühmte Sextett "Questo è un noddo avviluppato" hat man schon einmal besser choreographiert gesehen, da die Solisten dabei eigentlich nur an der Rampe stehen, während sie von den Dienern Alidoros mit einem Seil verknotet werden. Stimmlich begeistern sie aber auch dabei mit punktgenauen schnellen Läufen. Das Orchester der Opéra Royal de Wallonie präsentiert unter der Leitung von Paolo Arrivabeni einen spritzigen Rossini-Sound, so dass es am Ende für alle Beteiligten frenetischen Beifall gibt.

FAZIT

Die Opéra Royal de Wallonie eröffnet die Spielzeit musikalisch und szenisch mit einem richtigen Knaller, der noch bis zum 30. September 2014 hier zu erleben sein wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paolo Arrivabeni

Inszenierung, Choreographie,
Bühne, Kostüme und Licht
Cécile Roussat
Julien Lubek

Chorleitung
Marcel Seminara

 

Herrenchor der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Angelina (Cenerentola)
Marianna Pizzolato

Don Magnifico, Baron
Bruno de Simone

Don Ramiro, Prinz
Dmitry Korchak

Dandini, sein Diener
Enrico Marabelli

Alidoro
Laurent Kubla

Clorinda
Sarah Defrise

Tisbe
Julie Bailly

Figurants - acrobates
Paula Isiegas
Rudy Goddin
Nadia Larina
Morgane Plante
Sayaka Kasuya
Alex Sander dos Santos


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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