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Madama Butterfly

Japanische Tragödie in drei Akten
Text von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach John Luther Long und David Belasco
Musik von Giacomo Puccini

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 6. Juni 2015
(rezensierte Aufführung: 26.06.2015)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Ein Schiff wird kommen

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Puccinis Madama Butterfly gehört heute zu den bekanntesten Werken der Opernliteratur, obwohl die Oper - ähnlich wie Bizets Carmen - bei der Uraufführung am 17. Februar 1904 in der Scala in Mailand ein absoluter Reinfall war, der dazu führte, dass nicht nur die weiteren Aufführungen abgesagt wurden, sondern auch Puccini und seine Librettisten dem Theater die entstandenen Kosten erstatteten und Puccini selbst sogar sein Honorar zurückzahlte. Erst die Umarbeitung der ursprünglich zweiaktigen Fassung auf drei Akte und der Verzicht auf zahlreiche politische Anspielungen mit kritischem Unterton führten dazu, dass das Werk etwa drei Monate später von Brescia aus seinen Siegeszug um die Welt antrat. Auch Norbert Hilchenbach wählt für seine Inszenierung, mit der er das Hagener Theaterpublikum in die Sommerpause schickt, die Variante, die sich auf die individuelle Tragödie einer jungen Frau konzentriert, die an ihrer unerfüllten Liebe zerbricht, versucht aber trotzdem, etwas von den politischen Anspielungen einzubauen, auf die bei der Umarbeitung verzichtet wurde.

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Erstes Zusammentreffen: Cio-Cio-San (Veronika Haller) und Pinkerton (Richard Furman, ganz rechts) (in der Mitte vorne: Sharpless (Kenneth Mattice), dahinter Damen des Opernchors)

So zeigt er beispielsweise am Beispiel von Butterflys Dienerin Suzuki, das die erotischen Abenteuer der Amerikaner mit den jungen Frauen im Fernen Osten nichts mit Liebe zu tun haben. Während Suzuki allerdings während des ersten Aktes mit einem amerikanischen Matrosen spielt und durchaus erkennt, dass es hierbei nicht um eine feste Beziehung geht, träumt Cio-Cio-San von einem Märchenprinzen und nimmt die "Heirat" mit Pinkerton so ernst, dass sie sogar zu seinem Glauben konvertiert. Dass sie von Goro, der in seinem schwarzen Leder-Outfit an einen Zuhälter erinnert, an Pinkerton nur verkauft wird, übersieht sie dabei in ihrer Naivität. Stattdessen legt sie ihre ganze japanische Identität ab und tauscht nicht nur ihren weißen Kimono gegen westliche Kleidung ein, sondern färbt sich auch die Haare blond, um ganz dem Ideal einer amerikanischen Ehefrau zu entsprechen. Doch auch wenn die amerikanische Flagge ihre Matratze verziert und diverse Fastfood-Kartons andeuten, dass sie sich auch ernährungstechnisch dem Westen angepasst hat, zerplatzt ihr Traum wie eine Seifenblase. Zum Selbstmord zieht sie folglich erneut einen schwarzen Kimono an und tötet sich im Stil ihrer Vorfahren. Ob sie das vor den Augen Pinkertons tun muss, der in der Schlussszene mit dem gemeinsamen Kind auf dem Arm erscheint, ist sicherlich diskutabel.

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Traute Zweisamkeit: Cio-Cio-San (Veronika Haller) und Pinkerton (Richard Furman)

Peer Palmowski hat für die Inszenierung ein eindrucksvolles Bühnenbild geschaffen, das auf orientalischen Kitsch verzichtet. Ein Holzsteg führt zum von Pinkerton erworbenen Steghaus, das nur durch den Boden angedeutet wird, der über einer komplett gefluteten Bühne steht. Wände können dabei mittels Fernbedienung aus dem Schnürboden herabgelassen werden und in verschiedene Positionen gebracht werden. Dass Pinkerton selbst mit dieser hochmodernen japanischen Technik nicht zurechtkommt, mag eine ironische Anspielung auf die heutige Zeit sein. Ein einsamer japanischer Kirschblütenbaum verbreitet ebenso einen Hauch fernöstlicher Exotik wie das Feuerwerk, dass anlässlich der Hochzeit eindrucksvoll aus dem Schnürboden gezündet wird. Doch im zweiten Akt sind auch diese Ansätze von Glitter und Tand vollständig verschwunden. Der Baum hat seine Blätter verloren und deutet in seiner Kahlheit an, dass man nun in der bitteren Realität angekommen ist. Die geflutete Bühne ist mit kleinen Papierschiffchen übersät, die für Butterflys Hoffnung auf Pinkertons Rückkehr stehen. Wenn Cio-Cio-San dann erfährt, dass Pinkerton tatsächlich nach Japan zurückgekehrt ist, lässt sie Suzuki die ganzen Papierschiffe einsammeln. Doch als sie nach der gemeinsam durchwachten Nacht erkennen muss, dass Pinkerton nicht zu ihr zurückkehren wird, ist es ihr kleiner Sohn, der die Papierschiffe wieder ins Wasser wirft.

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Vergebliches Warten: Cio-Cio-San (Veronika Haller, links) mit ihrem Sohn (Sami Seyhan) und Suzuki (Kristine Larissa Funkhauser, rechts)

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf gutem Niveau, auch wenn David Marlow mit dem Philharmonischen Orchester Hagen Puccinis Musik vielleicht ein bisschen zu wuchtig aus dem Orchestergraben ertönen lässt. Dennoch können sich die Solisten größtenteils dagegen durchsetzen. Das Theater Hagen kann stolz darauf sein, dass man die Titelpartie mit einem Ensemblemitglied hochkarätig besetzen kann. Veronika Hallers Sopran lässt in der berühmten Arie im zweiten Akt "Un bel di vedremo" keine Wünsche offen. Bewegend changiert ihre Stimme zwischen großer Dramatik und jugendlicher Leichtigkeit. Gleiches gilt für ihr Spiel. So nimmt man ihr die schüchtern naive Geisha zu Beginn genauso ab wie ihren Wandel zu einer selbstbewussten Amerikanerin, die sich stolz gegen den Fürsten Yamadori durchzusetzen vermag. Doch ihre Stärke bröckelt, wenn sie erkennt, dass Pinkerton eine andere Frau geheiratet hat. Ihren Stolz bewahrt sie sich allerdings, geht damit zielstrebig in den Tod und rührt das Publikum so sehr, dass es am Ende einen Moment innehält, bevor es in großen Applaus ausbricht. Die Partie des Pinkerton ist zumindest charakterlich im Gegensatz dazu eine absolut undankbare Rolle. Wenn man allerdings über einen Tenor wie Richard Furman verfügt, kann man der Figur doch einiges nachsehen. Mit strahlendem Glanz begeistert Furman in den Höhen und gibt stimmlich eine Rechtfertigung dafür, warum Butterfly seinem Charme erliegt. Während Furman im ersten Akt mit langen blonden Haaren und einem blauen gemusterten Hemd ein wenig an einen Hippie aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erinnert, wirkt er im dritten Akt mit kurzen Haaren wesentlich gesetzter.

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Endgültige Trennung: Cio-Cio-San (Veronika Haller) und Pinkerton (Richard Furman, mit dem Kind (Sami Seyhan) auf dem Arm)

Kristine Larissa Funkhauser stattet Suzuki mit einem warmen Mezzo aus und kann vor allem im ersten Akt zeigen, dass die Figur weit mehr als eine treu ergebene Dienerin ist. In ihrem Spiel mit dem Matrosen beweist sie das gleiche Selbstbewusstsein, mit dem sie später ihre Herrin vor Goro und dem Fürsten Yamadori beschützt. Kenneth Mattice hat als Sharpless mit seinem leichten Bariton bisweilen Probleme, sich gegen das laut aufspielende Orchester durchzusetzen, gefällt aber mit bewegendem Spiel. Überzeugend zeigt er, dass Sharpless sich in Japan nicht wohl fühlt und seinen Aufenthalt nur mit Alkohol ertragen kann. Richard van Gemert stattet den schmierigen Goro mit beweglichem Tenor aus. Auch Eva Trummer, Keija Xiong und Rainer Zaun überzeugen in den kleineren Partien als Kate Pinkerton, Fürst Yamadori und Onkel Bonze. Trummer greift auch zumindest szenisch aus der Mailänder Fassung auf, dass Kate Butterfly Geld anbietet, damit sie ihr ihren Sohn überlässt. Dass der Abend dann noch länger als im Programmheft aufgeführt dauert, liegt vor allem daran, dass in Hagen Publikumspflege großgeschrieben wird. So tritt nicht nur die Dramaturgin Dorothee Hannappel vor der Vorstellung vor den Vorhang, um sich bei den Abonnenten für das entgegengebrachte Vertrauen und die Treue zum Haus zu bedanken und gleichzeitig eine schöne Sommerpause zu wünschen. Auch der Intendant Norbert Hilchenbach lässt es sich nach der Vorstellung nicht nehmen, gemeinsam mit dem Generalmusikdirektor Florian Ludwig vier Mitglieder des Hauses zu verabschieden, die nun andernorts ihren beruflichen Weg fortsetzen werden. So viel persönliche Nähe gibt es wohl nur in einem Stadttheater.

FAZIT

Norbert Hilchenbach gelingt bei seiner Umsetzung der Madama Butterfly eine Inszenierung, die einerseits nicht in fernöstlichem Kitsch ertrinkt und moderne Ansätze aufweist, andererseits aber auch das konventionell orientierte Theaterpublikum nicht vergraulen dürfte. Die Inszenierung wird in der kommenden Spielzeit ab dem 8. Oktober 2015 wieder aufgenommen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
David Marlow

Inszenierung
Norbert Hilchenbach

Bühnenbild
Peer Palmowski

Kostüme
Yvonne Forster

Licht
Ernst Schießl

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Ina Wragge

 

Opernchor und Extrachor
des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen

Statisterie des Theater Hagen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Cio-Cio-San, genannt Butterfly
Veronika Haller

Suzuki
Kristine Larissa Funkhauser

Kate Pinkerton
Eva Trummer

B. F. Pinkerton
Richard Furman

Sharpless
Kenneth Mattice

Goro
Richard van Gemert

Fürst Yamadori
Keija Xiong

Onkel Bonze
Rainer Zaun

Yakusidé
Peter Neuhaus

Kaiserlicher Kommissar
Tae-Hoon Jung

Standesbeamter
Dirk Achille

Mutter Cio-Cio-Sans
*Verena Grammel /
Gisela Ribbert

Tante
*Anja Frank-Engelhaupt /
Andrea Kleinmann

Cousine
Kisun Kim

Kind
Jan Rojewski /
*Sami Seyhan


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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