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Die spinnen, die Römer!

Musical in zwei Akten
Buch von Burt Schevelove und Larry Gelbart, deutsche Fassung von Frank Thannhäuser
Musik und Gesangstexte von Stephen Sondheim

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 18. Oktober 2014
(rezensierte Aufführung: 02.11.2014)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Schrille Komödie mit viel Klamauk

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Stephen Sondheims Musicals erleben in den letzten Jahren eine Art Renaissance auf den deutschen Bühnen. So gab es in Bielefeld beispielsweise 2012 seine Musical-Comedy Company, die vor allem an Musical-Ausbildungsstätten wegen ihrer 14 nahezu gleichgroßen Rollen geschätzt wird. Am Theater Hagen hat man sich in den vergangenen sechs Jahren nicht nur dem Musical Sweeney Todd gewidmet, das durch die Verfilmung mit Johnny Depp und Helena Bonham-Carter neuen Ruhm erlangte, sondern auch bei Into the Woods mit Guildo Horn in der Partie des Erzählers das Publikum ins Theater gelockt. In dieser Spielzeit steht nun Sondheims Erstlingswerk auf dem Programm. Nachdem sich Sondheim bereits mit den Gesangstexten zu Leonard Bernsteins West Side Story einen Namen gemacht hatte, wollte er sich Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts endlich auch als Komponist einem breiteren Publikum vorstellen. So entstand 1962 A Funny Thing Happened on the Way to the Forum. Der etwas sperrige Titel ist eine Anspielung auf die Eröffnungs-Phrase, mit der amerikanische Komiker in dieser Zeit einen Gag einleiteten. In Deutschland war es nahezu unmöglich, eine adäquate Übersetzung für den Titel zu finden. So fand die deutsche Erstaufführung unter dem Titel Auf, auf zum Forum statt, bekam in Wien den Titel Zustände wie im alten Rom und lief im Kino als Toll trieben es die alten Römer. In Hagen hat man sich nun für den Titel Die spinnen, die Römer! entschieden, der auf das berühmte Obelix-Zitat aus den Asterix-Comics zurückgeht und erstmals an der Volksoper Wien verwendet wurde.

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Hero (Tillmann Schnieders) liebt Philia (Maria Klier).

Die Geschichte ist so skurril wie der Titel und vermengt diverse Komödien des römischen Komödiendichters Titus Maccius Plautus, der um 200 v. Chr. mit seinen Werken große Erfolge feiern konnte. Der pfiffige Sklave Pseudolus sehnt sich nach seiner Freiheit. Als sein Herr, der junge Hero, sich unsterblich in die junge Philia verliebt, die der Kurtisanenhändler Lycus dem römischen Hauptmann Miles Gloriosus versprochen hat, sieht er seine Chance gekommen und verspricht Hero, ihm Philia zu beschaffen, wenn er dafür seine Freiheit erhält. Mit einer List gelingt es ihm, Philia aus Lycus' Haus zu entführen und bei Hero zu verstecken. Im Folgenden gibt er sich dem Miles Gloriosus gegenüber selbst als Händler Lycus aus und teilt ihm mit, dass die versprochene junge Frau gestorben sei. Dafür muss sich der Haussklave Hysterium als Frau verkleiden und eine tote Jungfrau imitieren. Zu allem Überfluss kehrt aber auch noch Heros Vater Senex unerwartet von dem Besuch seiner Schwiegermutter vom Land zurück, wird von der einfältigen Philia für den Hauptmann gehalten, dem sie versprochen ist, und freut sich auf ein Schäferstündchen mit der "neuen Magd". Als dann Heros und Philias Flucht vereitelt wird, scheint die Heirat zwischen dem Miles Gloriosus und dem jungen Mädchen nicht mehr zu verhindern zu sein. Doch da taucht plötzlich Erronius auf, der seit vielen Jahren auf der Suche nach seinen beiden Kindern ist, die einst von Piraten entführt worden sind. An einem Ring identifiziert er Philia als seine Tochter und den Hauptmann als seinen Sohn, also ihren Bruder. So steht einer Verbindung zwischen Philia und Hero nichts mehr im Wege, und Pseudolus kann sich über seine gewonnene Freiheit freuen.

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Doch Philia ist bereits dem Miles Gloriosus (Kenneth Mattice, Mitte, mit Mitgliedern des Chors) versprochen.

Das Regie-Team um Annette Wolf scheint dem Wortwitz und der Situationskomik des Originals nicht zu trauen und wählt eine eher schrille Umsetzung, die allzu häufig in Klamauk abdriftet. In Anlehnung an das Comic-Zitat im Titel wird während der Ouvertüre, zur Pause und am Ende jeweils eine riesige Sprechblase auf eine Leinwand vor der Bühne projiziert, die die für die Comicsprache typischen lautmalerischen Einwürfe enthält und wie in den Asterix-Heften auch lateinische Ausdrücke aufgreift. Auch die drei knallbunten Häuser auf der Drehbühne haben Sprechblasen auf den Dächern. Wieso Wolf Pseudolus zu Beginn wie einen Showmaster einer Game-Show im glitzernden Sakko auftreten lässt, bleibt genauso unverständlich wie das große gelbe Fragezeichen, das vor den Häusern in Bühnenboden prangt und später auch in Form eines Würfels von Hero über die Bühne getragen wird. Lena Brexendorff gestaltet bei den Kostümen eine regelrechte Materialschlacht, die bei den römischen Bürgern grundsätzlich gut umgesetzt wird. Die Kurtisanen Geminaes aber als siamesische Zwillinge mit zwei riesigen Brüsten auszustatten oder Panacea als Conchita Wurst in einer rosafarbenen Wurstpelle mit gelber Senfflasche auftreten zu lassen, wirkt dann doch arg platt und trifft den Humor des Stückes eigentlich überhaupt nicht mehr. Genauso überflüssig ist der Papst auf dem Weg ins Bordell.

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Die spinnen wirklich, die Römer (von links: Lycus (Rolf A. Scheider), Senex (Christoph Scheeben), Pseudolus (Rainer Zaun) und Hysterium (Richard van Gemert)).

Zum Glück verfügt die Produktion über ein spielfreudiges Ensemble, das den einen oder anderen Gag dann doch noch vor der absoluten Peinlichkeit retten kann. Maria Klier gestaltet die begehrenswerte Philia als eine wunderbar einfältige junge Frau, die deutlich macht, dass ihre einzige Aufgabe darin besteht, schön zu sein. Wie sie die naive Dummheit dieser kretischen Jungfrau, die die Zahlen fünf und drei nicht auseinander halten kann und trotz ihrer Liebe zu Hero sich dem Hauptmann, den sie gar nicht kennt, verpflichtet fühlt, wird von Klier mit großer Komik umgesetzt. Auch wenn sie zu Beginn der Vorstellung als leicht erkältet angesagt wird, lässt sie davon stimmlich mit ihrem mädchenhaften Sopran nichts merken. Tillmann Schnieders gibt als Hero einen nicht minder naiven kongenialen Gegenpart zu Klier ab. Kenneth Mattice ist als Miles Gloriosus eher eine Karikatur desselben. Der Sprachwitz der Partie, den Wolff in Anlehnung an Monty Python mit der Vertauschung der "P"- und "B"-Konsonanten einzubauen versucht, scheitert leider an Mattices mangelnder deutscher Diktion. Dass Werner Hahn als Erronius in seinem sackförmigen Kostüm und mit dem langen Bart eher an einen Neandertaler als an einen Römer erinnert, der jahrelang auf Reisen war, zählt ebenso zu den eher albernen Regie-Einfällen wie die Tatsache, ihn mit einer aufblasbaren Gehhilfe auszustatten. Darstellerisch setzt Hahn diese Partie aber trotzdem großartig um und erinnert in seiner Komik schon beinahe an Buster Keaton aus der Kinoverfilmung.

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Finale: vordere Reihe von links: Miles Gloriosus (Kenneth Mattice), Erronius (Werner Hahn), Domina (Marilyn Bennett), Pseudolus (Rainer Zaun), Senex (Christoph Scheeben), Philia (Maria Klier), Hero (Tillmann Schnieders), Hysterium (Richard van Gemert), Lycus (Rolf A. Scheider) und Vibrata (Zinaida Opanasenko), dahinter: der Chor)

Mit Rainer Zaun und Richard van Gemert verfügt das Haus über zwei Vollblutkomödianten, die mit den eher platten Regie-Einfällen versöhnen können. Ob van Gemert als Chefsklave Hysterium, der häufig im Stück auch als Eunuch bezeichnet wird, tatsächlich der von ihm verehrten Herrin Domina auch sexuell zugetan ist, ist zwar fraglich, wird von van Gemert aber mit bewegendem Spiel umgesetzt. Seine besten Momente hat er dann, wenn er als Jungfrau Philia verkleidet dem Hauptmann als Leiche präsentiert werden soll, und seine größte Angst darin besteht, dass der Hauptmann die verstorbene Braut noch einmal küssen will. Der Moment, in dem der Hauptmann seiner vermeintlichen Braut dann in den Schritt fasst, ist einer der wenigen Momente, in denen die Situationskomik wirklich auf den Punkt getroffen wird. Zaun begeistert als Pseudolus mit kräftigem Bariton und unglaublicher Kondition, mit der er ohne Unterlass über die Bühne hetzt. Seine großartige Mimik und Gestik erinnert dabei ein wenig an Louis de Funès. Marilyn Bennett macht ihrem Namen als Domina mit herrischem Spiel alle Ehre, und auch die übrigen Solisten und der Chor gefallen durch große Spielfreude. Musikalisch bleiben vor allem die Eröffnungsnummer "Komödie gibt's heut" ("Comedy Tonight") und das romantische Duett von Hero und Philia "Lieblich" ("Lovely") im Ohr.

Das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel könnte im Bereich der Bläser zumindest in der Ouvertüre und dem Instrumentalstück nach der Pause noch etwas präziser klingen. Ansonsten hat man den Eindruck, dass das Hagener Publikum der Aufführung mit großer Begeisterung folgt, auch wenn in dieser vierten Vorstellung für eine Sonntagnachmittagveranstaltung ungewöhnlich viele Plätze frei blieben. Ob das an dem wunderbaren Novemberwetter, dem verkaufsoffenen Sonntag in Hagen, dem mangelnden Bekanntheitsgrad des Werkes oder an der etwas zu klamaukigen Umsetzung gelegen hat, kann nur gemutmaßt werden.

FAZIT

Die Hagener Inszenierung bietet klamaukige Unterhaltung, wobei ein Großteil der Musik nicht im Ohr bleibt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Regie
Annette Wolf

Choreographie
Alfonso Palencia

Ausstattung
Lena Brexendorff

Licht
Achim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Ina Wragge

 

Opernchor
des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen


Solisten

Pseudolus, Sklave des Hero
Rainer Zaun

Senex, römischer Bürger
Christoph Scheeben

Domina, seine Frau
Marilyn Bennett

Hero, deren Sohn
Tillmann Schnieders

Hysterium, Chefsklave in Senex' Haus
Richard van Gemert

Lycus, Kurtisanenhändler
Rolf A. Scheider

Philia, kretische Jungfrau
Maria Klier

Miles Gloriosus, römischer Hauptmann
Kenneth Mattice

Erronius, römischer Bürger
Werner Hahn

Tintinabula, Kurtisane
Vera Käuper-de Bruin

Panacea, Kurtisane
Christina Léa Meier

Geminaes, Kurtisanen
Britta Huy
Kisun Kim

Vibrata, Kurtisane
Zinaida Opanasenko

Gymnasia, Kurtisane
Sophia Leimbach

Hauptsklaven, Hauptsoldaten,
Eunuchen
Anja Frank-Engelhaupt
Verena Grammel
Bumchul Kim
Wolfgang Niggel

Eunuchen des Lycus
Dirk Achille
Sebastian Joest

Spinne
Gisela Ribbert

Papst
Matthew Overmeyer

Lehrer
Peter Neuhaus

Schulmädchen und Touristen
Andrea Kleinmann
Eva Trummer
Arletta Walczewski

Schuljungen und Touristen
Krzysztof Jakubowski
Götz Vogelgesang

Fahnenträger
Andrea Kleinmann
Arletta Walczewski
Johan de Bruin

Bürger
Andrea Kleinmann
Gisela Ribbert
Eva Trummer
Arletta Walczewski
Krzysztof Jakubowski
Mathias Meffert
Götz Vogelgesang

Neugierige
Gisela Ribbert
Eva Trummer
Mathias Meffert
Peter Neuhaus
Matthew Overmeyer
Egidijus Urbonas

Engel
Gisela Ribbert
Eva Trummer
Krzysztof Jakubowski
Mathias Meffert
Peter Neuhaus
Matthew Overmeyer

Mafiosi
Johan de Bruin
Peter Neuhaus

Gefangene
Dirk Achille
Johan de Bruin
Krzysztof Jakubowski
Sebastian Joest
Tae-Hoon Jung
Bumchul Kim
Mathias Meffert
Peter Neuhaus
Wolfgang Niggel
Matthew Overmeyer
Egidijus Urbonas
Götz Vogelgesang

Soldaten
Tae-Hoon Jung
Götz Vogelgesang

Hawaiianer
Anja Frank-Engelhaupt
Verena Grammel
Britta Huy
Vera Käuper-de Bruin
Kisun Kum
Sophia Leimbach
Christine Léa Meier
Zinaida Opanasenko
Dirk Achille
Sebastian Joest
Bumchul Kim
Wolfgang Niggel

Ein Herr der Technik
Peter Neuhaus

Matrose
Bumchul Kim


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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