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Die Entführung aus dem Serail

Singspiel in drei Aufzügen
Text von Christoph Friedrich Bretzner bearbeitet von Johann Gottlieb Stephanie dem Jüngeren
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 6. September 2014


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Serail als goldener Käfig

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Als Kaiser Joseph II. 1778 die Gründung eines "deutschen Nationalsingspiels" veranlasste, um die vorherrschende italienische Oper durch deutschsprachige Stücke zu ersetzen, hielten auch in diesem Genre sehr schnell die sogenannten "Türkenopern" mit ihren exotischen Sujets Einzug. Das berühmteste Werk dieser Gattung dürfte Mozarts Entführung aus dem Serail sein, das dieser im Auftrag des Kaisers für Wien komponierte, sehr zum Ärger des Librettisten Christoph Friedrich Bretzner, der ein Jahr zuvor für die "komische Operette" Belmonte und Konstanze oder Die Entführung aus dem Serail zur Musik von Johann André den Text verfasst hatte, den Johann Gottlieb Stephanie der Jüngere gemeinsam mit Mozart für die neue Komposition gnadenlos ausschlachtete - allein zehn Gesangsnummern wurden größtenteils wortgetreu übernommen. Doch Bretzners Protest gegen die Missachtung seiner Rechte und die Androhung weiterer Maßnahmen blieben ohne Folgen. Denn der dritte Akt der Entführung wich bei Stephanie/Mozart wesentlich von Bretzners Vorlage ab. Stellte sich bei Bretzner Belmonte am Ende als Sohn des Bassa heraus, was das glückliche Ende zwangsläufig einleiten musste, löst Stephanie den Konflikt im Sinne des Humanismus, indem der Bassa in Belmonte den Sohn seines Erzfeindes erkennt und sich dennoch als aufgeklärter Mensch gegen die Rache entscheidet.

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Osmin (Martin Js. Ohu, oben) misstraut Pedrillo (Richard van Gemert, unten).

Thomas Weber-Schallauer macht in seiner Inszenierung sowohl in der Personenregie als auch im Bühnenbild deutlich, dass diese Entscheidung dem Bassa keineswegs leicht fällt. Das Serail ist im Bühnenbild von Jan Bammes ein riesiger goldener Käfig, der von einer hohen kreisrunden weißen Wand umgeben ist. In diesem goldenen Käfig bettet Bassa Konstanze zwar auf Rosen, was aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass sie seine Gefangene ist und er schon von ihr erwartet, dass sie früher oder später seinem Begehren nachgibt. Wenn Konstanze dann auf die Drohungen des Bassa ihre berühmte Arie "Martern aller Arten" erwidert, lässt er sie kurzerhand von seinen anderen Frauen in einen schwarzen Hidschab einkleiden und entsorgt ihre zahlreichen Bücher, die wahrscheinlich für ihre westliche Kultur stehen sollen. Auch ein letztes Buch, das Konstanze noch zu retten versucht, entreißt er ihr. Doch dieses Buch scheint er nicht vernichtet zu haben, da er ihr dieses Buch am Ende, wenn er den Europäern die Freiheit geschenkt hat, wieder zurückgibt. Werner Hahn gestaltet diesen inneren Kampf des Bassa absolut glaubhaft und macht deutlich, dass Selim kein Übermensch ist und ihm die getroffene Entscheidung am Ende nicht leicht fällt.

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Blonde (Maria Klier) verarztet Osmin (Martin Js. Ohu).

Auch bei den anderen Figuren legt Weber-Schallauer großen Wert darauf, ihre Handlungen nachvollziehbarer zu machen. So zeigt sich Pedrillo zu Beginn der Oper alles andere als freundlich, wenn er zum ersten Mal auf Belmonte trifft. Zu sehr dürften ihn die Entführung durch Piraten, der Verkauf auf dem Sklavenmarkt und die ständigen Anfeindungen des Aufsehers Osmin traumatisiert haben, als dass er, wie das Libretto suggeriert, einfach nur froh darüber sein könnte, dass Belmonte plötzlich auftaucht. Auch sein Verhältnis zu Blonde ist als durchaus problematisch zu betrachten. Wenn er Osmin mit Wein außer Gefecht setzen will, zwingt er sie regelrecht zum Liebesdienst mit dem angetrunkenen Aufseher. In diesem Moment scheint er also bereit zu sein, seine Liebe für seine Freiheit zu opfern. Blonde ist davon natürlich alles andere als begeistert, obwohl sie in ihrem ersten Duett mit Osmin, in dem sie seine Kopfverletzung verbindet, zu ihrem eigenen Erschrecken feststellt, dass ihr der mürrische Aufseher eigentlich gar nicht so unsympathisch ist. Maria Klier arbeitet als Blonde diese widerstreitenden Gefühle sehr differenziert heraus.

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Konstanze (Sarah Längle) bittet den Bassa (Werner Hahn) um Geduld.

Und Konstanze? Auf den ersten Blick mag es vielleicht ein bisschen viel sein, wenn Weber-Schallauer sie mit Dornenkrone und blutigen Händen wie den leidenden Christus in Szene setzt. Allerdings trägt sie die Dornenkrone erst bei ihrer großen Arie "Martern aller Arten", in der sie bereit ist, für ihre Überzeugungen auch den Tod in Kauf zu nehmen. Am Ende will sie sich ja auch sogar für Belmonte opfern und bittet den Bassa lediglich um das Leben des Geliebten. Genau betrachtet liegt damit eine Parallele zu einem Märtyrer, der für seinen Glauben stirbt, gar nicht so fern. Ob Belmonte nun bei seinem ersten Auftritt Konstanzes Namen in großen roten Buchstaben an die weiße Außenwand des Serails schreiben muss, ist sicherlich diskutabel. Zum einen hätte das Publikum diese Information sicherlich nicht gebraucht, um zu wissen, warum er hergekommen ist. Zum anderen wird nicht nachvollziehbar, wieso der stets skeptische Osmin nur bemüht ist, die Schmiererei von der Wand zu entfernen, ohne den Bassa vor einer eventuell bevorstehenden Gefahr zu warnen. Selbst wenn er nicht lesen kann, verschwindet die Schrift im weiteren Verlauf des Stückes ja nicht, und der Bassa hätte sicherlich früher Belmontes Absichten erkannt und ihn nicht als Baumeister eingestellt.

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Fluchtversuch aus dem Serail: Belmonte (Kejia Xiong) und Konstanze (Sarah Längle)

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf gutem Stadttheaterniveau. Kejia Xiong stattet den Belmonte mit einem lyrischen Tenor aus, der auch die Höhen sauber aussingt, ohne dabei zu forcieren. In den Höhen hat Richard van Gemert als Pedrillo leichte Probleme, was sich vor allem bei seiner Arie "Frisch zum Kampfe" äußert. Die kleinen stimmlichen Defizite macht er allerdings durch überzeugendes Spiel wieder wett. Sarah Längle stattet die Konstanze mit sauber gesungenen Koloraturen aus. In der Mittellage fehlt ihr allerdings ein wenig dramatisches Volumen für die Partie. So kommt ihr Sopran manchmal nicht über den Orchestergraben, und stellenweise ist der gesungene Text nicht zu verstehen. Hier wären Übertitel hilfreich gewesen. Maria Klier gefällt als Blonde mit kessem Spiel und leuchtendem Sopran. Auch in der Mittellage verfügt sie über ausreichendes Volumen, so dass sie stets sehr textverständlich bleibt. Star des Abends ist Martin Js. Ohu als Osmin, der den mürrischen und stets bedrohlichen Aufseher Osmin als einen im tiefsten Innern gar nicht so üblen Kerl gestaltet und ihn mit markantem Bass ausstattet. Florian Ludwig führt das Philharmonischer Orchester Hagen mit gewohnt sicherer Hand durch die Partitur, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Dem Theater Hagen gelingt ein überzeugender Saisonstart mit einer durchdachten Inszenierung und einer musikalisch zufriedenstellenden Leistung.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Ludwig

Regie
Thomas Weber-Schallauer

Bühnenbild
Jan Bammes

Kostüme
Christiane Luz

Licht
Achim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Imme Winckelmann

 

Opernchor
des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen


Solisten

Selim, Bassa
Werner Hahn

Konstanze, Geliebte des Belmonte
Sarah Längle

Blonde, Mädchen der Konstanze
Maria Klier

Belmonte
Kejia Xiong

Pedrillo, Bedienter des Belmonte
und Aufseher über die Gärten des Bassa

Richard van Gemert

Osmin, Aufseher über das Landhaus
des Bassa

Martin Js. Ohu


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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