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Die Comedian Harmonists
Teil 2 - Jetzt oder nie


Schauspiel mit Musik
Buch von Gottfried Greiffenhagen
Musikalische Einrichtung und Arrangements von Jörg Daniel Heinzmann

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 28. März 2015
(rezensierte Aufführung: 01.04.2015)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Und immer noch Koffer

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Die Musik der Comedian Harmonists erfreut sich nicht erst seit der Verfilmung der Erfolgsgeschichte des wohl berühmtesten deutschen Vokal-Ensembles durch Joseph Vilsmaier im Jahr 2002 wieder wachsender Begeisterung. Seit Franz Wittenbrink 1997 in der "Komödie am Kurfürstendamm" in Berlin den kometenhaften Aufstieg und Fall dieser ersten deutschen Boygroup in seinem musikalischen Schauspiel zur Uraufführung gebracht hat, sorgt dieses Stück, egal wo es auf dem Spielplan steht, für ausverkaufte Vorstellungen, so auch in Hagen in der Inszenierung von Thomas Weber-Schallauer, die vor drei Jahren Premiere feierte. Nun gibt es eine Fortsetzung mit dem nahezu gleichen Team, wobei man sich allerdings fragt, wie sich die Geschichte wohl fortführen lassen soll, da Wittenbrinks Schauspiel ja mit der Auflösung der Gruppe nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten endet. Folglich erzählt der zweite Teil auch nicht die Geschichte der Comedian Harmonists als Ensemble, sondern beschreibt den Weg der einzelnen Mitglieder nach der Auflösung der Gruppe. Mit Blick auf den Untertitel Jetzt oder nie muss man dabei wohl traurig feststellen, dass es für das einst so erfolgreiche Sextett dann doch leider "nie" bedeutet hat.

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Der alte Harry Frommermann (Klaus Brantzen) erinnert sich.

Gottfried Greiffenhagen, von dem auch das Buch zu Wittenbrinks Schauspiel stammt, lässt in der Fortsetzung den alten Harry Frommermann Revue passieren, was nach der Trennung der Comedian Harmonists geschah. Die jüdischen Mitglieder der Gruppe emigrierten nach Österreich, wo sie mit drei neuen Mitstreitern die Comedy Harmonists gründeten und in den Folgejahren in Europa und Australien an die großen Erfolge des Vorgängerensembles anknüpfen konnten. Die Tournee durch die USA im Jahr 1940 hingegen machte deutlich, dass den Sängern bei der englischen Sprache der deutsche Akzent hinderlich war. Die sinkende Resonanz beim Publikum und ein Zwist zwischen Erich Collin und dem neuen Bass Rudolf Mayreder führten dann noch 1940 zur Auflösung der Gruppe. Doch auch für den in Deutschland verbliebenen Teil der Gruppe stellten sich keine großen Erfolge mehr ein. Mit ebenfalls drei neuen Sängern, die Robert Biberti bereits in einer Anzeige gesucht hatte, bevor die ehemaligen Kollegen Deutschland verlassen hatten, versuchten Biberti, Leschnikoff und Bootz, als Meistersextett an die große Zeit der Comedian Harmonists anzuknüpfen. Aber das Repertoire der Gruppe wurde durch die ideologischen Maßgaben des NS-Regimes stark eingegrenzt, da sämtliche Titel, an denen ein Jude als Textdichter oder Komponist beteiligt war, verboten waren. Diese Einschränkungen und zahlreiche persönliche Querelen zwischen den einzelnen Mitgliedern führten auch beim Meistersextett schließlich zur Auflösung.

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"Ali Baba": Die Comedy Harmonists: von links: Björn Christian Kuhn (Hans Rexeis), Jan Andreas Kemna (Harry Frommermann), Christoph Scheeben (Rudolf Mayreder), Richard van Gemert (Roman Cycowski) und Olaf Haye (Erich A. Collin)

Wie im ersten Teil spielen auch in der Fortsetzung im Bühnenbild von Peer Palmowski Koffer eine zentrale Rolle. Während sich der überdimensionale Koffer, der nahezu die ganze Bühne ausfüllt, im ersten Teil jedoch öffnen und so die zahlreichen Stationen der Comedian Harmonists Revue passieren ließ, bleibt er nun geschlossen. Auf diesem Koffer befindet sich das Arbeitszimmer des alten Harry Frommermann, der, mittlerweile nach Bremen zurückgekehrt und mit seiner langjährigen Freundin Erika zusammenlebend, verzweifelt versucht, den "Hummelflug" von Rimski-Korsakow mit einem Vocal Orchestra, bei dem er allein die einzelnen Instrumente nachahmt, aufzunehmen. In einer Retrospektive erlebt der Zuschauer nun, wie es mit den einzelnen Mitgliedern der Comedian Harmonists weiterging. Die sechs Solisten, die zu Beginn wie Wachsfiguren auf der Bühne stehen, erwachen zu neuem Leben und nehmen gemeinsam ihre letzte Platte auf, bevor es zum endgültigen Bruch kommt. Diese Szene kommt einem noch aus dem vorhergehenden Stück sehr bekannt vor.

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"Ich wollt' ich wär' ein Huhn": Das Meistersextett: von links: Andres Reukauf (Erwin Bootz), Richard van Gemert (Walther Blanke), Björn Christian Kuhn (Ari Leschnikoff), Christoph Scheeben (Robert Biberti), Olaf Haye (Richard Sengeleitner) und Jan Andreas Kemna (Janosch Kerekes)

Doch dann wird es für die Inszenierung des Stückes kompliziert. Lässt man die neuen Mitglieder der Comedy Harmonists und des Meistersextetts von den gleichen Solisten spielen wie die alten Gruppenmitglieder? Worin besteht dann der Unterschied zur alten Gruppe? Wie soll deutlich gemacht werden, dass die einzelnen Ensembles schon aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht an die alten Erfolge der Comedian Harmonists anknüpfen können? Für den Zuschauer bleiben die sechs Sängerdarsteller eigentlich immer dieselben, auch wenn sich beispielsweise Christoph Scheeben als neuer Bass Rudolf Mayreder mit österreichischem Dialekt im Spiel stark zurücknimmt, um einen Unterschied zum dominanten Robert Biberti herauszuarbeiten. Es ist also die Frage, ob für eine überzeugende Umsetzung des Stückes nicht eigentlich mit zwölf Sängerdarstellern hätte gearbeitet werden müssen, was allerdings sicherlich die Kapazitäten eines Theaters sprengen würde. Zwar gelingt es Thomas Weber-Schallauer in der Personenregie deutlich zu machen, welche Gruppe jeweils gerade auf der Bühne steht. Für das Publikum jedoch sind und bleiben es die Comedian Harmonists, wie es ja auch der Titel des Stückes verspricht.

Dabei hat der Abend aber auch zahlreiche bewegende Momente. Unter die Haut geht das Schicksal des Ari Leschnikoff, der in Sofia bis zu seinem Tod in völliger Armut lebte. In einem Brief bittet er seinen ehemaligen Kollegen Robert Biberti um Unterstützung. Während Scheeben den Brief laut vorliest, stimmt Björn Christian Kuhn als Ari Leschnikoff mit dem Rücken zum Publikum mit eindringlicher Stimme ein melancholisches Lied in seiner Heimatsprache an. Wie kaltschnäuzig Biberti seinem ehemaligen Kollegen Bootz später erklärt, warum er Leschnikoff nicht geholfen habe, ist erschreckend. Nahezu makaber wirkt die Szene nach der Pause, wenn das Meistersextett vor einer überdimensionalen Hakenkreuzfahne einen "neuen Frühling" besingt. In einem Schattenspiel lässt Weber-Schallauer nach diesem Lied Hitler hinter der Flagge auftreten und dem Meistersextett mitteilen, dass ihre Art der Musik in Deutschland nicht mehr erwünscht sei. Die Antwort darauf wird dann zu einem der wenigen komischen Momente des Meistersextetts: "Ich wollt' ich wär' ein Huhn".

Am Ende hört dann der alte Harry Frommermann eine Schallplatte der Comedian Harmonists und erkennt, dass das Vocal Orchestra, das er zeit seines Lebens angestrebt hat, eigentlich nur in der Musik der Comedian Harmonists seine Erfüllung gefunden hat. Gemeinsam mit der Gruppe imitiert er zu einem ruhigen Lied die Instrumente, bis er sich plötzlich ans Herz greift und spürt, dass sich sein Leben dem Ende neigt. Mühsam schleppt er sich auf den Stufen, die ebenfalls aus Koffern bestehen, zu seinem Sessel, um Erika anzurufen und sie zu bitten, sofort zu kommen. Zum Gesang der Comedian Harmonists schläft er dann friedlich im Sessel ein. Klaus Brantzen gibt dem alten Harry Frommermann eine Melancholie, die sich auf die Zuschauer überträgt, und führt mit seinen Erinnerungen bewegend durch die Geschichte. Die übrigen Rollen sind mit einer Ausnahme mit der Besetzung des ersten Teils identisch. Olaf Haye hat von Orlando Mason die Partie des Erich A. Collin übernommen und überzeugt mit beweglichem, leichtem Bariton. Richard van Gemert und Björn Christian Kuhn begeistern als Roman Cycowski und Ari Leschnikoff mit hellem Tenor und komödiantischen Einlagen bei den Liedern. Jan Andreas Kemna erweist sich als Harry Frommermann vor allem als guter Imitator von Geräuschen. Christoph Scheeben gefällt als Robert Biberti mit profundem Bass, und Andres Reukauf erweist sich als Erwin Bootz als genialer Begleiter am Flügel. So fordert das Publikum schließlich drei Zugaben ein. Nach der "Liebe der Matrosen" und einer bewegenden Umsetzung der "Barcarole" aus Hoffmanns Erzählungen gibt es dann auch noch einmal den humoristischen Höhepunkt des Abends: Ali Baba.

FAZIT

Das Stück erzählt auf kurzweilige Art, wie es mit den Mitgliedern der Comedian Harmonists nach der Trennung weiterging, kann aber an den ganz großen Erfolg des ersten Teils nur bedingt anknüpfen, was keineswegs den Solisten oder dem Regie-Team anzulasten ist.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andres Reukauf

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Ausstattung
Peer Palmowski

Choreographie
Thomas Weber-Schallauer
Alfonso Palencia

Dramaturgie
Maria Hilchenbach

 


Solisten

Der alte Harry Frommermann
Klaus Brantzen

Ari Leschnikoff
Björn Christian Kuhn

Erich A. Collin
Olaf Haye

Roman Cycowski
Richard van Gemert

Harry Frommermann
Jan Andreas Kemna

Robert Biberti
Christoph Scheeben

Erwin Bootz
Andres Reukauf


Weitere Informationen
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