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Ball im Savoy

Operette in drei Akten
Text von Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda
Musik von Paul Abraham

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 29. November 2014
(rezensierte Aufführung: 06.12.2014)


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Theater Hagen
(Homepage)
Die Sache mit der Treue

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Was wäre wohl aus Paul Abraham geworden, wenn die Nationalsozialisten in Deutschland nicht an die Macht gekommen wären? Anfang der 30er Jahre gehörte er nämlich zu den am meisten gespielten Operettenkomponisten, der mit seiner Mischung aus klassischen Operettenmelodien, Jazz und Foxtrott in Deutschland eine neue Ära des Musiktheaters eingeleitet hatte. Doch seine jüdischen Wurzeln führten dazu, dass er bald in die USA emigrieren musste und seine Werke von den Spielplänen verschwanden. Als er 1956 von schwerer Krankheit gezeichnet nach Hamburg zurückkehrte, konnte er nicht mehr an die damaligen Erfolge anknüpfen, auch wenn sich Viktoria und ihr Husar und Die Blume in Hawaii in gewisser Weise wieder im Repertoire der Bühnen etablieren konnten. Als ein selten gespielter Geheimtipp gilt seit vielen Jahren sein am 23. Dezember 1932 in Berlin uraufgeführter Ball im Savoy, der seit 2013 auch an der Komischen Oper Berlin in einer Inszenierung des Hausherrn Barry Kosky zu erleben ist. Das Theater Hagen hat diese Operette über die Treue nun ebenfalls auf den Spielplan gesetzt. Dass die Produktion allerdings am gleichen Tag Premiere feierte wie die Abraham-Ausgrabung Roxy und ihr Wunderteam im benachbarten Dortmund, dürften die Operettenfans der Gegend bedauert haben, da man so nicht an beiden Premieren teilnehmen konnte. Wesentlich beunruhigender ist aber, dass bei der zweiten Aufführung in Hagen zahlreiche Plätze im Parkett leer blieben. Lag es an der vorweihnachtlichen Zeit, die die Hagener lieber auf den angrenzenden Weihnachtsmarkt gelockt hat? Die Inszenierung von Roland Hüve und das gut aufgelegte Hagener Ensemble sind jedenfalls nicht der Grund für mangelndes Publikumsinteresse.

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Noch ist Madeleine (Veronika Haller, Mitte, mit dem Chor) glücklich. Doch über ihrer jungen Ehe ziehen bereits dunkle Schatten auf.

Hüve belässt in seiner Inszenierung die Geschichte in ihrer Zeit, ohne dabei in überbordendem Kitsch zu schwelgen. So befindet sich im hinteren Teil der Bühne ein halbrund geschwungenes Bühnenelement mit mehreren kleinen Tischen, das den Ballsaal des Hotels Savoy in Nizza darstellt. Ein weißer Fadenvorhang trennt die Wohnung des Marquis Aristide Faublas, in die er mit seiner jungen Gattin Madeleine von einer einjährigen Hochzeitsreise zurückkehrt, vom Hotel, wobei der Bühnenbildner Siegfried Mayer auf jedwedes Mobiliar verzichtet. Nur rechts und links von der Bühne befinden sich zwei Theken, die sich im zweiten Akt in die beiden Separées verwandeln, in denen Aristide mit seiner verflossenen Geliebten Tangolita und Madeleine mit dem jungen unbedarften Rechtsanwaltsgehilfen Célestin soupieren. Die Hafenstadt Venedig, die die Endstation der Hochzeitsreise im Vorspiel markiert, wird vom Ballett Hagen mit an den Kostümen befestigten Bootsteilen dargestellt. Die Barke, in der sich Aristide und Madeleine musikalisch die Frage stellen "Bist du mir treu?", verfügt dabei in der Mitte über einen Gummizug, mit dem angedeutet wird, dass die Beziehung der beiden schon direkt nach den Flitterwochen auf eine harte Probe gestellt wird. So erreicht Aristide direkt bei der Ankunft daheim ein Telegramm der Tangolita, die die Einlösung eines Schecks auf dem Ball im Savoy einfordert.

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Aristide (Johannes Wollrab) trifft sich heimlich mit seiner ehemaligen Geliebten Tangolita (Marilyn Bennett) im Savoy.

Problematisch ist für Aristide nur, wie er seiner Frau begründen soll, wieso er sie direkt am ersten Abend nach den Flitterwochen allein lassen will, um zu einem Ball im Savoy zu gehen. Da scheint sein Freund Mustapha Bei, der Attaché der türkischen Botschaft, den rettenden Einfall zu haben. Beide geben vor, im Savoy den berühmten Jazzkomponisten José Pasodoble treffen zu wollen, der dort beim Ball die Kapelle dirigieren will. Was sie allerdings nicht wissen, ist, dass sich hinter dem Jazzkomponisten Madeleines Cousine Daisy Darlington verbirgt, die unter dem Pseudonym José Pasodoble Jazz-Musik komponiert hat, um ihrem Vater zu beweisen, dass auch eine Frau im Musikgeschäft Karriere machen kann. So beschließt auch Madeleine, inkognito ins Savoy zu gehen und es dort ihrem Mann heimzuzahlen. Da kommt ihr der unbedarfte Anwaltsgehilfe Célestin gerade recht. Nachdem Daisy das Geheimnis um José Pasodoble gelüftet hat, bekennt Madeleine öffentlich, ihren Mann betrogen zu haben. Die Ehe scheint folglich bereits einen Tag nach den Flitterwochen nicht mehr zu retten zu sein. Doch Daisy, die mittlerweile eingewilligt hat, Mustaphas siebte Ehefrau zu werden, erkennt, dass sich Madeleine und Aristide im tiefsten Innern ihres Herzens immer noch lieben und eigentlich einander treu geblieben sind, und kann so durch eine List eine Versöhnung herbeiführen.

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Mustapha Bei (Bernhard Hirtreiter) ist bei den Damen (Chor) sehr beliebt und war deshalb bereits sechs Mal verheiratet.

Musikalisch lässt sich gut nachvollziehen, wieso dieses Werk als Geheimtipp gilt, da Abraham hier viele eingängige Melodien komponiert hat, die die Vielfalt seines Kompositionsstils deutlich machen. Zu nennen sind hier vor allem die großartige Tanznummer "Känguruh", mit der Daisy einen neuen Tanzstil aus den USA vorstellt. Andrea Danae Kingston hat hierfür eine spritzige Choreographie erarbeitet, die vom Ballett Hagen gemeinsam mit Kristine Larissa Funkhauser als Daisy wunderbar umgesetzt wird. Auch die immer wieder auftretende Melodie "La bella Tangolita" geht ins Ohr. Für Marilyn Bennett ist die Partie der Tangolita eine Paraderolle, da sie hier darstellerisch als Femme fatale in feuerrotem Kleid glänzen kann und auch tänzerisch mit den Männern des Balletts eine sehr gute Figur macht. Mit leicht laszivem Mezzo bringt sie die Verruchtheit dieser Frau, die bereits einen Tag nach den Flitterwochen die junge Ehe in Gefahr bringt, wunderbar zum Ausdruck. Am treffendsten kommt dann ihr Ratschlag an Madeleine, dass man die Männer zwar selbstverständlich betrüge, es der Anstand aber verbiete, darüber zu sprechen. Bernhard Hirtreiter begeistert als Mustapha Bei mit der Nummer "Wenn die Türken küssen" und im Zusammenspiel mit Funkhauser als Daisy. Dass bei seinen sechs Frauen die sechste nicht aus Berlin sondern aus Ennepetal stammt, ist wohl dem Spielort Hagen geschuldet. Warum Verena Grammel dabei allerdings trotzdem einen Berliner Dialekt imitiert, ist fraglich.

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Daisy Darlington (Kristine Larissa Funkhauser) will auf dem Ball im Savoy ihr Geheimnis lüften.

Für Johannes Wollrab als Aristide und Veronika Haller als Madeleine sind die eher ernsteren Nummern der Operette vorgesehen. Während in den Jazz- und Foxnummern eine Verstärkung durch Mikroports durchaus erstrebenswert ist, um den Text zu verstehen, wäre es bei Haller an einigen Stellen empfehlenswert gewesen, die Verstärkung zu reduzieren. Wenn sie "Toujours l'amour" besingt oder "Bist du mir treu?" fragt, übertönt sie mit ihrem kräftigen Sopran nicht nur das Orchester sondern auch ihren Gatten und den Chor, wobei letzterer übrigens nicht verstärkt wird. Unklar bleibt auch, warum Mayer sie in ein so unvorteilhafte Kostüme gesteckt hat. Die gestreifte Hose im Stil von Marlene Dietrich sticht ebenso von den ansonsten recht passend gewählten Kostümen ab wie das grau-silbrige Kleid, in dem sie als geheimnisvolle ungarische Gräfin auf dem Ball auftaucht. Darstellerisch erinnert die Partie stark an Rosalinde aus der Fledermaus. Wollrab überzeugt stimmlich und darstellerisch als Lebemann Aristide, bei dem wirklich fraglich ist, ob seine Ehe mit Madeleine auf Dauer bestehen kann. Richard van Gemert verkörpert sowohl den Diener Archibald im Haus des Marquis als auch den Kellner Pomerol im Savoy mit großem Spielwitz. Johannes Rosenzweig glänzt als schüchterner Célestin mit komödiantischem Spiel. Auch der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor überzeugt durch große Spielfreude. David Marlow bringt mit dem Philharmonischen Orchester Hagen Abrahams vielschichtige Musik zum Klingen, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt. Allerdings hätte man dem Theater bei einer solch guten Inszenierung ein volleres Haus gewünscht.

FAZIT

Dem Theater Hagen gelingt eine spritzige Umsetzung einer relativ selten gespielten Abraham-Operette, die wünschen lässt, dass dieser Komponist demnächst wieder häufiger auf den Spielplänen zu finden ist.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
David Marlow

Regie
Roland Hüve

Choreographie
Andrea Danae Kingston

Bühnenbild und Kostüme
Siegfried Mayer

Licht
Ulrich Schneider

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Dorothee Hannappel

 

Opernchor und Extrachor
des Theater Hagen

Ballett des Theater Hagen

Statisterie des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen


Solisten

Marquis Aristide de Faublas
Johannes Wollrab

Madeleine, seine Frau
Veronika Haller

Daisy Darlington, Jazzkomponistin
Kristine Larissa Funkhauser

Mustapha Bei, Attaché bei der
türkischen Botschaft in Paris

Bernhard Hirtreiter

Tangolita, eine argentinische Tänzerin
Marilyn Bennett

Archibald / Pomerol
Richard van Gemert

Célestin Formant
Johannes Rosenzweig

Die geschiedenen Frauen des
Mustapha Bei
Melanie Lopez Lopez
Sofia Romano
Kisun Kim
Ana Rocha Néné
Christine Léa Meier
Verena Grammel


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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