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La sonnambula

Melodramma in zwei Akten
Text von Felice Romani nach dem Libretto von Eugène Scribe und Jean-Pierre Aumer zu der Ballett-Pantomime La Somnambule ou L'Arrivée d'un nouveau seigneur (1827) sowie nach der Comédie-Vaudeville La Villageoise somnambule ou Les deux fiancées von Armand d'Artois und Henri Dupin (1827)
Musik von Vincenzo Bellini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere an der Oper Frankfurt am 30. November 2014
(rezensierte Aufführung: 03.01.2015)



Oper Frankfurt
(Homepage)
Wandeln auf schwankendem Boden

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller


Während Gioacchino Rossini gewissermaßen den Grundstein dafür legte, dass die italienische Oper im 19. Jahrhundert ganz Europa eroberte, kann Vincenzo Bellini als der Belcanto-Komponist schlechthin bezeichnet werden, dem nicht nur Richard Wagner zugestand, von ihm für die eigene Musiksprache profitiert und gelernt zu haben. Auch Verdis Finale im zweiten Akt von La traviata wäre wahrscheinlich ohne La sonnambula gar nicht denkbar gewesen. In Konkurrenz zu Gaetano Donizetti schuf Bellini Anfang der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts in seinen Opern Frauenschicksale, die vor allem durch eine Ausnahmesängerin Unsterblichkeit erlangten: Giuditta Pasta. Vielleicht sind es aber gerade die extremen stimmlichen Anforderungen, die dazu führen, dass Werke wie La sonnambula heutzutage eher selten auf den Spielplänen der Opernhäuser zu finden sind. Doch wenn man über eine entsprechende Sängerin verfügt, kann man mit diesen Werken zwar nicht, wie Bellini es einmal als Wunsch formuliert haben soll, das Publikum vor Rührung "durch den Gesang sterben lassen", aber dennoch einen regelrechten Coup landen. Und der heißt in Frankfurt Brenda Rae.

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Noch ist die Welt für Amina (Brenda Rae, 2. von links) und Elvino (Stefan Pop, 2. von rechts) in Ordnung (links: Teresa (Fredrika Brillembourg), Mitte: ein Notar (Simon Bode), rechts: Alessio (Vuyani Mlinde)).

Was die amerikanische Sängerin, die seit der Spielzeit 2008/09 zum Ensemble der Oper Frankfurt gehört, aus der Titelpartie herausholt, ist stimmlich und darstellerisch Weltklasse. Scheinbar mühelos bewegt sie sich durch die halsbrecherischen Koloraturen und lässt dem Zuhörer in den leisen Momenten regelrecht den Atem stocken. Wenn sie mit zartem, fast schon zerbrechlich klingendem Sopran über die Bühne wandelt, könnte man unter den Zuschauern, die an anderen Stellen nicht immer ein Husten  zu unterdrücken vermögen, eine Stecknadel fallen hören. Schon in ihrer Kavatine "A te, diletta tenera madre " im ersten Akt, wenn sie sich bei Teresa dafür bedankt, von ihr als Waisenkind aufgenommen worden zu sein, erntet Rae frenetischen Applaus. Bei der berühmten Schlafwandel-Arie "Ah! Non credea mirarti" im zweiten Akt, wenn sie Elvino erneut ihre Liebe gesteht und ihre Unschuld für alle bewiesen wird, gibt es im Publikum schon kein Halten mehr, und nach dem folgenden glücklichen Finale "Ah! Non giunge uman pensiero" reißt Rae mit ihren Koloraturen, bei denen man sich kaum vorstellen kann, wie eine menschliche Stimme sie in einer derartigen Perfektion erzeugen kann, das Publikum regelrecht von den Sitzen. Leider kann Stefan Pop als Elvino bei dieser stimmlichen Brillanz nicht ganz mithalten. Pop verfügt mit seinem Tenor zwar über eine solide Mittellage, klingt allerdings in den Höhen sehr angestrengt und lässt durch ständiges Forcieren den tenoralen Glanz vermissen. Dass er vereinzelte Unmutsbekundungen beim Schlussapplaus über sich ergehen lassen muss, hat er allerdings nicht verdient.

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Doch dann landet Amina (Brenda Rae) schlafwandelnd im Zimmer des Grafen Rodolfo (Kihwan Sim).

Die weiteren Partien sind hochkarätig besetzt. Louise Alder begeistert als Aminas Gegenspielerin Lisa mit klarem Sopran und sauberen Koloraturen. Ihre Kavatine "Tutto è gioia, tutto è festa" im ersten Akt, in der sie ihre nicht erwiderte Liebe zu Aminas Bräutigam Elvino beklagt, avanciert musikalisch zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. Kihwan Sim überzeugt als Graf Rodolfo, in dessen Zimmer die schlafwandelnde Amina landet, mit profundem Bass. Seine Kavatine "Vi ravviso, o luoghi ameni" im ersten Akt, in der er sich darüber freut, seine ehemalige Heimat wiederzusehen, gestaltet Sim mit weichen Tiefen. Auch im Duett mit Rae "Oh! Come lieto è il popolo", in dem er Aminas Zustand als Schlafwandlerin erkennt, bewegt er mit großer Innigkeit. Fredrika Brillembourg stattet die Partie von Aminas Ziehmutter Teresa mit warm timbriertem Mezzo aus. Auch der von Tilman Michael homogen einstudierte Chor weiß stimmlich zu überzeugen. Tina Lanik versteht es dabei auch, ihn als bedrohliche Masse wunderbar in Szene zu setzen. So findet sie für den Chor immer wieder beeindruckende Standbilder, die ihn nicht nur als Kommentator der Szene, sondern auch als Motor des Geschehens erscheinen lassen, der Aminas Fall vom geliebten zum geächteten Mädchen erst ermöglicht.

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Die Berggesellschaft (Opernchor) entwickelt sich für Amina (Brenda Rae, im Vordergrund) zum gefährlichen Mob.

Hierfür hat Herbert Murauer ein beeindruckendes Bühnenbild entworfen, das an den Seitenwänden eine abstrakt aufgemalte Bergwelt zeigt, die im Hintergrund durch einen mit Schnee bedeckten Berg und zeitweise herabfallenden Schnee die emotionale Kälte der Berggesellschaft widerspiegelt. Auf der Bühne befindet sich ein schräger Boden, der nach vorne gekippt und nach hinten hochgefahren werden kann und somit deutlich macht, dass niemand sich auf festem Grund bewegt und es keine Sicherheit in dieser Welt gibt. Wer heute von dieser Gesellschaft geliebt wird, kann im nächsten Moment schon in Ungnade fallen. Eine verschiebbare transparente Wand, die ebenfalls nach vorne gefahren werden kann, ermöglicht ferner, den Chor als Masse von einzelnen Figuren zu isolieren. Der Vorhang wird durch eine schwarze Wand ersetzt, den Amina während der Ouvertüre scheinbar schlafwandelnd zur Seite zu schieben scheint und damit den Blick auf die Bühne ermöglicht. Ansonsten wird auf weitere Requisiten größtenteils verzichtet. Das Hotelzimmer, in dem Rodolfo auf seinem Weg zum Schloss des Grafen die Nacht verbringt, befindet sich vor dem doppelten Boden, so dass Amina auf dem erhöhten Boden gewissermaßen wie durch ein Fenster bei Rodolfo eintreten kann. Der Wald im zweiten Akt, durch den Amina in ihrer Verzweiflung irrt, wird vom Chor in einem weiteren Standbild dargestellt.

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Amina (Brenda Rae) schlafwandelt erneut, dieses Mal auf dem Dach (im Vordergrund: Opernchor).

Dem glücklichen Ende misstraut Lanik in ihrer Inszenierung. Beim allgemeinen Jubel schiebt sich ganz langsam die schwarze Wand zwischen Amina und den Rest der Gesellschaft, so dass fraglich bleibt, ob Amina den glücklichen Ausgang der Geschichte nicht vielleicht doch nur geträumt haben könnte. Auch lässt Lanik offen, was Amina eigentlich mit Rodolfo verbindet, in dessen Bett sie ja im ersten Akt landet. Wenn sich die Wand am Ende zwischen Amina und ihren Bräutigam Elvino schiebt, steht nur noch Rodolfo mit Amina vor der Wand. Doch wenn sie ihn dann am Ende ansieht, verlässt er ebenfalls die Bühne und lässt sie allein zurück. Soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass Amina nach dem Scheitern ihrer Beziehung zu Elvino vielleicht in Rodolfo doch eine Alternative für ihr weiteres Leben sehen könnte? Die Beantwortung dieser Frage überlässt Lanik dem Zuschauer. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester präsentiert unter der Leitung von Eun Sun Kim einen wunderbaren Belcanto-Klang aus dem Graben, so dass auch das Orchester am Ende mit großem Applaus bedacht wird.

FAZIT

Brenda Rae macht aus dieser Belcanto-Oper ein Juwel, das man sich nicht entgehen lassen sollte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Eun Sun Kim

Regie
Tina Lanik

Bühnenbild
Herbert Murauer

Kostüme
Stefan Hageneier

Licht
Olaf Winter

Chor
Tilman Michael

Dramaturgie
Mareike Wink

 

Chor der Oper Frankfurt

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester


Solisten

*rezensierte Aufführung

Amina
Brenda Rae

Elvino
*Stefan Pop /
Luciano Botelho

Rodolfo
Kihwan Sim

Lisa
*Louise Alder /
Catriona Smith /
Nina Minasyan

Teresa
Fredrika Brillembourg

Alessio
Vuyani Mlinde

Ein Notar
Simon Bode



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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