Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Euryanthe

Große heroisch-romantische Oper in zwei Akten
Text von Helmina von Chézy
Musik von Carl Maria von Weber

In deutscher Sprache mit Übertiteln

Vorstellungsdauer: 3 h 30‘ (eine Pause)

Premiere an der Oper Frankfurt am 5. April 2015



Oper Frankfurt
(Homepage)
Schach der Königin

Von Joachim Lange / Fotos von Monika Rittershaus


Ein zweiter Freischütz ist die Euryranthe Carl Maria von Webers (1786-1826) nicht. Da ist sich die Nachwelt in ihren Spielplänen ziemlich einig. Was zumeist der Librettistin angelastet wird. Wobei man ja auch beim gerne zur deutschen Nationaloper hochstilisierten „Freischütz“ gelegentlich besser über den Text hinweghört. Bei den Librettisten hatte halt nicht jeder so ein Glück wie Strauss mit seinem Hofmannsthal. Oder Wagner mit sich selbst. Doch beim „Freischütz“ halten die Arien und Chöre sich so stabil in den Charts, dass das alle Einwände ausgleicht. Hinzu kommt die Gewöhnung. Für die große heroisch-romantische Oper in zwei Teilen „Euryanthe“ von 1823 hat Helmina de Chézy nicht nur gefühlig gereimt, was das Zeug hält. Sie ist auch ziemlich weit vom Pfad einer klar erzählten Geschichte abgekommen. In heutigen Ohren klingt das Ganze mitunter nach Parodie.

Bild zum Vergrößern

Adolar und Euryanthe im Glück

In Frankfurt aber ist es dem Regisseur Johannes Erath gelungen, dieses Stück, ohne in den Text einzugreifen, so ernst zu nehmen, dass niemand gelacht hat. Aber doch die allgemeine Freude über einen höchst gelungenen Opernabend triumphiert. Er hat es sogar geschafft, bei der überlang wirkenden Geschichte die Spannung auch dann noch zu halten, als die Titelheldin nach dem Triumph der Finsterlinge über die reine Unschuld am Boden ist. Und es unbarmherzig so lange weiter geht, bis das finstere Paar Lysiart und Eglantine zur Strecke gebracht und Euryanthe auf dem Sockel der allgemeinen Verehrung weiblicher Reinheit durch eine ziemlich scheinheilige Männergesellschaft in unerreichbare Ferne gerückt ist. Ein Schauerstück. Auch dramaturgisch. Dem kommt man nur mit einer pfiffigen Idee bei, damit das Publikum nicht auf der Strecke bleibt. Oder an diesem dreieinhalb Stunden langen Abend nicht während der Pause abhanden kommt. Diese tragende Idee hat Regisseur Johannes Erath. Und er hat Stefan Herheims Ausstatterinnen-Dreamteam Heike Scheele (Bühne) und Gesine Völlm (Kostüme) an seiner Seite. Was schon mehr als die halbe Miete ist! Es ist einfach grandios, was die beiden da in Frankfurt an Opulenz auf die Bühne bringen und wie Erath diesen Rahmen für großes Theater nutzt. Erath und sein Team nehmen den Eingangschor, der einen gerade wieder errungenen Frieden nach stürmischen Kriegsjahren bejubelt, beim Wort. Sie setzten den Chor als eine vergnügungslustige Gesellschaft in den phantastischen Festroben der Wirtschaftswunderjahre und ihres ausgestellten Wir-sind-wieder-wer-Wohlstandes in Szene. Mit Frauen, die schnell nochmal in den imaginären Spiegel der vierten Wand schauen, um sich mit allen Tricks ins rechte Licht zu rücken. Das ist hinreißend durchinszeniert und hat die Qualität von Ettore Scolas Kultfilms Le Bal.

Bild zum Vergrößern

Opulenz pur beim Ball

Inmitten einer festsaalgroßen, holzgetäfelten Bar mit gut gefüllten Regalen ist eine ramponierte Bühne in einer romantischen Ruine platziert. Mit einem Sockel für Adolars Schwester Emma (Katharina Ruckgaber darf als Geist auch singen), die einst ihren Geliebten Udo (Michael Porter spielt ebenfalls als Geist mit) im Krieg verlor und sich das Leben nahm. Das ist denn auch Adolars Geheimnis. Das finstere Paar im Stück darf man getrost als direkte Vorfahren von Ortrud und Friedrich Telramund in Wagners Lohengrin ansehen. Lysiart und Eglantine kriegen das Geheimnis raus und nutzten es, um die anstehende Hochzeit von Adolar (auf den Eglantine scharf ist) und Euryanthe (die von Lysiart begehrt wird) zu verhindern. James Rutherford macht das mit der Miene des Biedermanns, während Heidi Melton fulminant mit jedem Pfund von Körper und Stimme als Intrigantin aufdreht und erst im Wahnsinn die Wahrheit ausplaudert, bevor ihr Lysiart den Hals umdreht.

Bild zum Vergrößern

Euryanthe am Boden: Die Verleumdung triumphiert.

Das läuft ab wie in einem imaginären Schachspiel. Mit der kühl kalkulierenden Verleumdungsstrategie, die die Agenten der Hölle auf Erden allemal gegen die blonde, stets weiß wandelnde weibliche Unschuld anwenden. Ganz gleich, ob die nun Genoveva, Elsa oder eben Euryanthe heißt. Die öffentliche Wette, mit der Lysiarts die Treue Euryanthes in Frage stellt, wird von den Damen des Friedensballes mit Empörung und von den Herren mit sportlichem Ehrgeiz aufgenommen. Die fallen dann, als Euryanthes Treuebruch scheinbar öffentlich erwiesen ist, in einer Art Gruppenvergewaltigung zwar über sie her, sind aber noch kurz vor Ende dieser Szene allesamt selbst über sich erschrocken. Das ist klug gemacht und hält den romantischen Schauer, samt den himmlischen Mächten, die mit Blitz und Donner die Bühnenruine teilen und dem geradewegs aus der Hölle auftauchendem Geisterpersonal in der Bar, mit der Gegenwart erstaunlich gut zusammen. So wie auch die leitmotivische Schachpartie zwischen Adolar und Lysiart, die einmal vom Chor sogar live auf dem Schachbrett-Boden der Bühne nachgespielt wird.

Bild zum Vergrößern

Lysiart und Eglantine nach dem Schein-Triumph

Wenn auch die Opulenz der Bühne und Kostüme eine Hauptrolle bei dieser überzeugenden Ehrenrettung von Webers Euryanthe spielen, so ist das natürlich nicht ohne die so sinnlich aufrauschende, wie stringente musikalische Leitung von Roland Kluttig denkbar, dem das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit Lust am romantischen Klangrausch und Webers erkennbarem Ehrgeiz, auch neue Wege zu gehen, folgte. Und natürlich einem so geschlossenen Sängerensemble, das Erika Sunnegardh in der Titelrolle und Eric Cutler als Adolar überzeugend anführten.

FAZIT

Das war ein Abend, bei dem mal alles stimmte. Außer vielleicht der Text. Aber das ist verjährt.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Roland Kluttig

Regie
Johannes Erath

Bühnenbild
Heike Scheele

Kostüme
Gesine Völlm

Licht
Joachim Klein

Dramaturgie
Zsolt Horpácsy

Chor und Extrachor
Tilman Michael

 

Chor und Extrachor
der Oper Frankfurt

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester


Solisten

König
Kihwan Sim

Adolar
Eric Cutler

Euryanthe
Erika Sunnegardh

Lysiart
James Rutherford

Eglantine
Heidi Melton

Emma
Katharina Ruckgaber

Udo
Michael Porte



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Konzert-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -