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Musiktheater
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Drei Einakter

Messertränen (Larmes de couteau)
Oper in einem Akt
Text von Georges Ribemont-Dessaignes, Übersetzung von Iris Wenderholm

Zweimal Alexander (Alexandre bis)
Komische Oper in einem Akt
Text von André Wurmser, Übersetzung von Kurt Honolka

Komödie auf der Brücke (Veselohra na mostě)
Komische Funkoper in einem Akt
Text vom Komponisten nach einer Vorlage von Václav Kliment Klicpera,
Übersetzung von Nikolai Petersen und Mareike Wink basierend auf der Übersetzung von Ernst Roth
Musik von Bohuslav Martinů

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Bockenheimer Depot am 04.07.2015



Oper Frankfurt
(Homepage)
Aus drei mach eins

Von Thomas Molke / Fotos von Monika Rittershaus


Bohuslav Martinů, dem wohl nach Janáček bedeutendsten tschechischen Komponisten, wird in letzter Zeit auch auf den deutschen Opernbühnen mehr Aufmerksamkeit geschenkt. So brachten in der vergangenen Spielzeit das Theater Bremen und das Stadttheater Gießen am gleichen Wochenende jeweils ein Werk des Komponisten heraus, dessen Musik laut Gianmario Borio "im Spannungsfeld zwischen Avantgarde und Klassizismus" anzusiedeln ist. Das Aalto Theater Essen eröffnet die kommende Spielzeit mit der Griechischen Passion, und die Oper Frankfurt beendet die Spielzeit mit einem regelrechten Martinů-Schwerpunkt. Nach Julietta am 21. Juni 2015 im Opernhaus stehen nun im Bockenheimer Depot drei Einakter auf dem Programm, die zwar von Martinů alle drei zwischen den beiden Weltkriegen in Paris komponiert, dabei aber nicht als Trilogie konzipiert wurden. Dennoch gelingt es Beate Baron in ihrer Inszenierung, diese drei an sich musikalisch und dramaturgisch völlig unterschiedlichen Stücke miteinander zu verweben.

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Messertränen: Die Mutter (Katharina Magiera, Mitte) wünscht sich den Satan (Sebastian Geyer) für ihre Tochter Eleonore (Elizabeth Reiter) als Mann, doch diese liebt den Erhängten (Puppe).

Den Anfang macht der 1928 entstandene Operneinakter Messertränen, der in Zusammenarbeit mit dem Dada-Künstler Georges Ribemont-Dessaignes als eines von drei Opernprojekten entstand, allerdings erst 10 Jahre nach Martinůs Tod zur Uraufführung in Brünn gelangte. Die junge Eleonore ist in einen Erhängten verliebt, doch ihre Mutter wünscht sich den attraktiven Satan zum Schwiegersohn. Eleonore weist diesen brüsk zurück, leidet aber darunter, dass der Erhängte ihr keinerlei Aufmerksamkeit schenkt. Folglich versucht sie, ihn mit einem vorbeikommenden Radfahrer eifersüchtig zu machen. Doch der Radfahrer entpuppt sich als Satan und bringt Eleonore dazu, sich das Leben zu nehmen. Anschließend steigt der Satan als Erhängter vom Galgen herab, um Eleonore wieder zum Leben zu erwecken und sie anschließend zu verlassen.

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Der Satan (Sebastian Geyer) verzaubert als Erhängter Eleonore (Elizabeth Reiter).

So verrückt wie die Geschichte ist auch die Inszenierung von Beate Baron. Vor Beginn der Oper klebt ein Statist mit einem langen Bart Plakate an eine Holzwand, die scheinbar jeweils ein Bild von ihm zeigen. An einer Stange sieht man den Erhängten, wobei ein rotes Tuch von dieser Stange zum Boden führt. Die Spielfläche ist vor der Bühne, die hinter der Holzwand nur aus aufgehäuften Sandbergen besteht. Für die Zuschauer ist dieses Konzept besonders im ersten Einakter ungünstig, da man die Protagonisten aufgrund der Tiefe des Bodens meistenteils gar nicht sehen kann. Eleonore und ihre Mutter schlüpfen nämlich in weißer Unterwäsche unter das rote Tuch und agieren fast nur auf dem Boden. Dennoch zeigt das Spiel unter dem Tuch die Abhängigkeit der beiden Frauen voneinander. Satan tritt durch den Zuschauerraum auf und verteilt zunächst Blumen im Publikum, bevor er Eleonore umwirbt. Wenn er später den Erhängten von der Stange herabnimmt, schnallt er sich eine überdimensionale Zunge um, mit der er Eleonore wieder zum Leben erweckt und verzaubert. Sein Abgang kommt dann für die beiden Frauen völlig unerwartet. Sebastian Geyer begeistert als Satan mit kräftigem Bariton und diabolischem Spiel. Katharina Magiera stattet die Mutter mit sattem Mezzo aus, und Elizabeth Reiter überzeugt als Eleonore mit leuchtendem Sopran und großartiger Textverständlichkeit. Nikolai Petersen arbeitet mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester die Jazz-Anklänge, die ein bisschen an Kurt Weill erinnern, pointiert heraus.

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Zweimal Alexander: Alexandre (Sebastian Geyer) versucht, als Cousin aus Texas seine Frau Armande (Anna Ryberg) zu verführen. Das Porträt (Thomas Faulkner, im Hintergrund) schaut entsetzt zu.

Als Übergang zu dem zweiten Einakter wird dann ein "Dada-Lied" über Lautsprecher vorgetragen, was vor allem mit dem Satz "Trinkt Wasser" die Zuschauer amüsiert, da dem Publikum wegen der tropischen Temperaturen vor Vorstellungsbeginn Gratiswasser angeboten worden war. Bei einem Intermezzo zu Klaviermusik, das auch als Unterhaltungsmusik in einer Jazz-Bar durchgehen würde, erfolgt der Umbau zum zweiten Einakter, Zweimal Alexander. Dieser entstand 1937 und weist zwar inhaltlich surreale Züge auf, erinnert aber thematisch an die Commedia dell'arte. Die Uraufführung dieses Werkes fand ebenfalls erst nach Martinůs Tod statt. Alexandre will die Treue seiner Ehefrau Armande testen, indem er sich als sein Cousin aus Texas ausgibt und versucht, seine Frau zu verführen. Dieses Vorhaben wird nicht nur von dem Dienstmädchen Philomène, sondern auch von seinem eigenen Porträt an der Wand kritisiert. Im weiteren Verlauf steigt das eigene Porträt sogar aus dem Rahmen, um Armande zu beschützen, doch diese ist von dem vermeintlichen Cousin so angetan, dass sie ihn dem eigenen Gatten sofort vorzieht. Als Alexandre am nächsten Morgen den Betrug aufklären will, hat Armande überhaupt kein Interesse daran und wendet sich ihrem heimlichen Verehrer Oscar zu, den sie zuvor immer entschieden zurückgewiesen hat.

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Wilder Traum: oben von links: Philomène (Katharina Magiera als Eisbär), Armande (Anna Ryberg), das Porträt (Thomas Faulkner) und Alexandre (Sebastian Geyer), unten: Statisterie als Dämonen

Die Spielfläche vor der Holzwand wird während des Intermezzos blitzschnell in einen modernen Wohnraum verwandelt, wobei die Plakate an der Wand sich nun als Porträts des Hausherrn Alexandre entpuppen. Thomas Faulkner erscheint als Porträt auch in verschiedenen Plakaten mit seinem Kopf, bevor er später als Alexandres Alter Ego auftritt. Sebastian Geyer trägt als Alexandre einen langen Bart, den er als Cousin aus Texas allerdings ablegt, wenn er als schmucker Cowboy mit Stetson auftritt. Da wird Anna Ryberg als leicht exaltierte Armande natürlich sofort schwach. Katharina Magiera legt das Dienstmädchen Philomène einerseits als leicht lüsternes Frauenzimmer an, das sich sowohl zum Hausherrn als auch zu Armande erotisch hingezogen fühlt, gibt der Figur andererseits auch komödiantische Züge, wenn sie wie Freddie Frinton in Dinner for One immer über den Tierkopf des ausgebreiteten Fellteppichs stolpert. Simon Bode erscheint als Oscar zunächst im gleichen Radfahrerdress wie der Satan im ersten Einakter. Wieso er allerdings zu Beginn einen riesigen Mäusekopf trägt und später Krabbenscheren als Hände hat, bleibt unklar. Vielleicht soll damit schon auf den Traum angespielt werden, in dem Armande die Göttin der Ehe und ihre Dämonen erscheinen. Wenn Armande ihren Gatten nämlich am Ende mit Oscar verlässt, sieht er wieder wie ein normaler Mensch aus. Anna Ryberg begeistert als Armande mit kokettem Spiel und leichtem Sopran. Thomas Faulkner und Sebastian Geyer überzeugen stimmlich als Porträt und Alexandre und gewinnen den beiden Partien sehr komödiantische Züge ab. Bode gefällt als Oscar mit weichem Spieltenor.

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Komödie auf der Brücke: Gefangen auf der Brücke: oben von links: Sykoš (Sebastian Geyer), Bedroň (Thomas Faulkner), Popelka (Maren Favela) und Eva (Katharina Magiera), unten: der Schulmeister (Simon Bode) mit den beiden Posten (Jim Heller und Jens Weiß)

Der dritte Einakter nach der Pause entstand 1935 auch in Paris, wurde allerdings in tschechischer Sprache vertont und erlebte seine Uraufführung im Prager Rundfunk am 18. März 1937. Die Geschichte spielt auf einer Brücke mitten im Krieg. Ein Passierschein wird zwar akzeptiert, um die Brücke zu betreten, die beiden Posten lassen aber niemanden, der auf der Brücke ist wieder herunter. So werden zunächst Popelka, die im feindlichen Lager nach ihrem Bruder gesucht hat, und der Brauer Bedroň, der seinem Offizier wichtige Informationen überbracht hat, auf der Brücke festgehalten. Als es zum Kuss zwischen den beiden kommt, erscheinen Popelkas Verlobter Sykoš und Bedroňs Frau Eva und bezichtigen sie der Untreue. Ein dazukommender Schulmeister soll den Streit schlichten, doch dieser hat ganz andere Probleme. Seine Gedanken kreisen um ein Reh in einem von einer hohen Mauer umgebenen Wildpark. Der Schulmeister fragt sich, wie das Reh wohl entfliehen könne. Währenddessen rückt der Krieg immer näher und die beiden Paare glauben nicht mehr daran, die Brücke noch lebend verlassen zu können. Es kommt zur Versöhnung und einigen überraschenden Geständnisse. Dann erscheint plötzlich ein Offizier, verkündet den Sieg und löst das Rätsel des Schulmeisters.

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Fluchtversuch von der Brücke: von links: der Schulmeister (Simon Bode), Eva (Katharina Magiera), Bedroň (Thomas Faulkner), Sykoš (Sebastian Geyer) und Popelka (Maren Favela), im Hintergrund: der Offizier (Marcus Hosch)

Baron lässt diesen Einakter im Sand hinter der Holzwand spielen. Gwendolyn Jenkins hat die beiden Paare mit volkstümlichen Kostümen ausgestattet, die einen deutlichen Kontrast zu den Soldatenuniformen bilden. Musikalisch ist bemerkenswert, dass Martinů nur die beiden Paare und den Schulmeister singen lässt, während die Rollen des Offiziers und der beiden Posten reine Sprechrollen sind. Für die am Krieg beteiligten Figuren gibt es folglich keine Musik. Trotz der realistisch anmutenden Kostüme verzichtet Baron auf eine am Libretto orientierte Personenführung und lässt die Protagonisten größtenteils auf der Brücke nur in Standbildern posieren, was aber durchaus im Einklang damit steht, dass sie auf dieser Brücke ja gefangen sind. Vor der Bühne liegen einige Kriegsopfer, und auch Bestandteile des Bühnenbildes aus dem zweiten Einakter sind als Bruchstücke einer zerstörten Gegend noch zu erkennen. Das Ende des Stückes wird dann von Baron kritisch hinterfragt. Der Jubel über den Sieg passt ihrer Meinung nach nicht zur Auflösung des Rätsels mit dem Reh. Für das Reh gibt es nämlich kein Entkommen aus dem Wildpark, und somit haben auch die beiden Paare und den Schulmeister kein glückliches Ende zu erwarten. Im allgemeinen Jubel fallen sie alle im Kugelhagel. Und nun treten auch noch Eleonore und Armande aus den ersten beiden Einaktern auf und werden genauso zu Kriegsopfern wie die anderen Figuren. Damit werden auch zum Schluss die drei Teile wieder zusammengeführt. Musikalisch bewegt sich auch der dritte Einakter auf hohem Niveau, so dass es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Martinůs Einakter zeugen von der Vielfältigkeit seines kompositorischen Schaffens und bilden in der Inszenierung von Beate Baron eine gut funktionierende Einheit.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Nikolai Petersen

Inszenierung
Beate Baron

Bühnenbild
Yassu Yabara

Kostüme
Gwendolyn Jenkins

Licht
Joachim Klein

Dramaturgie
Mareike Wink

 

Statisterie der Oper Frankfurt

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester


Solisten

*Premierenbesetzung

Messertränen

Eleonore
*Elizabeth Reiter /
Jessica Strong

Mutter
Katharina Magiera

Satan
Sebastian Geyer

Zweimal Alexander

Armande
Anna Ryberg

Alexandre
Sebastian Geyer

Oscar
Simon Bode

Philomène / Erzählerin
Katharina Magiera

Das Porträt / Erzähler
Thomas Faulkner

Komödie auf der Brücke

Sykoš, der Fischer
Sebastian Geyer

Popelka, seine Braut
Maren Favela

Bedroň, der Brauer
Thomas Faulkner

Eva, seine Frau
Katharina Magiera

Der Schulmeister
Simon Bode

Ein freundlicher Posten
Jim Heller

Ein feindlicher Posten
Jens Weiß

Ein freundlicher Offizier
Marcus Hosch



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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