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Das Leben ist das Vorspiel für den Tod
Von Roberto Becker
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Fotos von Monika Rittershaus Natürlich gibt es ein Treppenhaus und jede Menge Psychologie. Wenn der Regisseur Claus Guth und sein langjähriger Ausstatter-Spezi Christian Schmidt am Werke sind, dann kann man auf diese Konstanten in ihren Arbeiten wetten. Darüber hinaus gibt es aber immer auch überraschende Einsichten. Diesmal ist es die, dass man die bis ins feinste ausgeklügelte Rosenkavalier-Balance zwischen illustrer Komödie und melancholischer Selbstreflexion auch auf der Seite der Reflexion ins Extrem treiben kann, ohne diesem besonders grazilen Gesamt-Zeitkunstwerk substantiellen Schaden zuzufügen: Indem man den Verzicht, den die Zeit, dieses sonderbar Ding, gebietet, nicht nur auf den aktuellen, mal gerade halb so alten Geliebten der Marschallin, und deren eigene erotische Anziehungskraft beim Übergang von der Jugend in die reifere Lebensphase bezieht, sondern gleich auf das Leben an sich. Da endet die Liebesnacht nicht mit dem Geplänkel zwischen den Liebenden, sondern mit einem vorgreifenden Alptraum. Da liegt nämlich Marie Theres, offenbar träumend, auf dem Boden vor einer Fahrstuhltür. Als die sich öffnet, schreitet langsam eine Trauergesellschaft auf sie zu und streut Blütenblätter auf sie. Doch der auch in der Musik hereinbrechende Tag reißt sie aus diesem Traum. Die Morgengespenster verschwinden. Als Mohamed das Tablett mit dem Frühstück bringt, lächelnd und diskret ignoriert hat, was er gerade gesehen haben muss, wieder zurück zum Fahrstuhl geht und die Marschallin ihm nachschaut, da kippt er plötzlich wie vom Schlag getroffen um, steht aber kurz darauf wieder auf und setzt seinen Weg fort, als wäre nichts geschehen. Spätestens da ist klar, dass es an diesem Abend im Hause des Generalfeldmarschalls von Werdenberg um Leben und Tod geht. Vor allem um den Tod, auf den das Leben ja doch allemal hinausläuft. Als Marie Theres nach diesem verqueren Erwachen den Lärm von draußen hört, und für einen Moment befürchtet, dass ihr Ehemann vorzeitig nach Wien zurückgekehrt ist, ergreift sie hier das blanke Entsetzen. Nein, eine helle, silbern funkelnde Komödie ist es nicht, was da in Frankfurt beginnt. Eher eine tieftraurige Angelegenheit. Bei der Arie des Tenors: In Gedanken versunken die Marschallin
Der morgendliche Empfang von Bittstellern, Künstlern, Notar und dem sonstigen Bagagie sieht nach dem gewöhnlichen Vormittagsplan eines Nobelsanatoriums aus. Wo die illustren Gäste respektive Patienten durchaus ihren Notar oder die Verwandtschaft aus der Provinz empfangen, die für ihre Sanierungs- und Heiratspläne (was im Falle des Ochs auf Lerchenau auf ein und dasselbe hinausläuft) der Protektion bedürfen. Wo normalerweise ein wildes Durcheinander losbricht, geht es hier, in diesem Luxussanatorium mit Ringstraßen-Noblesse, ziemlich geordnet zu. Wenn der Tenor seine Arie singt, dann hat der eine kleine Bühne mit Pult, die Zuhörer lauschend an Tischen, mache von ihnen schon bereit für die anstehenden Behandlungen. Marie Theres sitzt auch an einem Tisch und ist in Gedanken versunken. Diese Frau ist sichtbar krank, sieht ihre Lebenszeit immer schneller verrinnen, geistert wie ein Gespenst durchs Haus, will auch das mitbekommen, was da in der Belle Etage beim rumprotzenden Faninal passiert. Octavian und Sophie bei der Übergabe der Silberrose
Diese Lesart des doppelten Blicks auf die vordergründig ablaufende Handlung und die düsteren Endzeitahnungen der durch ihre Krankheit in der Wahrnehmung sehr verfeinerten Marschallin hat Vorzüge, birgt aber auch Risiken. Die heiter anschmiegsame Erkenntnis, dass jedem Abschied auch ein neuer Anfang innewohnt, geht dabei verloren. Den Abschied von einer Affäre und vom Leben zusammen zu denken, ist schon eine tieftraurige und niederschmetternde Pointe. Hier bettet sich die Marschallin auf eine Liege und stirbt. Dass es ihr kindliches Alter Ego ist, das die Tote berührt und zurückzuckt, bleibt nachhaltiger in Erinnerung als das glücklich vereinte Paar Sophie und Octavian, das im Fahrstuhl aus dem Keller nach oben ins Leben fährt. Auf der anderen Seite aber hat es Claus Guth auch verstanden, einen feinen, abgründigen Humor über die Szene zu legen, vor allem durch kleine durchchoreographierte Miniaturen, mit denen sich das Personal gelegentlich in dieser morbiden Zauberberg-Atmosphäre bewegt. Auf der Ebene der puren Handlungslogik bleibt da manches offen, was sich bei gradliniger Erzählweise gleichsam von selbst erschließt. Aber der zweite, atmosphärische Blick auf diesen Raum in der Zwischenwelt zwischen Gestern und Morgen, der entfaltet auch jenseits der Komödienmechanik zunehmend seine Wirkung und kommt dem Werk nahe. Obwohl der imperiale Zuschnitt eher auf die letzen Nachfolger der Kaiserin Maria Theresias verweist, mit deren Epoche das Stück ja eigentlich spielt. Ochs und Sophie bei der Konversation, Octavian sieht entsetzt zu
Mit getäfelten Fensterfronten rechts und links und einem Treppenhauskubus in der Mitte. Eine verschreckend moderne Fahrstuhltür ist da von einem pompösen Rahmen mit altmodischem Etagenanzeiger oben drüber eingefasst. Auf der Rückseite gibt es die Marmortreppe. Die geht hinunter bis in den Keller, in dem man nicht allzu viel herrichten muss, um den Ochs närrisch zu machen. Schmidt hat seinen Vorrat an (mit-)sprechenden Treppenhäusern und Korridoren offenbar noch lange nicht aufgebraucht. Das Ende vom Lied: Octavian und die Marschallin links, der Ochs und Sophie rechts und in der Mitte der Kommissar
Dazu gibt es in Frankfurt eine erstklassige Besetzung. Es war schon vor der vokalen Nagelprobe jedes Rosenkavaliers, dem Terzett im dritten Akt, klar, dass es eine Menage a trois vom Feinsten ist. Amanda Majeski hat sich mit ihrem Rollendebüt gleich vorne bei den amtierenden, wirklich fürstlichen Feldmarschallinnen eingereiht. Zart schwebend, mit kluger Eloquenz und jener Zerbrechlichkeit, die sie hier als eine todkranke, erinnerungstrunkene Frau verkörpert. Paula Murrihy ist ein unangestrengt singender und mit gelassener Souveränität spielender Octavian, Christiane Karg eine wunderbar zarte, dabei trotzig selbstbewusste Sophie. Aber nicht nur die drei Damen genügen höchsten Ansprüchen. Auch der erst später zu der Produktion gestoßene Bjarni Thor Kristinsson steht seinen Mann als Ochs - ohne denunziatiorische Übertreibung, aber doch mit genügend glaubwürdigem Potential zum Grobian. Dietrich Volle muss die Parvenü-Übertreibung des Faninal aushalten, alle anderen kleinen Rollen sind sorgfältig besetzt. Sebastian Weigle stellt sich am Pult des Opern-und Museumsorchesters den atmosphärischen Ambitionen der Inszenierung, trägt seine Sänger gleichsam auf Händen. Im Graben spielt sich Weigle nicht mit dem großen Strauss Glitzern auf, sondern bleibt bei der Sache, die auf der Bühne erzählt wird. Besser: Über die auf der Bühne sinniert wird.
Die Affinität zu den Werken von Richard Strauss hat Claus Guth schon öfter bewiesen. Auch in Frankfurt. Beim Rosenkavalier lässt er sich besonders auf das Abgründige ein, ohne die Komödie ganz zu unterschlagen. Zusammen mit einem fabelhaften Protagonisten-Ensemble gelingt an der Oper Frankfurt ein bedeutender Strauss-Abend. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühnenbild und Kostüme
Licht
Chor
Choreografie
Dramaturgie
Solisten
Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg
Baron Ochs auf Lerchenau
Octavian
Herr von Faninal
Sophie
Marianne Leitmetzerin
Valzacchi
Annina
Ein Polizeikommissär
Der Haushofmeister der Marschallin
Der Haushofmeister bei Faninal
Ein Notar
Ein Wirt
Ein Sänger
Eine Modistin
Ein Tierhändler
Drei adelige Waisen
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