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Hier hilft weder Kreuz noch Talisman
Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre / Landestheater Detmold Die Woge, die in den ersten Takten der Oper Otellos Schiff zu zerstören droht, bleibt den ganzen Abend über präsent, als Wand füllendes Bild, das die Bühne nach hinten abgrenzt. Und den Wassergraben zum Orchester hin kann man vielleicht so deuten, dass unsere Kultur sich auf einem schmalen Grat bewegt und allzu schnell hinweg gespült werden kann. Die kleine Marienstatue jedenfalls hat bestenfalls folkloristischen Nutzen. Otello, in dieser Inszenierung ein farbiger Stammesfürst oder Indianerhäuptling, trägt in einer Kiste allerlei Talismane mit sich herum, und je größer die Eifersucht wird, desto stärker wendet er sich diesen heidnischen Objekten zu. Es ist ja auch häufiger von Dämonen die Rede im Libretto, und das nimmt der Regisseur und Detmolder Intendant Kay Metzger beim Wort - hier prallen zwei Kulturen mit den Symbolen ihrer Religion aufeinander. Hilft aber alles nichts, weder Kreuz noch Talisman: Am Ende triumphiert der Nihilismus, und allein der alles verneinende Jago bleibt auf dem Felsen zurück, der den Wogen trotzt. Ensemble vor aufgewühlter SeeEigentlich hat Kay Metzger diesen Otello ganz konventionell nacherzählt, mitunter übergenau und in allzu großer Sorge, es könne der Geschichte an Plausibilität fehlen. Verdi hatte wenig Probleme damit, seine soeben getöteten Frauenfiguren noch ein paar Takte singen zu lassen; Metzger will das seinem Tatort-geschulten Publikum nicht zumuten. Otello würgt Desdemona freilich auch arg kurz, als dass diese lebensbedrohliche Schäden davon tragen könnte, und so rammt sie sich, die letzten Phrasen noch schnell gesungen, selbst ein Messer in den Bauch. Das mindert Otellos Schuld, strafrechtlich betrachtet, von Mord zu schwerer Körperverletzung (und nimmt der Oper an Schärfe). Solcher Realismus macht die Handlung leicht verständlich. Es bräuchte aber genauere Übertitel, die hier den Text leider oft arg verkürzt wiedergeben - und das bei einem Stück, bei dem es nun wirklich auf jedes falsch oder eben nicht falsch verstandene Word ankommt. Beginn der Intrige: Jago (oben) und Otello Metzger (um das "eigentlich" von oben aufzugreifen) möchte gleichzeitig unbedingt deutlich machen, dass die Geschichte eine ganz aktuelle ist, und so hat Ausstatterin Petra Mollérus den Chor in lässige Freizeitkleidung gesteckt - Touristen am Strand von Zypern, mit derben Saufspielen, bei denen Cassio den Schnaps zuletzt per Strohhalm aus dem Eimer trinken muss. Das hakt dann schon mal, etwa gleich zu Beginn: Diese "all inclusive"-Gesellschaft schaut dem drohenden Schiffsuntergang ziemlich unbeeindruckt zu, den Verdi doch mit einer veritablen dies-irae-Weltuntergangsmusik vertont hat. Das, was man gemeinhin als "Fallhöhe" bezeichnet, lotet Metzger nur in Ansätzen aus. Die knalligen Farbtöne der Kostüme - überwiegend Lindgrün für die Soldaten, Weiß und Türkistöne für den Touristenchor - sind, vorsichtig formuliert, Geschmackssache. Da kommt die bei Metzger und Mollérus häufig zu beobachtende comichafte Überzeichnung zum Vorschein, die ja durchaus einen eigenen Stil prägt. Mitunter wünscht man sich bei diesem Otello, der in der Personenregie ziemlich genau ist, die Ausstatterin hätte sich ein wenig zurück genommen. Schließlich ist gerade Otello ein Stück, das weder der Aktualisierung noch der Abstraktion bedarf, weil es so ungeheuer genau gearbeitet ist: Wer da die Zeitlosigkeit nicht erkennt, dem ist von der Regie sowieso nicht zu helfen. Eskalation: Otello und Desdemona (in der Mitte), links wartet Rodrigo auf seine Chance bei Desdemona, rechts wacht EmiliaFarbenschema hin, T-Shirt her: Letztendlich besticht vor allem das eloquente Auftreten des Jago, dem Andreas Jören mit eher hell timbrierten Bariton zwar keine Schwärze, aber viel Präsenz und hintergründige Parlando-Gefährlichkeit verleiht, und der auch die Kraftreserven für die großen Ausbrüche hat - ein bitterböser Zyniker. Oder die tenorale Kraft von Heiko Börner in der Titelpartie, auch im Forte klangschön und leicht baritonal eingedunkelt, mit enormem Durchhaltevermögen und geschicktem Umgang mit den Piano-Stellen, die ihm nicht so liegen. Eindrucksvoll auch die zerbrechliche Desdemona von Susanne Serfling, zwar unausgeglichen in der Stimme und streckenweise recht neutral, aber anrührend in ihrer zentralen Szene im vierten Aufzug. Dazu sind Ewandro Stenzowski als Cassio und Gritt Gnauck als Emilia akzeptable Besetzungen. Tödliches Finale: Otello und Desdemona Der um den Extra-Chor und das Ensemble "Coruso" verstärkte Opernchor ist in der ersten Szene noch etwas wacklig (aber durchschlagend), gewinnt zunehmend an Sicherheit und singt klangschön. Am Pult des vor allem im Schlussakt sehr nuanciert spielenden Symphonischen Orchesters ist Lutz Rademacher oft bedacht, alle Fäden zusammenzuhalten. Generell gelingen die leisen Stellen besser als die lauten, bei denen Verdis abgründige Klangfarben schärfer, pointierter (nicht unbedingt lauter, denn im kompakten Detmolder Theater kann auch eine reduzierte Orchesterbesetzung gut den Raum füllen) klingen könnten.
Alles in allem aber eine musikalisch imponierende Aufführung, die dem Detmolder Landestheater da gelingt - mit einer ganz soliden, stellenweise etwas aufdringlichen Regie. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Video-Design
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
Otello
Jago
Cassio
Rodrigo
Lodovico
Montano
Desdemona
Emilia
Herold
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