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Musiktheater
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Saul

Szenisches Oratorium in drei Akten
Libretto von Charles Jennens
Musik von Georg Friedrich Händel

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Staatstheater Kassel

Premiere im Opernhaus Dortmund am 25. April 2015




Theater Dortmund
(Homepage)
Die Bürde der Macht

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (Stage Pictures)

Seit Jens-Daniel Herzog Opernintendant in Dortmund ist, kann man es schon beinahe als festen Programmpunkt des Spielplans betrachten, dass ein Oratorium szenisch umgesetzt wird. Nach Felix Mendelssohn-Bartholdys Elias im Februar 2012 (siehe auch unsere Rezension) und der vom Publikum kontrovers aufgenommen Inszenierung der Jahreszeiten von Joseph Haydn im letzten Jahr (siehe auch unsere Rezension) gibt es nun Georg Friedrich Händels Saul, ein Stück, mit dem Händel 1739 seine erste Oratorien-Saison im King's Theatre einleitete und das den Anfang der Blütezeit des englischen Oratoriums markierte. Dabei unterscheidet sich das Werk dramaturgisch kaum von Händels Opern. Dass es zur damaligen Zeit trotzdem nicht szenisch auf die Bühne kam, resultiert aus den religiösen Vorstellungen des 18. Jahrhunderts, nach denen in England Stoffe aus der Bibel nicht auf die Theaterbühne gehörten. Diese Beschränkung gibt es in der heutigen Zeit im Allgemeinen nicht mehr, und so war auch Saul in den letzten Jahren immer häufiger in einer szenischen Umsetzung auf den Opernbühnen zu erleben.

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Barocker Tanz um den neuen König Saul (Christian Sist, Mitte)

Die Handlung folgt der Überlieferung im Alten Testament in Samuel 1 und 2. Saul ist zum ersten König über das Volk Israel ernannt worden. Doch sein Ruhm ist nur von kurzer Dauer. Als der Hirtenjunge David im Kampf gegen die Philister den Riesen Goliath besiegt, verliert Saul immer mehr die Gunst des Volkes. Zunächst versucht er, David an seinen Hof zu binden, und verspricht ihm die Hand seiner Tochter Merab, die allerdings eine Verbindung wegen des Standesunterschiedes ablehnt, während die Bewunderung für den jungen Helden im Volk immer mehr zunimmt, so dass Saul schließlich von rasender Eifersucht gepackt wird und einen Anschlag auf David verübt, der jedoch misslingt. Auch Sauls Sohn Jonathan stellt die Freundschaft zu David über den Gehorsam seinem Vater gegenüber und lehnt es ab, David im Auftrag seines Vaters umzubringen. Als dann auch noch Sauls Tochter Michal David vor den Häschern des Königs schützt, sucht Saul Rat bei den Mächten der Unterwelt. Die Hexe von Endor beschwört den Richter Samuel aus dem Totenreich herauf, der einst Saul zum König bestimmt hatte und der ihm nun seinen baldigen Tod im Kampf gegen die Philister prophezeit. Gemeinsam mit seinem Sohn Jonathan fällt Saul in der Schlacht, und David wird vom Hohepriester unter allgemeinem Jubel des Volkes zum neuen König ausgerufen.

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David (Ileana Mateescu, Mitte vorne) versucht mit Michal (Julia Amos, Mitte rechts) und Jonathan (Lucian Krasznec, Mitte links), den wütenden Saul (Christian Sist, ganz links) zu besänftigen (ganz rechts: Merab (Tamara Weimerich), Mitte hinten: der Hohepriester (Hannes Brock)).

Während Jörg Behr in seiner Inszenierung in Bielefeld vor drei Jahren die Geschichte als modernen Polit-Krimi aktualisierte (siehe auch unsere Rezension), bleibt das Regie-Team um Katharina Thoma in der Umsetzung eher abstrakt, was sowohl das Bühnenbild von Sibylle Pfeiffer als auch die Kostüme von Irina Bartels betrifft. Auf der Bühne befindet sich nur ein großes quadratisches Podest in Weiß, das zu Beginn mit einem schwarzen Tuch bedeckt ist. Der Chor, der zunächst in schwarzen Kostümen mit weißen Handschuhen und einer schwarzen Kippa auftritt, legt dieses Podest frei und scheint mit einer weißen quadratischen Decke, die aus dem Schnürboden herabgelassen wird, die Erkenntnis zu haben, wer der neue König werden soll. Regelrecht gegen seinen Willen zerren sie Saul aus ihren Reihen und kennzeichnen ihn mit einem weißen Hemd, einem langen weißen Mantel und einer weißen Krone als ihren neuen König. Dass Christian Sist als Saul aufgrund seiner Körpergröße die anderen wirklich überragt, ist dabei eine nette Übereinstimmung mit der Überlieferung im Alten Testament. Während Saul und seine Kinder in ihren Kostümen im Folgenden als heutige Menschen der Oberschicht portraitiert werden, macht der Chor mit den diversen Kostümen zahlreiche Zeitsprünge. Mal treten die Frauen in aufwändigen Barockkostümen mit hochragenden Perücken auf. Dann erscheinen sie als Dienstmädchen mit weißer Schürze, um David und dem König zu huldigen.

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Das Volk (Opernchor) bittet Gott um Schutz für David (Ileana Mateescu, Mitte vorne).

Sieht man von dem Lärm ab, den der Chor in den Massenszenen verursacht, wenn er regelrecht über die Bühne trampelt und damit den musikalischen Genuss ein wenig stört, gelingen Thoma durchaus beeindruckende Tableaus. Zu nennen ist hier der Beginn des zweiten Aktes, wenn das Volk den Neid als den "Erstgeborenen der Hölle" tituliert und seine Folgen beklagt. In dieser Szene wird Sauls Krone durch die Reihen gereicht, wobei nach und nach eine Zacke abgebrochen wird, um anzudeuten, dass ein Machtwechsel bevorsteht. Auch das Schlussbild des ersten Aktes weiß zu überzeugen, wenn der Chor gemeinsam mit dem Hohepriester Gott bittet, David vor Sauls grundlosem Zorn zu beschützen, und er sich in einem Halbkreis wie ein Schutzschild um und über den auf dem Boden knienden David aufbaut. Wenn der Chor im zweiten Akt wie zu einem Theaterbesuch auf dem Podest Platz nimmt und zahlreiche Unarten des Publikums karikiert, könnte das witzig sein, hätte man nicht den gleichen Regie-Einfall schon vor einem Monat in Herzogs Inszenierung von Don Giovanni gesehen. Gut umgesetzt wird die Szene bei der Hexe von Endor im dritten Akt. Die aus dem Schnürboden herabgelassene Decke wird zu einer Wand aufgebaut, auf die Morgan Moody als Geist Samuels projiziert wird und mit leichtem Hall durch die Lautsprecher aus einer anderen Welt zu Saul zu sprechen scheint. Hannes Brock verbirgt als Hexe von Endor sein Gesicht unter einem Aufsatz mit schwarzem Schleier, auf dem sich eine unheimliche Maske befindet. Dass die Zuneigung Jonathans zu seinem Freund David eine homoerotische Komponente enthält, ist weder gegen den Text noch gegen die Musik angelegt.

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David (Ileana Mateescu, Mitte vorne) wird vom Hohepriester (Hannes Brock, Mitte dahinter) unter dem allgemeinen Jubel des Volkes (Opernchor) zum neuen König gekrönt.

Musikalisch ist die Produktion vollständig mit Mitgliedern des eigenen Ensembles besetzt und stellt einmal mehr das hohe Niveau des Hauses unter Beweis. Christian Sist stattet die Titelpartie mit markantem Bass aus und wird optisch der Rolle mehr als gerecht. Den unaufhaltsamen Abstieg des Königs und die verzweifelten Versuche, den erfolgreichen Gegenspieler David aus dem Weg zu räumen, setzt Sist auch darstellerisch überzeugend um. Lucian Krasznec begeistert als sein Sohn Jonathan mit höhensicherem Tenor und spielt die Zuneigung, die er zum Hirtenjungen David empfindet, bewegend aus. Julia Amos punktet als Sauls Tochter Michal mit lieblichem Sopran und innigem Spiel. Von einer ungewohnten Seite präsentiert sich Tamara Weimerich als Merab. Hätte man sie im Vorfeld wahrscheinlich eher mit der Partie der sanften Michal assoziiert, stellt sie mit ihrem Sopran unter Beweis, dass sie der musikalisch dramatischeren Rolle durchaus gewachsen ist. Auch darstellerisch spielt sie die mondäne Überheblichkeit der älteren Tochter gekonnt aus und verleiht ihr am Ende, wenn sie um den toten Vater und Bruder trauert, eine bewegende Tiefe. Wenn man bei diesem durchweg guten Ensemble überhaupt von einem Höhepunkt des Abends sprechen kann, ist an dieser Stelle Ileana Mateescu zu nennen, die den David in jeder Beziehung zum Helden macht. Mit weichem Mezzo unterstreicht sie die Güte und Milde des jungen Mann und ist stimmlich dabei auch zu dramatischen Ausbrüchen in der Lage. Großartig setzt sie am Ende das Unbehagen um, das David empfindet, als er nach Sauls Tod vom Volk zum neuen König gekrönt worden ist.

Auch der Opernchor präsentiert sich absolut stimmgewaltig und macht dem scheidenden Chordirektor Granville Walker damit ein schönes Abschiedsgeschenk. Wenn Walker beim Schlussapplaus auf die Bühne tritt, kann man die Dankbarkeit für die lange Zusammenarbeit und die hohe Wertschätzung direkt spüren. Da liegt die Messlatte für Walkers Nachfolger Manuel Pujol durchaus hoch. Motonori Kobayashi zaubert mit den Dortmunder Philharmonikern einen leichten Barocksound aus dem Graben, so dass es am Ende lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten gibt, in den sich auch das Regie-Team ohne irgendwelche Unmutsbekundungen einreiht.

FAZIT

Nach den doch recht kontrovers aufgenommen Jahreszeiten in der letzten Spielzeit kommt Händels Saul in Katharina Thomas Inszenierung doch eher brav daher. Musikalisch bewegt sich die Produktion auf gutem Niveau und unterstreicht einmal mehr, was gute Ensemble-Arbeit zu leisten vermag.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Motonori Kobayashi

Inszenierung
Katharina Thoma

Bühne
Sibylle Pfeiffer

Kostüme
Irina Bartels

Licht
Florian Franzen

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Georg Holzer

 

Opernchor des
Theaters Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

Cembalo / Orgel
Wallewein Witten
Luca De Marchi

Theorbe
Andreas Nachtsheim

 

Solisten

Saul
Christian Sist

David
Ileana Mateescu

Jonathan, Sauls Sohn
Lucian Krasznec

Merab, Sauls Tochter
Tamara Weimerich

Michal, Sauls Tochter
Julia Amos

Hohepriester / Abner / Hexe von Endor
Ks. Hannes Brock

Geist Samuels / Doeg
Morgan Moody

Ein Amalekiter
Min Lee


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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