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Don Giovanni

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 25' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 8. März 2015




Theater Dortmund
(Homepage)
Der etwas andere Don Giovanni

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas Jauk (Stage Pictures)

Wenn der Intendant der Oper Dortmund höchstpersönlich die ohne Zweifel bedeutendste musikalische Bearbeitung des Don Juan-Stoffes in Szene setzt, dürfte bereits im Vorfeld klar sein, dass man hier alles andere als eine konventionelle Umsetzung zu erwarten hat. Nachdem Jens-Daniel Herzog in der letzten Spielzeit Mozarts Serail in einen Hinterhof im Dortmunder Norden verlegt hatte, konnte man sehr gespannt sein, welchen Ansatz er nun für den Don Giovanni wählen würde. Als bekannt wurde, dass das Orchester auf der Bühne hinter den Sängern positioniert sei, mag der eine oder andere vielleicht befürchtet haben, dass das Konzept Parallelen zu der Produktion aufweisen könnte, die in Wuppertal im November in der Regie von Thomas Schulte-Michels Premiere gefeiert hat (siehe auch unsere Rezension). Diese Sorge jedenfalls erwies sich als absolut unbegründet. Ob man nun aber einem Mozart-Freund den Besuch dieser Dortmunder Produktion empfehlen soll, hängt vor allem davon ab, wie viele Freiheiten man einem Regisseur beim Umgang mit dem Libretto einräumt. Und dabei muss man bei dieser Inszenierung durchaus etwas großzügiger sein, wenn man die Aufführung nicht nur musikalisch genießen möchte.

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Don Giovanni (Gerardo Garciacano) ist von Donna Elvira (Emily Newton) genervt (rechts: Leporello (Morgan Moody)).

So beschäftigt Herzog vor allem die Frage, wieso es so lange dauert, bis Don Giovanni im Stück seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Dass die weiblichen Figuren beim Vollzug ihrer Rache zögern, ist durchaus noch nachvollziehbar, da sich alle auf ihre ganz eigene Art und Weise zu diesem Verführer hingezogen fühlen: Donna Elvira, die Don Giovanni hoffnungslos verfallen ist und bei jedem Hauch einer Hoffnung auf Erwiderung ihrer Gefühle von ihren Racheplänen Abstand nimmt, Zerlina, die in ihm eine willkommene Abwechslung zu ihrem bodenständigen, aber eben auch etwas tumben Bräutigam Masetto sieht, und Donna Anna, die ihren Don Ottavio wahrscheinlich nur deshalb so lange hinhält, weil Don Giovanni ihr gezeigt hat, was wahre Leidenschaft ist. Dass Don Giovanni bei Herzog aber auch Don Ottavio mit einem leidenschaftlichen Kuss gefügig macht, ist ein interessanter Ansatz, der zwar so keineswegs im Libretto steht, Ottavios anschließende Arie "Il mio tesoro intanto", in der er Masetto, Zerlina und Donna Elvira bittet, sich um Donna Anna zu kümmern, allerdings in ein ganz anderes Licht stellt, zumal die anderen diesen leidenschaftlichen Kuss beobachtet haben.

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Zerlina (Tamara Weimerich) und Don Giovanni (Gerardo Garciacano, rechts) erlauben sich mit Masetto (Sangmin Lee, links) einen Spaß.

Überhaupt spielt "Offenheit" in Herzogs Inszenierung eine ganz große Rolle. So wird beispielsweise durch einen Steg, der ins Parkett führt, die Barriere zum Publikum aufgehoben. Die Figuren und der Chor treten über diesen Steg durch den Zuschauerraum auf und ab, und das Publikum wird somit indirekt Teil der Inszenierung. Und um deutlich zu machen, dass ein Teil von Don Giovanni in uns allen tief verborgen steckt, treten die Figuren vor der Ouvertüre als Opernbesucher auf und nehmen auf der Bühne auf rot gepolsterten Stühlen Platz. Dabei wird dann auch mit keiner Peinlichkeit gespart, die einem jeden in ähnlicher Art schon einmal im Theater begegnet sein dürfte. Sei es der Sitznachbar in der Mitte, der relativ spät kommt, sich durch die engen Reihen quetscht und dabei den anderen Besuchern auch noch demonstrativ das Hinterteil zuwendet (Masetto), sei es das Handy, das mitten während der Ouvertüre klingelt mit dem anschließenden verständnislosen Blick Ottavios, der gar nicht nachvollziehen kann, wieso die Sitznachbarn sich darüber aufregen, dass er während der Aufführung telefoniert, oder der Besucher, den mitten in den leisen Stellen der Musik ein Hustenreiz überkommt, den er dann mit einem Bonbon zu unterdrücken versucht, ohne dabei natürlich darauf zu verzichten, das Bonbon recht geräuschvoll aus seinem Papier zu befreien. In diesen Momenten macht der Spielwitz des Ensembles der Bezeichnung "Dramma giocoso" alle Ehre. Dass Don Giovanni dann mitten in der Ouvertüre aufsteht und anfängt, Donna Anna zu verführen, sie dann auch noch hinter den Stühlen begattet, während der Komtur auf seinem Platz in der Mitte eingeschlafen ist, mag dem einen oder anderen dann aber doch ein bisschen zu weit gehen.

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Don Ottavio (Lucian Krasznec) tröstet Donna Anna (Eleonore Marguerre).

So gerät der Übergang vom Opernpublikum zu den Figuren des Stückes doch etwas abrupt. Auch ist es nicht der Komtur, der am Ende Don Giovanni mit in die Hölle nimmt, sondern die anderen Figuren machen dem Verführer den Garaus. Zwar lädt Don Giovanni die Statue des verstorbenen Komturs, den Christian Sist aus dem zweiten Rang unheilvoll ertönen lässt, zum Essen ein, aber zunächst treten Donna Anna, Don Ottavio, Masetto, Zerlina, Donna Elvira und Leporello mit der Urne des Komturs auf und nehmen an einer imaginären Tafel Platz, wobei sich alle mit einem Messer bewaffnet haben, mit dem sie Don Giovanni dann am Ende, wenn der "steinerne Gast" Don Giovanni dann zur Reue auffordert, hinterrücks erdolchen. Statt des Abstiegs in die Hölle wird der Übeltäter dann nur mit den Mänteln der übrigen Gäste zugedeckt, während der Komtur zufrieden abgeht und die übrigen wieder wie in der Ausgangssituation als Opernpublikum auf den roten Stühlen Platz nehmen. Nun ist es Leporello, der versucht, in Don Giovannis Fußstapfen zu treten, und zu den letzten Takt der Musik seine Hand auf Donna Elviras Knie legt.

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Don Giovanni (Gerardo Garciacano, vorne Mitte) hat zum Gastmahl geladen (von links: Masetto (Sangmin Lee), Zerlina (Tamara Weimerich), Don Ottavio (Lucian Krasznec), Komtur (Christian Sist), Donna Anna (Eleonore Marguerre), Donna Elvira (Emily Newton) und Leporello (Morgan Moody)).

Dass dieses Konzept in weiten Teilen aufgeht, ist vor allem der darstellerischen Leistung des Ensembles zu verdanken, das nicht nur musikalisch brilliert, sondern auch in der Inszenierung keine Langeweile aufkommen lässt. Gerardo Garciacano gibt die Titelpartie mit testosterongesteuerter Virilität und überzeugt mit kräftigem Bariton. Ob die Todessehnsucht, die Herzog in diese Figur hineininterpretiert und die von Garciacano auch glaubhaft umgesetzt wird, in jedem Moment so nachvollziehbar ist, bleibt allerdings diskutabel. So wirkt Don Giovanni in einigen Momenten lustlos, in denen das Libretto eigentlich vielmehr Tatendrang einfordert. Morgan Moody ist für die Figur des Leporello stimmlich und darstellerisch eine Idealbesetzung. Mit großem Spielwitz lässt Moody Don Giovannis Diener zunächst als Nerd auftreten, der seinen Herrn in gewisser Weise bewundert und dem allerdings klar ist, dass er ihm nicht das Wasser reichen kann. Umso bewegender zeichnet Moody die Entwicklung dieser Figur. Wenn Leporello als Don Giovanni Donna Elvira im zweiten Akt verführt, tritt er zwar erst später in Don Giovannis Fußstapfen - so lässt Herzog Don Giovanni zunächst nicht aus einem Versteck singen, sondern im direkten Augenkontakt mit Donna Elvira -, scheint sich aber zu dieser Frau ehrlich hingezogen zu fühlen, was am Ende, wenn er seine Hand auf Elviras Knie legt, wieder aufgegriffen wird.

Eleonore Marguerre stattet die Donna Anna mit höhensicherem Sopran aus, die sich nahezu spielerisch durch die Koloraturen bewegt, und gibt der Figur darstellerisch eine gewisse Ambiguität, so dass man eigentlich nie genau weiß, woran man bei dieser Frau eigentlich ist. Darunter leidet natürlich auch Don Ottavio, der von Lucian Krasznec mit weichem Tenor und strahlenden Höhen großartig präsentiert wird. Besonders beeindruckend spielt er die Faszination aus, die Ottavio in Herzogs Inszenierung selbst für Don Giovanni empfindet. Emily Newton punktet als Donna Elvira mit wunderbar lyrischem Sopran und zeichnet die Figur absolut warmherzig, so dass man durchaus Mitleid mit ihr empfinden kann. Tamara Weimerich gestaltet Zerlina mit einem mädchenhaft warmem Sopran und zeichnet sie als junge Frau, die genau weiß, wie sie sich ihren Masetto gefügig machen kann. Wenn sie ihn tröstet, nachdem er von Don Giovanni verprügelt worden ist, singt sie nicht ihn, sondern Don Giovanni an, der ihr gegenübersteht. Sangmin Lee stattet den Masetto mit dunklem Bass aus und spielt das recht einfache Gemüt des Bauern überzeugend aus. Gabriel Feltz präsentiert mit den Dortmunder Philharmonikern aus dem hinteren Bühnenteil einen leichten Mozart-Sound, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt. Einzelne Unmutsbekundungen für das Regieteam gehen im allgemeinen frenetischen Jubel unter.

FAZIT

Musikalisch bietet die Aufführung einen Hochgenuss. Szenisch gehen nicht alle Ideen von Jens-Daniel Herzog auf. Im Allgemeinen bietet die Inszenierung aber kurzweilige Unterhaltung, vorausgesetzt, man erwartet keine konventionelle Umsetzung.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz
Motonori Kobayashi

Inszenierung
Jens-Daniel Herzog

Bühne
Mathis Neidhardt

Kostüme
Sibylle Gädeke

Licht
Ralph Jürgens

Dramaturgie
Hans-Peter Frings
Georg Holzer

 

Opernchor des
Theaters Dortmund

Statisterie des
Theaters Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

Hammerflügel
Thomas Hannig
Luca De Marchi

Violoncello
Emanuel Matz
Andrei Simeon

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Don Giovanni
*Gerardo Garciacano /
Karl-Heinz Lehner

Komtur
*Christian Sist /
Karl-Heinz Lehner

Donna Anna, seine Tochter
*Eleonore Marguerre /
Ashley Thouret

Don Ottavio, ihr Verlobter
*Lucian Krasznec /
John Zuckerman

Donna Elvira
Emily Newton

Leporello
Morgan Moody

Masetto
*Sangmin Lee /
Ian Sidden

Zerlina, seine Verlobte
*Tamara Weimerich /
Julia Amos


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



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