Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Die Walküre

Erster Tag des Bühnenweihfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Premiere im Anhaltinischen Theater Dessau am 28. September 2014


Logo: Anhaltisches Theater Dessau

Anhaltisches Theater Dessau
(Homepage)

Das Eckige im Runden

Von Roberto Becker / Fotos von Claudia Heysel

Als André Bücker in Dessau sein Ring - Projekt von hinten mit der Götterdämmerung, also dem größten Brocken des Vierteilers, begann, da war man versucht zu sagen: schlau gemacht. Denn man kann nie wissen, ob die kulturpolitischen Voraussetzungen für so ein Groß-Projekt in Sachsen-Anhalt über die Jahre erhalten bleiben. Jetzt haben es die Kulturpolitik in Magdeburg und eine bittere Kehrtwende in der Dessau-Kommunalpolitik auf der einen Seite sowie die Beharrlichkeit und der Kampfgeist des Generalintendanten und Regisseurs Bücker auf der anderen Seite tatsächlich geschafft, dass in einer bitteren dialektischen Pointe Hoffnung und Befürchtung gleichzeitig zutreffen: Sie werden den Ring in Dessau (das ist jetzt, nach dem dritten großen Teil, klar) mehr als nur achtbar zu Ende bringen. Aber der durchaus geschickt mit der Dessauer Bauhaus-Ästhetik spielende Vierteiler, der zugleich ein imponierender musikalischer Leistungsnachweis des Hauses ist, wird der Abschluss von André Bückers Intendanz werden. Vielleicht gar die Begleitmusik zu einer leichtsinnig herbei geführten oder zumindest in Kauf genommenen Theaterdämmerung. Zu den ersten Aktivitäten des neuen Dessauer Bürgermeisters (FDP) gehörte die Neuausschreibung dieser für eine Kommune so wichtigen Position. Dass Bücker den Hinweis, dass er sich doch auch bewerben könne, als puren Zynismus empfinden muss, wird klar, wenn man sich an das Schicksal des letzten Bauhausdirektors erinnert und die Sympathien bzw. unverhohlenen Antipathien des Magdeburger Kultusministers vor Augen führt. Ein so traditionsreiches und für die ganze Region wichtiges Haus wie das Theater Dessau wird in Kürze ohne Generalintendanten, ohne GMD, mit einem bis unter die Funktionsgrenze eingeschrumpften Landeszuschuss, einem abgemagerten Schauspiel und einem Miniballett dastehen. Auf dieses Rahmenprogramm zur Walküre hätte man liebend gerne verzichtet.


Vergrößerung Siegmund und Sieglinde

Wenn unter solchen Bedingungen der Vorhang dennoch für ein so ambitioniertes Projekt wie geplant hochgeht und eine alles in allem beeindruckende Walküre ihre Premiere erlebt, dann ist das per se schon ein Riesenerfolg. Er ist es aber auch für sich genommen. Sicher, der erste Akt verläppert sich szenisch seltsam spannungslos. Der Baustamm mit dem Schwert baumelt als Kabelbaum mit lauter leuchtenden Drähten in einem Gerüst. Siegmund und Sieglinde sind etwas steril in weiße Kostüme verpackt. Hintergrundprojektionen verweisen auf das Innere eines Großrechners. Stephan Klemm ist als Hunding eine imponierende Erscheinung, seine Truppe ist vermummt. Sieglinde serviert ihnen das Essen in Flugzeug-Assietten und die Getränkebüchsen zischen überreichlich. Wenn vom Wonnemond die Rede ist, zieht der Erdtrabant in gefährlicher Nähe vorüber. Und doch passiert auf der Bühne eigentlich nichts wirklich aufregendes, wobei Robert Künzli als nicht allzu großformatiger, aber klar konturierter Siegmund und vor allem Angelina Ruzzafante, die als Sieglinde erhebliches dramatisches Format aufbietet, das gemeinsam mit dem spannungsgelandenen Orchester musikalisch ausgleichen.

Vergrößerung

Fricka und Wotan

Auch in den folgenden beiden Akten gibt es auf der Bühne von Jan Siegert wieder eine volle Dröhnung mit Videos von Frank Vetter und Michael Ott. Darunter ein imponierender Ausblick vermutlich aufs nächtliche Los Angeles. Wer die anderen beiden Teile schon kennt, findet sich zurecht. Erkennt bald den szenischen Weg hin zum bauhausaffinen Walküren- Würfel und in die Welt der Abbilder und Virtualisierung. Mit dem zweiten Aufzug, wenn Ulf Paulsen seinen Wotan als Filmboss in Hollywood mit komödiantischem Furor und imponierender Stimmgewalt ausstattet, wenn Rita Kapfhammer eine präzise Super-Fricka hinlegt und dann Irodanka Derilova als Brünnhilde der Extraklasse mit Handtasche und Handy aufkreuzt und die Regie im Schmachtfetzen über Siegmunds Tod übernimmt, aber dann doch den vorgesehenen Lauf der Dinge aufzuhalten versucht, ist die szenische Ring-Welt in Dessau wieder in Ordnung. Die Walküren haben ihren Auftritt als überdrehte Diven, die sich gerne von männlichem Personal in Matrosenuniform verwöhnen lassen. Und Brünnhilde wird am Ende im Würfelfelsen vom innerlich zerrissenen, und im Ganzen ziemlich menschlich widersprüchlichen Papa ins Strafkoma gesungen.


Vergrößerung Wotan und die Walküren

Im Runden formt sich hier das Eckige - am Ende ist der aufgefächerte Konstrukt wieder genau jener Würfel (mit eingeschlossener Brünnhilde), über dessen weitere Verwendung wir schon Bescheid wissen. Die gebogenen Riesenleinwände erlauben es, aus dem live gefilmten Lebensende von Siegmund einen Hollywood-Schinken vor imponierender Landschaftskulisse zu fabrizieren. In dem dann auch mal der (echte) Mount Rushmore auftaucht. Als augenzwinkernden Gruß an den Roten Mount Rushmore im aktuellen Bayreuther Ring von Frank Castorf.

Vergrößerung

Wotans Abschied

Dessau als Bayreuth des Nordens - dieses in der Stadt gerne mal aufgewärmte Wort ist bislang auch deshalb noch kein Märchen aus uralten Zeiten, weil Antony Hermus und die Anhaltische Philharmonie einen fabelhaften Walküren-Sound drauf haben. Er überbrückt mit Grabenspannung auch die szenische Flaute im ersten Akt und schlägt sich in den folgenden beiden voll auf die Seite des Spielwillens und der imponierenden stimmlichen Qualitäten seiner Protagonisten. Jubel für das Ensemble, ein paar Buhs im Beifall fürs Regieteam und stehende Ovationen fürs Orchester.


FAZIT

Das Anhaltische Theater Dessauer arbeitet sich vom Ende des Nibelungen-Rings zum Anfang vor - Antony Hermus und André Brücker sind jetzt bei der "Walküre" angekommen. Die Szene fügt sich, die musikalische Qualität ist alles in allem ausgezeichnet - man darf gespannt sein, wie sich das Projekt mit dem Anfangsstück noch in dieser Spielzeit runden wird. Wer neugierig ist, sollte nichts auf die lange Bank schieben. Für das Theater in Dessau stehen die Zeichen eher auf Sturm.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antony Hermus

Inszenierung
André Bücker

Bühne
Jan Steigert

Kostüme
Suse Tobisch

Video
Frank Vetter
Michael Ott

Dramaturgie
Felix Losert



Statisterie des Anhaltischen Theaters

Anhaltische Philharmonie


Solisten

Siegmund
Robert Künzli

Sieglinde
Angelina Ruzzafante

Hunding
Stephan Klemm

Wotan
Ulf Paulsen

Fricka
Rita Kapfhammer

Brünnhilde
Iordanka Derilova

Helmwige
Einat Ziv

Gerhilde
Gerit Ada Hammer

Ortlinde
Cornelia Marschall

Waltraute
Anne Weinkauf

Siegrune
Kristina Baran

Roßweiße
Jagna Rotkiewicz

Grimgerde
Gwendolyn Reid Kuhlmann

Schwertleite
Constanze Wilhelm

Kameramann
Kruno Vrbat


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Anhaltischen Theater Dessau
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum

© 2013 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -