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Ariadne auf Naxos

Oper in einem Aufzuge nebst einem Vorspiel
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 10' (keine Pause)

Premiere am 27. September 2014 im Opernhaus Düsseldorf


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Rheinoper
(Homepage)
Innenansichten der Rheinoper

Von Stefan Schmöe / Fotos von Hans Jörg Michel


Der reichste Mann der Stadt bleibt im ganzen Stück unsichtbar. Er bezahlt das Spektakel, das auf der Bühne zu sehen ist, und er ordnet an, die opera seria "Ariadne auf Naxos" gleichzeitig zur Commedia dell'Arte-Farce "Die ungetreue Zerbinetta" aufzuführen, aber bitte so, dass pünktlich um 21:45 Uhr zum Feuerwerk Schluss ist. Er lässt verkünden, ohne in Erscheinung zu treten - eigentlich. In Düsseldorf ist es anders, streng genommen, denn hier ist die Bürgerschaft, also das Kollektiv der Steuerzahler, dieser reichste Mann der Stadt, und repräsentiert durch das Opernpublikum wird es präsenter Teil der Aufführung. Sein Stadtpalais ist in diesem Fall unverkennbar das Düsseldorfer Opernhaus, dessen Architektur sich auf der Bühne fortsetzt und mit dem Videobild des Zuschauerraums als Blickfang die Perspektive umdreht, mit dem Haushofmeister als Inspizient des Theaters. Da wird die Frage nach Kunst und Unterhaltung eine ganz aktuelle, und auch eine ziemlich unterhaltsame.

Szenenfoto

Sein hehres Kunstwerk, die opera seria "Ariadne auf Naxos", Sinnbild menschlicher Einsamkeit, soll durch eine parallel gespielte Farce zerstört werden: der Komponist (Maria Kataeva)

Um Richard Strauss hat Regisseur Dietrich Hilsdorf 149 Inszenierungen lang einen Bogen gemacht, Seine 150. Regiearbeit, so vermeldet die Rheinoper nicht ohne Stolz, widmet er jetzt doch dem Jubilar. Und das mit der artifiziellen Ariadne auf Naxos, die aufgrund der verschachtelten, in vielen Details ziemlich eng vorgegebenen Handlung nicht allzu viele Spielräume lässt und mehr zu arrangieren als zu inszenieren ist. Letztendlich macht das auch Hilsdorf und bleibt (von der Verlegung vom Hofmannsthalschen Wien ins heutige Düsseldorf abgesehen) ganz nah an der Vorlage - so nah, dass das mitunter gerade dadurch provokative Spitzen bekommt, wenn die Regie gezielt über die versöhnliche Ironie hinweg geht und den Text beim Wort nimmt. Suchen andere Regisseure die subkutanen Verbindungslinien zwischen heroischer Oper und Komödie, so betont Hilsdorf die Brüche und das Trennende. Die Harlekinade bleibt ein verfremdender Störfaktor in der hehren Kunst, und wenn das angekündigte Feuerwerk in den leisen Schluss hinein platzt und die Ehrengäste in der ersten Parkettreihe trotz der leise verklingenden Musik ehrfurchtslos nach draußen stürmen, dann ist das eben auch eine Verweigerung der Synthese, die Strauss und seinem Librettisten Hofmannsthal vorschwebte. Aber es ergibt Sinn.

Szenenfoto

Theaterpraktiker, die irgendwie aus wirren Vorgaben eine vernünftige Aufführung ermöglichen sollen: Der Musiklehrer (Stefan Heidemann, vorne) und der Tanzmeister (Florian Simson)

Diese Ariadne ist eben auch eine bissige Parodie auf den Theaterbetrieb, und das macht dem glänzend aufspielenden Ensemble offenbar viel Freude. Das komplette halbstündige Vorspiel mit den Vorbereitungen zur eigentlichen Oper lässt Hilsdorf bei Saallicht spielen und verzichtet dabei auch auf Übertitel - man steigt als Zuschauer unmittelbar ein in den Proben- und Aufführungsbetrieb eines Opernhauses. Das Orchester ist auf die Hinterbühne verbannt, was den Sängerschauspielern, ohne Orchestergraben direkt an der Rampe (und Hilsdorf-typisch auch im Zuschauerraum) agierend, viel Präsenz gibt. Auch später, in der eigentlichen Ariadne-Handlung, bleibt in Brecht'scher Manier immer sichtbar, dass wir uns auf dem Theater befinden (und der hehre Anspruch der großen Oper mitunter ein ziemlich hohler sein kann). Auch (oder gerade weil) es da das eine oder andere Detail zum Ärgern gibt, wird deutlich, wie modern die Dramaturgie dieser Oper doch eigentlich ist.

Szenenfoto

Da sie sowieso immer sich selbst spielt, ist es auch egal, welches Stück gegeben wird: Zerbinetta (Elena Sancho Pereg) am Schminktisch, rechts Truffaldin (Bogdan Talos-Sandor) und Harlekin (Dmitri Vargin)

Die "wüste Insel", auf die Ariadne verbannt ist, besteht (ganz im Sinne des Librettisten) aus einem denkbar einfachen Podest und einem durchscheinenden Prospekt mit Böcklins Toteninsel. Ariadne, der Karine Babajanyan metallisch strahlende (nicht übermäßig volle) Töne, aber etwas wenig sonoren Unterbau mitgibt, beschäftigt sich mit einem gewaltigen Wollknäuel: Der berühmte Ariadne-Faden (der Theseus den Weg durch das Labyrinth des Minotaurus finden ließ) und gleichzeitig Insignium eines bürgerlichen Frauenbildes. Solche Ambivalenzen durchziehen die Aufführung. Hilsdorf hält das sehr gelungen in der ironischen Schwebe - und den schwierigen Jubilar Richard Strauss zwischen metaphysischem Weltentwurf und Bürgerlichkeit auf gesunder Distanz. Da darf das antikisierende Kostüm des Bacchus ruhig ein wenig karikierend sein und ihm der Thyrsosstab, Machtzeichen und Phallussymbol, schnell noch aus der Requisite gereicht werden. Roberto Saccá singt mit ausgesprochen klangschönem, kraftvoll strahlenden Tenor (es dürfte ihn aber ruhig mal jemand daran erinnern, dass das Orchester hinter ihm sitzt und er sich in der Lautstärke deutlich zurück nehmen kann).

Umjubelter Star des Abends ist Elena Sancho Pereg als junge, ungemein attraktive Zerbinetta mit blendender Figur und kokettem Augenaufschlag - und einer aufreizend jugendlichen Stimme. Ihr fehlen die wehmütigen Zwischentöne (die von der Regie wohl auch nicht gewollt werden), aber sie brilliert mit glasklar ausgesungenen Koloraturen und zupackend auf den Punkt gesungenen Spitzentönen. Wenn die Stimme noch ein bisschen mehr an Fülle gewinnt, dürfte man die Sängerin schnell auf den ganz großen Festivals erleben. Dimitri Vargin ist ein großformatiger Harlekin, Cornel Frey (Brighella), Bruce Rankin (Scaramuccio) und Bogdan Talos-Sandor (Truffaldin) eine ordentliche Komödiantentruppe mit viel Spielwitz. Wie sie mit großen staunenden Augen der Ariadne zuschauen, gehört zu den schönen Details dieser Inszenierung. Elisabeth Selle als Najade, Lavinia Dames als Echo und Iryna Vakula als Dryade bilden ein wohlklingendes Terzett.

Szenenfoto

Und dann wird die opera seria "Ariadne auf Naxos" doch noch gespielt, irgendwie: Ariadne (Karine Babajanyan) und Bacchus (Roberto Saccá) mit Ariadnefaden

Blendend aufgelegt sind Stefan Heidemann als Musiklehrer und Florian Simson als Tanzmeister, die von der Verbannung des Orchesters auf die Hinterbühne hörbar profitieren und szenisch wie stimmlich großes Komödientheater veranstalten. Durchwachsen dagegen der Komponist der noch sehr jungen Maria Kataeva, die mit manchem schönen Ton aufwartet, aber in anderen Passagen ziemlich angestrengt klingt und noch in die Partie hineinwachsen muss - aber auch das ein viel versprechendes Debut. Und Peter Nikolaus Kante rundet in der Sprechrolle des allmächtigen Haushofmeisters respektive Theaterinspizienten ein bemerkenswertes Ensemble ab.

Ein paar akustische Abstriche muss man schon machen, wenn man das Orchester auf die oben offene Bühne anstatt in den Graben setzt - nicht jedes Detail klingt da so transparent wie gewünscht. Unter der Leitung von Chefdirigent Axel Kober gestalten die guten Düsseldorfer Sinfoniker die permanenten Stimmungswechsel außerordentlich plastisch und flexibel, und was sich eben noch als spannungsgeladene große Oper aufbaut, entlädt sich im nächsten Moment als brillante Konversationsszene. Und doch fällt die Partitur nicht in Einzelteile auseinander. Kober trifft den Nerv der Musik genau und wird mit diesen wechselnden Schattierungen zum kongenialen Partner des Regisseurs.


FAZIT

Fulminanter Saisonstart der Rheinoper mit einer turbulenten, anspielungsreichen Ariadne. Es mag nicht alles Gold sein, was da musikalisch glänzt, aber es ist schon manches Gold dabei. Und Dietrich Hilsdorfs erste Strauss-Inszenierung gehört im Jubiläumsjahr sicher zu den bemerkenswerten Interpretationen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Axel Kober

Inszenierung
Dietrich W. Hilsdorf

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Renate Schmitzer

Licht
Volker Weinhart

Dramaturgie
Bernhard F. Loges



Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

Der Haushofmeister
Peter Nikolaus Kante

Ein Musiklehrer
Stefan Heidemann

Der Komponist
Maria Kataeva

Ein Tanzmeister
Florian Simson

Primadonna (Ariadne)
Karine Babajanyan

Der Tenor (Bacchus)
Roberto Saccà

Zerbinetta
Elena Sancho Pereg n

Harlekin
Dmitri Vargin

Scaramuccio
Bruce Rankin

Truffaldin
Bogdan Talos-Sandorv

Brighella
Andreas Hermann

Najade
Elisabeth Selle

Dryade
Lavinia Dames

Echo
Iryna Vakula

Ein Offizier
Hubert Walawski

Ein Perückenmacher
Attila Fodre

Ein Lakai
Lukasz Konieczny



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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