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Keine Chance für die Liebe
Von Joachim Lange
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Fotos © Forster Die Penthesilea-Tragödie von Kleist aus dem Jahre 1808 ist auch ohne Musik ein archaischer Psycho-Thriller sondergleichen. Mit Musik jedoch gewinnt sie eine Dimension, die die Grenzen des Erträglichen auslotet. Das ist bei Othmar Schoecks Variante aus dem Jahre 1927 so. Und es ist auch bei Pascal Dusapins neuester Opern so. Seine Penthesilea wurde jetzt an der Brüssler Oper La Monnaie uraufgeführt. Wie kann die Wirkung auch anders sein, wenn Küsse und Bisse zwei Seiten des Begehrens sind? Wenn Liebe und Tod so eng beieinander liegen wie sonst nur bei Salome, Penthesilas Schwester im Operngeiste? Und der Mann am Ende als der im Blutrausch des Irrtums zerfleischte Kollateralschaden auf dem Schlachtfeld zurückbleibt? Die Amazonen, die Männer erbeuten und nur zum Zwecke der Fortpflanzung benutzen, wirken heute wie ein prophetischer Zerrspiegel der Terrorbanden in Afrika, die geradewegs aus der Hölle kommen und sich die jungen Frauen von den Schulbänken weg zusammenrauben. Doch der Krieg der Geschlechter ist auch in den vermeintlich emanzipierten Gesellschaften noch virulent. Ob als subversives Gift parallelgesellschaftlicher Verweigerung von Gleichheit. Oder in den subtileren Formen des Machtkampfes zwischen den Geschlechtern um gesellschaftliche Partizipation. Amazonen vor stimmungsvollem Hintergrund
All das erwächst aus einem Zusammendenken von Begehren und Besitz, bei dem die vielbeschworene „Ehre“ als Unterwerfung der Frau unter den Besitzanspruch des Mannes begriffen wird. Dieser patriarchalische Moral-Konsens dominiert die Opernlibretti vor allem des 19. Jahrhunderts - bis Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss im Rosenkavalier ihre Feldmarschallin diesen Besitzanspruch in der Liebe aufgeben lassen. Aufmarsch zum Krieg der Geschlechter
Der erfolgreiche französische Komponist Pascal Dusapin (60) rückt mit seiner neuen, imponierend geschlossen und großformatig gelungenen Oper dem archaischen Urgrund des Stoffes auf den Pelz. Mit geradezu erfrischend konservativem Wagemut riskiert der Franzose mit seiner Komposition eine Melange aus archaischem Dramenstoff (die Librettosprache bleibt Deutsch und in Kleist-Nähe) und großem Orchestereinsatz. Dabei blendet er das 19. Jahrhundert und den Nachhall der Spätromantik in der Moderne nicht aus, sondern lässt beides geradezu ungeniert mitschwingen. Rumoren und motivisches Wabern. Aufrauschen und Losdonnern. Dabei stets mit ariosem Futter für die Sänger und im Dienste einer packenden Eloquenz der Leidenschaften. Hier reimen sich Stiche und Bisse
Und Regisseur Pierre Audi, der für die eigentlich vorgesehene Katie Mitchell kurzfristig eingesprungen ist, zieht dem Stoff, sozusagen metaphorisch, nicht nur das Fell über die Ohren, sondern gerbt es auch gleich noch. Aus dem Umfeld genau dieses alten Gewerbes stammen nämlich die Bilder seiner atmosphärisch düsteren Uraufführungsinszenierung. Da tropft in bühnenfüllenden Videoeinblendungen Wasser von aufgehängten Tierhäuten. Die dann, übereinander geschichtet, auf Paletten gelagert werden. Penthesileas Amazonen und Achilles Krieger könnten im Zivilberuf Gerber sein. Das lässt zumindest ihr Kleidung vermuten. Einsicht, die zu spät kommt: Penthesilea mit dem Rücken zur Wand
Vor allem für Natascha Petrinsky als Penthesilea und Georg Nigl als Achilles stellt die Partitur eine enorme Herausforderung dar, die beide grandios bewältigen. Um das zentrale Paar herum mühen sich Werner von Mechelen als Odysseus auf der einen und Marisol Montalvo als Prothoe auf der anderen Seite vergeblich, der absehbaren Katastrophe entgegenzusteuern. Zum Auftakt lässt die Harfe Töne aus dem Nichts tropfen, so wie das Wasser von der Tierhaut perlt. Das wird zur Initialzündung für die Eruptionen der Leidenschaft, die aus dem einsetzenden Grundraunen des Orchesters immer wieder empor geschleudert werden. Am Ende verschwindet alles Klingen wieder erschöpft im Nichts. Dazwischen bewältigt Franck Ollu mit Präzision und der Lust am ganz großen, motivisch durchzogenen Sound mit dem La Monnaie Musikern einen Orchesterpart, der gewiss auch für andere Klangkörper ein Leckerbissen wäre. FAZIT An der Oper La Monnaie hinterlässt die Uraufführung von Pascal Dusapins Penthesilea einen gewaltigen Einduck. In Brüssel wurde ein grandioses Stück neues Musiktheater bejubelt! Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Video
Chor
Dramaturgie
Solisten
Penthesilea
Prothoe
Achilles
Odysseus
Oberpriesterin
Bote
Botin
Amazone
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E-Mail: oper@omm.de