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Don Giovanni

Dramma giocosa in zwei Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang A. Mozart


In italienischer Sprache mit flämischen und französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Théâtre de La Monnaie in Brüssel am 2. Dezember 2014


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La Monnaie
(Homepage)
Eine Donna Anna mit Waffenschein

Von Roberto Becker / Fotos Bernd Uhlig / La Monnaie

Diesmal fallen die szenische und die musikalische Überzeugungskraft an der Brüsseler Oper La Monnaie schmerzlich auseinander. Ausgerechnet bei der "Oper der Opern" fällt der Orchesterpart schwach aus. Ludovic Morlot vermeidet jede Pointierung, kommt selten mal aus dem gemächlichen, eher romantischen Dahinschleichen heraus. Oft haut auch die Abstimmung zwischen Graben und Bühne noch nicht so ganz hin. Schon Leporello kommt so um einen Szenenapplaus nach der Registerarie. Und das lag nicht an dem fabelhaften Andreas Wolf, der mit seiner Eloquenz und seinem kernigen Timbre von Anfang an begeistert und die überzeugendste vokale Leistung des Abends abliefert. Auch Donna Anna kassiert zunächst nichts, obwohl schon das atemberaubende Spitzen-Fast-Nichts, mit dem sie Don Giovanni (zu dem sie sich obsessiv hingezogen fühlt) das zweite Mal begegnet, einen Auftrittsapplaus verdient hätte. Es dauert bis zur zweiten Donna-Elvira-Arie, bis dann endlich mal rückhaltloser Stimm- und Körpereinsatz, in dem Fall von Rinat Shaham, honoriert wird. Aber das Premierenpublikum tat sich ohnehin etwas schwer mit dieser Produktion. Dafür lieferte der mitunter einschläfernd wirkende Beitrag aus dem Graben allerdings nicht einmal den wichtigsten Grund.


Foto kommt später Mord in der Theaterloge: Leoprello, Donna Anna, Komtur und Don Giovanni

Der lag wohl eher in der Ambition der Regisseurs. Am schlüssigsten gelang ihm die szenische Umsetzung in den ersten Szenen, die wie ein Psycho-Kammerspiel um die unerfüllbaren Obsessionen kreisten, zu denen hier Begehren oder Liebe geworden sind. Warlikowski macht vor allem aus Giovanni und Anna Menschen auf der Jagd nach dem nächsten Kick. Und sei es der Sex in der Öffentlichkeit einer Theaterloge, in der wir diese Bourgeoisie ganz indiskret bei Ihrer Jagd nach und Flucht von sich selbst, am Anfang beobachten. So fängt das ganze dunkle Spiel im gestylten Luxusambiente nämlich an. Der Komtur und seine Begleiterin sitzen in der linken Seitenloge, die übrigen vergnügen sich in der Rechten. Nach einen Quickie mit Ottavio, der dann hinaus komplementiert wird, können wir da nämlich beobachten, wie Leporello, Donna Anna und Don Giovanni auf den vorne laufenden Erotikstreifen reagieren, der auf der Bühne gezeigt wird. Den Auftakt bildet eine Kontaktaufnahme in der Metro, die ohne viel Federlesen in eine volle Aktion im Hotelzimmer übergeht. Von seiner Rolle in diesem Film und von seiner Rolle im Leben ist dieser Don Giovanni zwar besessen, aber auch gestresst. Er muss sich aufraffen, wenn eine potentielle Eroberung ins Visier gerät bzw. auf den Schirm von Leporello Laptop erscheint, wo sich dutzende Frauen mehr oder weniger attraktiv ins Bild bzw. Kurzvideo setzen.

Foto kommt später

Immer die Hand am Drücker: Donna Elvira, Zerlina, Masteto und Donna Anna

Auch Zerlina macht da keine Ausnahme. Sie langweilt sich offenbar schon bei ihrer Hochzeit mit ihrem Masetto, auch wenn der ausgesprochen attraktiv ist und sich vehement gegen Giovannis Übergriffe zur Wehr setzt. Zerlina ist angetrunken und spielt das Spiel mit, auch wenn sie die Sache mit der Hochzeit an Ort und Stelle keine Sekunde glaubt. Ottavio und Masetto sind eher Störgrößen, was vor allem Ottavio erst mit Demütigungen und dann sogar mit seinem Leben bezahlen muss. Am Ende ist Don Giovannis weibliches Pendant Donna Anna geradezu hysterisch von der Rolle, dass sie sich zwar nicht - wie Giovanni - selbst umbringt, dafür aber wenigsten ihren gelegentlichen Liebhabertrottel Don Ottavio. Das Spiel mit Pistolen gehört bei ihr offenbar zum Vorspiel. Diesmal endet das für zwei Männer tödlich. Don Giovanni wollte sich eigentlich schon am Ende des ersten Aktes, dessen Tumult in einem erstarrten Bild mündet, umbringen. Eine Frau kann ihm gerade noch den Lauf der Waffe wieder aus dem Mund reißen. Nicht ohne sich vorher Rock und Bluse zu entledigen. Für Giovannis zweiten und diesmal erfolgreichen Selbstmordversuch war die Predigt des Komtur daher nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, und nicht die Ursache.

Foto kommt später

Don Giovanni am Boden, links Zerlina, rechts Donna Elvira, hinten die beiden Helfer im Hause Don Giovannis

Sie hatte ohnehin schon die moralische Strafpredigt des Komturs auf sich bezogen. Das Spiel mit Pistolen gehört bei ihr offenbar zum Vorspiel. Diesmal endet das für zwei Männer tödlich. Don Giovanni wollte sich eigentlich schon am Ende des ersten Aktes, dessen Tumult in einem erstarrten Bild mündet, umbringen. Eine Frau kann ihm gerade noch den Lauf der Waffe wieder aus dem Mund reißen. Nicht ohne sich vorher des Rockes und der Bluse zu entledigen. Für Giovannis zweiten und diesmal erfolgreichen Selbstmordversuch war die Predigt des Komturs daher nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, und nicht die Ursache.

Bei Warlikowski eskaliert die innere Leere als szenische Lähmung immer mehr. Was nicht heißt, dass vor allem die Frauen in Bewegungslosigkeit verfallen würden. Ganz im Gegenteil. Vor allem für Barbara Hannigan gibt es keine Grenzen. Die ist erstklassiges Modell, Bühnenathletin, Augenweide und Koloraturkünstlerin in einem. Man vergisst völlig, dass ihr zur Donna Anna doch etwas an vokaler Substanz für die Attacke fehlt. Außerdem gibt es zweimal eine sozusagen stellvertretende, personifizierte, ekstatische Dauerbewegung von exotischen Tänzerinnen.

Foto kommt später

Es geht aufs Ende zu: Links Leporello, Don Giovanni und der Kontur, am Boden Donna Anna

Vokal führt der exzellente Andreas Wolf als Leporello das Ensemble an, auch Jean-Sébastien Bou überzeugt mit seiner Gestaltung der Titelfigur. Rinat Shaham ist eine fulminante Donna Elvira und Jean-Luc Ballestra ein in jeder Hinsicht überzeugender Masetto. Julie Mathevet ist eine handfest kokette Zerlina. Willard White ist ein leicht fahler, aber im ganzen würdiger Komtur, während der überzeugend spielende Topi Lehtipuu einige Mühe hat, die Geschmeidigkeit der Arien Ottavios zu bewältigen.

FAZIT

Krzysztof Warlikowski hat Mozarts Don Giovanni wie einen düsteren Kommentar zu den Erschöpfungen einer übersexualisierten Welt inszeniert. Das war für viele Zuschauer schwer verdaulich, wirkt aber lange nach.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ludovic Morlot

Inszenierung
Krzysztof Warlikowski

Ausstattung
Malgorzata Szczesniak

Licht
Felice Ross

Video
Denis Guéguin

Choreographie
Claude Bardouil

Chor
Martino Faggiani

Dramaturgie
Christian Longchamp



Chor und Orchester der
Oper La Monnaie, Brüssel


Solisten

Don Giovanni
Jean-Sébastien Bou

Il Commendatore
Sir Willard White

Donna Anna
Barbara Hannigan

Don Ottavio
Topi Lehtipuu

Donna Elvira
Rinat Shaham

Leporello
Andreas Wolf

Masetto
Jean-Luc Ballestra

Zerlina
Julie Mathevet


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
La Monnaie
(Homepage)



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