Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Salome

Musikdrama in einem Aufzug
nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung
Deutsch von Hedwig Lachmann
Musik von Richard Strauss


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 1. Februar 2015


Homepage

Theater Bonn
(Homepage)

Eine schrecklich verstörte Familie

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Salome - ein Kaffeehausdrama? Nun ja, bei Oscar Wilde (dessen Drama die Textgrundlage bildet) und Richard Strauss ist der Gedanke ja nicht ganz abwegig, waren doch beide auf ihre Art Salonlöwen. Was Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka, gleichzeitig Regisseurinnen und Ausstatterinnen (oder muss man besser sagen: Gesamtkunstwerkerinnen?), hier zeigen, ist ein reichlich surreales Ambiente, das mit gastronomischen Einrichtungen in München, London oder Wien wenig zu tun hat. Ein schräg gestellter Raum mit Schachbrettmuster, in dem Tische und Stühle sich an der linken Wand hochziehen. Unterkühlter Eleganz der 1920er-Jahre, noch dazu in einen goldenen Bilderrahmen eingefasst, der deutlich einen Riss zeigt. Nein, ein naturalistischer Schauplatz ist das sicher nicht, vielmehr ein symbolischer Raum. Das Kaffeehaus als Palast des Großbürgertums.

Szenenfoto

Kaffeehaus, hochkant gestellt: Salome und Festgesellschaft

Die Geschichte wird schnell zum (Alb-)Traumspiel, und lange bleibt offen, was real und was Fantasie ist. Wie in einem Mystery-Thriller verdichten sich nach und nach die Anzeichen, dass Salome, noch ein halbes Kind, von Stiefvater Herodes sexuell missbraucht wurde, und die Bewältigung dieses Traumas geht nur über Leichen. Wer dieser fanatische Prophet Jochanaan wirklich ist, bleibt in der Schwebe - alter ego und Gegenentwurf zu Herodes in einem, Projektionsfläche für Salomes Rachevisionen. Die Regie spielt mit uneindeutigen Bildern, und man muss sie wohl vom Ende her interpretieren, wenn Herodias, Herodes und Salome als Familie am Tisch sitzen und gleich drei Köpfe serviert bekommen - ihre eigenen. Da ist es längst kein Kaffehausdrama mehr, sondern eine bitterböse Familientragödie.

Szenenfoto

Prinzessin und Prophet: Salome und Jochanaan

Man kann der Inszenierung so manches vorwerfen: Die Überfülle an (zum Teil auch plumpen) Symbolen widerspricht jeglicher Ökonomie der Mittel. Auf den genauen Wortlaut des Textes sollte man besser nicht achten, denn der passt oft nicht (mitunter auch nicht einmal ungefähr). Die Inzest-Deutung ist nicht neu und auch schon genauer gezeigt worden. Manches ist allzu spektakulär und vordergründig dem Bühneneffekt geschuldet (da muss die Bühnentechnik sogar bestens sichtbar eingreifen, um brennende Puppen zu löschen). Alles ein bisschen dick aufgetragen also. Und doch geht diese Salome unter die Haut (und natürlich darf das Theater auch mal dick auftragen und mächtig Bühnenzauber veranstalten). Der vielleicht entscheidende Drehpunkt ist der Tanz der sieben Schleier, heikle Stelle in vielen Inszenierungen, hier aber packend gelöst. Ein Salome-Double und ein Tänzer tanzen einen langen, todeslangsamen Walzer, und nachdem Salome sich von diesem Paar gelöst hat, zieht sie ein Kinderkleid an und steigert sich in Rachevisionen, bei denen sie die ganze Gesellschaft dahin rafft.

Szenenfoto

Tanz der sieben Schleier: Die echte Salome (vorne) wird sich gleich Gewaltfantasien hingeben

Nicola Beller Carbone in der Titelpartie trägt das Konzept ganz hervorragend. Ihre Stimme ist eigentlich eine Nummer zu klein für diese Wahnsinnspartie, und es ist bemerkenswert, wie die Sängerin ihre gesanglichen Mittel hochexpressiv einsetzt, ohne zu forcieren: Auch in den dramatischen Passagen bleibt sie klangschön, gleicht mit kluger Gestaltung aus, was an Lautstärke gelegentlich fehlt. Und sie verkörpert mit beklemmender Intensität die doppelgesichtige Frau, die Kind und Racheengel zugleich ist. Das beinhaltet auch, dass sie einige (wenige, aber entscheidende) Stellen quasi mit verstellter Stimme singt, einen "kindlichen" Tonfall bemüht, der sich schneidend quer stellt zur Musik: Auch so ein Moment der Irritation an diesem höchst spannenden Abend.

Szenenfoto

Abendessen im Familienkreis: Herodias (links), Salome und Herodes.

Und die Männer halten grandios dagegen: Roman Sadnik zeichnet mit tenoraler Kraft ein scharfes und vielschichtiges Charakterportrait des Herodes (in dem man, was das angedeutete Bärtchen und die Frisur betrifft, ganz vorsichtig Hitler erahnen mag). Mark Morouse ist ein wuchtiger Jochanaan von heldenbaritonalem Format, und Johannes Mertes singt einen stimmlich gewichtigen, höhensicheren Hauptmann Narraboth. Ein wenig blass bleibt da im Vergleich Anjara I. Bartz als etwas angestrengte Herodias. Beeindruckend sind die kleinen Partien besetzt: Das zur Hysterie neigende Judenquintett (mit einem brillanten Martin Koch), mit Priit Vollmer und Christian Specht als Nazarenern, Rolf Broman und Martin Tzonev als ungemein präsenten Soldaten (die hier kellnern). Und das ist durchweg sehr genau gestaltet, szenisch wie musikalisch: Großes Theater.

Das gibt es auch aus dem Orchestergraben: Unter der Leitung von Chefdirigent Stefan Blunier bleibt das Beethoven Orchester der Partitur nichts an Hochspannung schuldig. Blunier nimmt das Orchester immer wieder geschickt im Klang zurück, um die Sänger nicht zuzudecken, setzt aber auch gezielt entscheidende Akzente, wenn es darauf ankommt. Er schärft die Klangfarben und betont die "hässlichen" Klänge - und das macht hörbar, wie radikal modern Richard Strauss hier komponiert hat. Das gibt immerhin eine Ahnung, wie Salome, längst als gutbürgerliches Repertoirestück etabliert, seinerzeit manchen verschreckt haben mag. Und im Einklang mit der Regie immer noch kann.


FAZIT

Über manchen Aspekt lässt sich sicher streiten, aber diese Salome, in der Musik und Szene hervorragend aufeinander abgestimmt sind, ist von beklemmender Wucht und unbedingt hörens- und sehenswert.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Blunier

Inszenierung und Ausstattung
Alexandra Szemerédy
Magdolna Parditka

Licht
Thomas Roscher

Choreographie
Olaf Reinicke


Statisterie
des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

* Besetzung der Premiere

Herodes
Roman Sadnik

Herodias
Anjara I. Bartz

Salome
* Nicola Beller Carbone /
Manuela Uhl

Jochanaan
Marc Morouse

Narraboth
* Johannes Mertes /
Tamás Tarjányi

Page der Herodias
Kathrin Leidig /
* Lisa Wedekind

Erster Jude
Martin Koch

Zweiter Jude
Christian Georg

Dritter Jude
Taras Ivaniv

Vierter Jude
Ali Magomedov

Fünfter Jude
Johannes Marx

Erster Nazarener
Priit Vollmer

Zweiter Nazarener
Christian Specht

Erster Soldat
Rolf Broman

Zweiter Soldat
Martin Tzonev

Sklave
Martina Kellermann

Ein Cappadocier
Algis Lunskis

Ein Tanzpaar
Nathalie Brandes
Olaf Reinicke



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Bonn
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -