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Musiktheater
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Rinaldo

Opera seria in drei Akten (HWV 7a)
Text von Giacomo Rossi nach einem Szenario von Aaron Hill
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Produktion der Oper Zürich

Premiere im Opernhaus Bonn am 30. November 2014


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Theater Bonn
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Rolltreppe ins Zauberreich

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Kreuzritter im feinen Anzug mit schwarzen Aktenkoffern, die in einem großen Konferenzraum die Eroberung Jerusalems planen, Sarazenen, die in modernen Kostümen die Vielfalt der heutigen islamischen Welt widerspiegeln, ein Wartesaal in einer Abflughalle mit Kofferkulis und einem Putzmann, der sich als christlicher Magier entpuppt, und eine Rolltreppe, die in Armidas Zauberreich die fliegenden Drachen ersetzt: Wer Händels Rinaldo als Zauberoper erleben will, dürfte bei dieser Inszenierung in Bonn falsch sein und sollte sich eher die Fassung des Marionettentheaters Compagnia Marionettistica Carlo Colla e Figli ansehen, das sich mit diesem Stück erneut auf Tournee befindet und am 20. Dezember 2014 im Bayer Kulturhaus zu erleben sein wird (siehe auch unsere Rezension von den diesjährigen Händel-Festspielen in Karlsruhe). In der Bonner Inszenierung, die im Sommer 2008 an der Oper Zürich herausgekommen und von dort übernommen worden ist, sind die Kreuzritter im Hier und Jetzt angekommen. Dass ein Großteil des Publikums sich mit dieser Deutung trotzdem anfreunden kann und die Produktion einen gewissen Zauber besitzt, dürfte der präzisen Personen-Regie von Jens-Daniel Herzog zu verdanken sein, auch wenn nicht jeder Regie-Einfall nachvollziehbar ist.

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Rinaldo (Susanne Blattert, Mitte, mit Eustazio (Jakob Huppmann, 2. von links) und den Tänzerinnen und Tänzern) hat seine Geliebte Almirena verloren.

Dass Rinaldo zu Beginn der Oper die Ergebenheit und Glückwünsche der Kreuzritter eher missmutig und gelangweilt entgegennimmt, ist noch verständlich. Schließlich sehnt er sich nach Goffredos Tochter Almirena, die ihm der Anführer der christlichen Armee bis zum Sieg über die Sarazenen vorenthält. Wieso allerdings Goffredos Bruder Eustazio eine weiße Katze einer Operation unterzieht - handelt es sich hierbei um eine Kastration? - und später einer Schlange, die in einer Kühltasche aufbewahrt worden ist, Gift entnimmt, um es anschließend Rinaldo vor dem bevorstehenden Kampf zu spritzen, wirkt dann doch absolut abstrus. Unklar ist auch, wieso der christliche Magier Mago, auf den Goffredo und Eustazio eigentlich erst im dritten Akt treffen, nachdem Rinaldo und Almirena beide in Armidas Zauberreich verschollen sind, bereits vor Almirenas Entführung im Wartesaal als Putzmann auftritt. Soll damit motiviert werden, dass er Goffredo und Eustazio später den Weg in Armidas Reich weisen kann? Bei der Entführung in dieses Zauberreich hingegen spart Herzog dann nicht mit Bühneneffekten. Nachdem Armida zunächst eine Stewardess beseitigt hat, tritt sie selbst als Stewardess auf und entschwindet mit Almirena in einem dichten Nebelschwaden durch eine Tür. Hinter dieser findet Rinaldo später nur eine gewaltige Rolltreppe, die ins Nichts zu führen scheint.

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Almirena (Sumi Hwang) wird von Argante (Giorgos Kanaris) bedrängt.

Auch Rinaldo verschwindet später auf dem selben Weg. Dabei werden das Geisteswesen und die beiden Sirenen in verführerischen orientalischen Gewändern gekonnt in Szene gesetzt. Armidas Zaubergarten, der sich in dem gleichen großen Bühnenraum befindet wie vorher der Konferenzsaal und später die Rolltreppe, enthält zahlreiche Pflanzen, die sich aus der ersten Etage herab ins Erdgeschoss ranken. Christian Schmidt hat für Armida und Almirena in dieser Szene das gleiche Kleid mit dem gleichen Mantel nur in unterschiedlicher Farbe gewählt. Während Almirena in reinem Weiß auftritt, trägt Armida feuerrot. Armidas Verwandlung in Almirena wird dann von Herzog geschickt umgesetzt. Almirena tritt wie eine Marionette auf und bewegt die Lippen, während Armida singt. So wird nachvollziehbar, dass Rinaldo wirklich glaubt, die Geliebte vor sich zu haben. Erst wenn er sie in die Arme schließen will, wechselt Armida mit Almirena den Platz, und Rinaldo erkennt, dass er getäuscht worden ist. Wenn sich dann Armida von Rinaldos Beschimpfungen unter Almirenas weißem Mantel versteckt, wird ebenfalls plausibel, dass Argante anschließend Armida auch für Almirena hält und deshalb Streit mit Armida bekommt. Gelungen ist auch der Schluss, wenn Armida als Goffredo auftritt und einen letzten Versuch unternimmt, an Rinaldo Rache zu nehmen, bevor sie dann von den Kreuzrittern in ein braves Frauchen in weißem Kleid verwandelt wird. Dass es da beim fröhlichen Schlussgesang eine Prügelei unter den Protagonisten gibt, ist die logische Konsequenz.

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Rinaldo (Susanne Blattert, Mitte) zwischen Almirena (Sumi Hwang, rechts) und Armida (Malin Hartelius, links)

Eine wichtige Rolle spielen in der Inszenierung auch zehn Tänzerinnen und Tänzer, die mal als Kreuzritter auf Seiten Goffredos kämpfen, dann aber auch als Double von Armida versuchen, Rinaldo zu verführen. Die Choreographie von Ramses Sigl bringt diese punktgenau auf die Musik ein, überzeugt aber nicht auf ganzer Linie. Während sie beim entfachten Sturm für einige Lacher und sogar Szenenapplaus sorgen, wenn sie sich auf der schnell drehenden Bühne scheinbar verzweifelt an einer Wand festklammern oder eine lange Kette bilden, und sie als verführerische Sirenen mit blonder Perücke Rinaldo augenscheinlich durchaus hinterfragen lassen, ob Almirena wirklich die Frau seiner Träume ist, wirken die Posen à la Drei Engel für Charlie oder James Bond bei Rinaldos großer Arie "Cor ingrato" doch ein wenig übertrieben.

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Lieto fine mit Schlägerei: von links: Rinaldo (Susanne Blattert), Goffredo (Kathrin Leidig), Argante (Giorgos Kanaris), Armida (Malin Hartelius), Almirena (Sumi Hwang) und Eustazio (Jakob Huppmann)

Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Besonders begeistert Giorgos Kanaris als Argante. Mit kräftigem Bass stattet er den König von Jerusalem aus und bietet damit einen schönen Ausgleich zu dem ansonsten nur mit hohen Stimmen besetzten Abend. Jakob Huppmann verfügt als Eustazio über einen weichen Countertenor und enorme Bühnenpräsenz, auch wenn nicht immer klar wird, wo Herzog in der Personenregie mit dem Bruder des Anführers des christlichen Heeres eigentlich hin will. Für die erkrankte Netta Or ist Malin Hartelius als Zauberin Armida kurzfristig eingesprungen, die diese Partie bereits bei der Premiere in Zürich vor sechs Jahren interpretiert hat. Obwohl sie sich vor der Vorstellung ansagen lässt, meistert sie die Choreographien der Zauberin hervorragend und hat die Inszenierung wohl doch noch ganz gut im Gedächtnis. Ihre großartige Arie "Vo' far guerra", in der sie allen Rache schwört, präsentiert sie mit sauberen Koloraturen und bewegtem Spiel. Optisch zeigt sie sich absolut wandlungsfähig. Sumi Hwang ist als Almirena ein passender Gegenpart. Mit weichem Sopran lässt sie die Leiden der jungen Frau vor allem in ihrer großen Arie "Lascia ch' io pianga" mehr als deutlich werden, auch wenn ihr leicht verführerisches Spiel, mit dem sie Argante zu überreden versucht, ihre Fesseln zu lösen, in leichtem Gegensatz zum gesungenen Text stehen. Kathrin Leidig wirkt als Goffredo in ihrer Auftrittsarie noch ein wenig blass, lässt aber dann in "Mio cor" ihren wohl-timbrierten Mezzo strömen.

Die Titelpartie ist mit dem langjährigen Ensemblemitglied Susanne Blattert besetzt, die dem Kreuzritter darstellerisch sehr virile Züge abgewinnt. In ihren großen Arien "Cara sposa" und "Cor ingrato", in denen sie jeweils den Verlust ihrer Geliebten Almirena beklagt, überzeugt Blattert durch ein warmes Timbre, das die Trauer Rinaldos regelrecht spürbar macht. Auch die große Siegesarie "Or la tromba suon festante" gelingt ihr mit sauberen und beweglichen Koloraturen. So gibt es an diesem Premierenabend für alle Beteiligten großen Applaus, der auch beim Regieteam kaum schwächer ausfällt.

FAZIT

Jens-Daniel Herzogs Regie-Konzept ist Geschmacksache. Musikalisch lohnt die Reise nach Bonn für diesen Händel auf jeden Fall.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Wolfgang Katschner /
Thomas Wise

Inszenierung
Jens-Daniel Herzog

Choreographie
Ramses Sigl

Bühnenbild und Kostüme
Christian Schmidt

Licht
Bernd Winterscheid

 

Statisterie des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn

Basso Continuo
Christian Brunnert, Violoncello
Stefan Rath, Laute
Clemens Flick, Cembalo


Solisten

*Besetzung der Premiere

Goffredo, Generalkapitän des christlichen Heeres
Kathrin Leidig

Almirena, seine Tochter, Rinaldos Verlobte
Sumi Hwang

Rinaldo, ein christlicher Ritter
Susanne Blattert

Eustazio, Goffredos Bruder und Botschafter
Jakob Huppmann

Argante, König von Jerusalem, Geliebter Armidas
Giorgos Kanaris

Armida, Zauberin, Königin von Damaskus
*Malin Hartelius /
Netta Or

Mago, ein christlicher Magier
*Charlotte Quadt /
Ji Young Mennekes

Ein als Dame sich ausgebendes Geisterwesen
Nina Unden

Erste Sirene
Vardeni Davidian

Zweite Sirene
Brigitte Jung

Herold
Josef Linnek

Tänzerinnen und Tänzer
Marleen Jakob
Chih-Ying Ku-Gebert
Rebecca Sophia Meyer
Shan-Li Peng
Tara Randell
Johannes Blattner
Andrew Pan
Olaf Reinecke
Jan-Werner Schäfer
Victor Zapata Cardenas


Weitere
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Da capo al Fine

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