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Musiktheater
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Otello

Oper in vier Akten
Libretto von Arrigio Boito nach dem gleichnamigen Schauspiel von William Shakespeare
Musik von Giuseppe Verdi

In talienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Theater Basel am 29. November 2014
(rezensierte Aufführung: 5. Dezember 2014)


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Theater Basel
(Homepage)

Schwarz ist hier "nur" die Seele

Von Joachim Lange / Fotos von Hans-Jörg Michel

Dem Regisseur Calixto Bieito ging es bei seinen Operninszenierungen wohl immer schon um eine Haltung, um Inhalte und um die Stücke und nicht zuletzt um die Musik. In den ersten Jahren seiner internationalen Karriere war das - zumindest in der Wahrnehmung eines Teils des Publikums und der Kritik - meist von einer Ästhetik der Gewalt überlagert. So ließ er Mozarts Entführung in Berlin mit einem Amoklauf sondergleichen enden. Auch bei seinem Trovatore trieb er in Hannover mit exzessiven Folterszenen Zuschauer aus dem Saal. Doch Bieito gehört zu den Erben eines ambitionierten realistischen Musiktheaters, wie es sich über Jahrzehnte in Ost- und auch in Westdeutschland entwickelt und etabliert hat.

Szenenfoto

Gefangene auf Zypern unterm Baukran

Dabei bedient er sich der Bildersprache unserer Mediengesellschaft, ohne freilich ins platt Agitatorische abzugleiten. Der Katalane ist längst ein Meister seines Fachs, der der zusätzlichen Aufmerksamkeit durch exzessive Gewaltorgien keineswegs bedarf. Wie seine anderen Arbeiten in Basel (Don Carlo, Aida und Lulu) gehört auch der aktuelle Otello zu den Inszenierungen, die ihre Wirkung vor allem aus einer klugen Hinterfragung und einer intensiven Personenregie beziehen.

Den Mohren, der noch bei Shakespeares Vorlage zum Untertitel gehört, lässt er in seinem Otello einfach weg. Aber nicht, weil die Oper genauso gut Jago heissen könnte oder die unsinnige blackfacing-Debatte auch in der Schweiz neue Blüten getrieben hätte. Der Lette Kristian Benedikt bleibt als Otello ungeschminkt. Aber seine Seele ist schwarz. Und die der anderen Männer gleich noch mit.

Szenenfoto

Jago, der Strippenzieher

Bei Bieito wird die patriarchalische Machtausübung gegenüber Frauen als ein genetischer Defekt auch unserer Gegenwart diagnostiziert. Zwar rühmt sich der raffinierte Jago, dass das Gift der Eifersucht, das er seinem verhassten Konkurrenten verabreicht hat, Wirkung zeigt, als Otello in aller Öffentlichkeit die Maske des Zivilisierten fallen lässt. Doch es ist vielmehr die Frauen- respektive Menschen verachtende Grundstimmung, die hier auf den Punkt gebracht wird. Otellos spektakulärer Ausraster nach der Ankunft des venezianischen Gesandten ist eine Schlüsselszene. Traumatisiert durch eine brutale Vergewaltigung in der Ehe, kann sich Desdemona kaum halten, wenn sie über die Gleise stolpert. Als sie dann auch noch schwer beleidigt, gedemütigt und von Othello bespuckt wird, rührt sich keine Hand und bewegt sich keine Miene, um ihr zu helfen. Kein Gesandter, kein Cassio, kein Mann aus dem allenfalls entsetzten Unterschichtenvolk.

Szenenfoto

Desdemona in düsterer Vorahnung

Dabei spielt Bieito diesmal bewusst mit einer geradezu oratorischen Erstarrung mitten im emotionalen Orkan der Musik, der alle erschüttert. Diese Lähmung wirkt umso beklemmender, als die Bühne von Susanne Gschwender mit dem Werft-Ambiente hinterm Wellblechtor und einem riesigen Baukran ohnehin schon trostlos und kalt ist. Wenn die Massen am Anfang gefesselt und hinter Stacheldraht bedrohlich näher rücken oder von den Herrschenden mit Champagner wie beim Formel-Eins-Rennen bespritzt werden, mag man an den zynischen Umgang mit Flüchtlingen von heute denken. Und wenn einer von ihnen wie zum Exempel am Kran erhängt wird, mag das den inneren Blick vom Zypern Verdis sogar bis ins Teheran von heute weiten.

Otello ist der Mann (ganz gleich welcher Hautfarbe), der zum Ehrenmörder wird, weil er die Ehre mordet. Und nur im allerletzten Moment keimt ein Fünkchen Mitgefühl mit ihm, als er nach dem sinnlosen Mord an Desdemona stirbt. Wobei es hier - zumindest von uns und von heute aus betrachtet - in keinem Falle einen irgendwie berechtigten Tod geben kann. Dieser Otello stirbt auf dem Ausleger des Krans über den Köpfen des Publikums. Vermutlich an einem Schlaganfall, ausgelöst durch den Schock der Selbsterkenntnis.

Szenenfoto

Gewalt in der Ehe - Otello und Desdemona

Im Graben des Theaters Basel hält der Basler Orchesterchef Gabriel Feltz die Balace zwischen packender Zuspitzung und individueller Verzweiflung. Ein intensiver Simon Neal führt als Jago das Ensemble an, Svetlana Ignatovich steigert ihre Desdemona zu einem faszinierenden Finale, der mitunter etwas angestrengte Kristian Benedikt geht für seinen Otello bis an seine Grenzen.

FAZIT

In Basel hat Calixto Bieito aus Verdis Otello eine beklemmende Studie über die Gefahren der Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft gemacht



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz

Regie
Calixto Bieito

Bühne
Susanne Gschwender

Kostüme
Ingo Krügler

Chor
Henryk Polus

Dramaturgie
Ute Vollmar



Statisterie des Theater Basel

Bühnenmusik des Theater Basel

Chor und Extrachor des Theater Basel

Sinfonieorchester Basel


Solisten

Otello
Kristian Benedikt

Desdemona
Svetlana Ignatovich

Jago
Simon Neal

Cassio
Markus Nykänen

Rodrigo
Karl-Heinz Brandt

Ludovico
Pavel Kudinov

Montano
Zachary Altmann

Emilia
Rita Ahonen

Ein Herold
Wladyslaw W. Dylag



Weitere Informationen
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Theater Basel
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