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Mozart mit Beteiligung von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen
Von Lisa Jüttner
/ Fotos von © Baden-Württemberg-Stiftung, Sebastian Marincolo
Mozarts Così fan tutte, eine der berühmtesten Opern der Welt. Bezeichnend sind die ironisch-überzogenen Intrigenkonflikte, verbunden mit einer gewissen Naivität der Figuren, und die musikalische Komplexität, die sich vor allem in den Quartetten, Quintetten, Sextetten zu voller Größe entfaltet. Wo lässt sich dort der Bezug zur Flüchtlingsthematik herstellen? Ist das (wieder einmal) nur so ein Marketing-Trick, damit das Interesse an dieser doch eher traditionellen Oper geweckt wird? Tatsächlich lassen sich inhaltlich nur sehr künstlich Verbindungen herstellen: Gut, es geht um die Treue der Frau gegenüber ihrem Mann und irgendwie auch um weibliche Emanzipation, was bekanntlich im Islam ein großes Thema ist, doch scheint es mir in diesem komischen Kontext nicht ganz passend. Fernando und Guglielmo ziehen in den Krieg, doch ist dies eine Lüge und damit lediglich Mittel zum Zweck. Auch auf der Bühne sind die syrischen Flüchtlinge nur sehr wenig zu sehen, sie übernehmen immer wieder kleine Parts, eingestreute Monologe auf Arabisch und eine Improvisation im Stil eines Flüchtlingsheimes während der Ouvertüre.
Die Auswahl von Mozarts berühmtem Werk scheint also hier mehr oder weniger unabhängig gewesen zu sein. Grundsätzlich ist Così einfach ein Projekt mit Menschen, die dazu gezwungen werden, in einem fremden Land zu leben. In diesen Fällen ist die Integration besonders schwer, sie haben kaum Anschluss und meistens auch keine Perspektive. So hat es sich der Verein Zuflucht Kultur e.V. zur Aufgabe gemacht, diese Barrieren innerhalb des Projektes zu überwinden. Professionelle Künstler, Bürger und Flüchtlinge arbeiten gemeinsam auf das Ziel einer gelungenen Aufführung hin und setzen damit mehr als ein Zeichen: „Beteiligung gegen Langeweile, Austausch gegen Schweigen, Interesse gegen Ignoranz und Verblendung“ (Programmheft Radialsystem V). Angeschlossen an die eigentliche Oper sind eine Bilderausstellung mit Flüchtlingsportraits und eine Gedichtinstallation. Die Flüchtlinge wirken hinter und auf der Bühne, sie touren mit der Aufführung durch Deutschland, lernen Land und Sprache kennen und haben – ganz subtil – so etwas wie eine Aufgabe. Der Chor aus syrischen Flüchtlingen singt das berührende Paradies Lied aus ihrer Heimat
Ein absoluter Lichtblick ist der Chor der Flüchtlinge, der mich mit voller Wucht erwischt. Männer, Frauen, Kinder blicken dem Publikum ins Gesicht und haben damit eine, ihnen ganz eigene Direktheit und Ernsthaftigkeit. Sie singen das syrische Paradieslied „Janna“, sie singen es in ihrer Sprache, über ihre Heimat, ihr Land, das nun in Schutt und Asche liegt. Es berührt mich unglaublich, zum ersten Mal ist der Bürgerkrieg nicht nur ein Thema in den Nachrichten, sondern er steht direkt vor mir in der Gestalt dieser Menschen, die alles verloren haben. Ich sehe die Traurigkeit in den Augen der jungen Männer, die voller Inbrunst und Liebe über die Schönheit ihres Heimatlandes singen. Ich sehe den Krieg in der Resignation im Blick der älteren Menschen, deren Schmerz vermutlich mit Worten überhaupt nicht auszudrücken ist. Und ich sehe ihn in der Leichtigkeit und Neugier des kleinen Mädchens, das vermutlich nie wieder in ihr Heimatland zurückkehren kann. Standing ovations für diese mutigen Menschen, die versuchen, einen Teil ihrer Traurigkeit auf diese Bühne zu bringen und zu teilen. Fiordiligi (Anne Wieben) und Dorabella (Cornelia Lanz) kokettieren mit ihren VerehrernAbgesehen vom Flüchtlingskontext ist die Inszenierung eine runde Sache – nicht mehr und nicht weniger. Mozarts Humor wird leicht und überzeugend aufgegriffen und vor allem in den Ensemblepartien funktionieren alle Musiker hervorragend miteinander. Franz Xaver Schlecht liefert einen überaus treffenden Don Alfonso, selbstbewusst, attraktiv, bestechend. Die anderen Sänger und Sängerinnen haben im Laufe der Aufführung ihre Hoch- und Tiefpunkte, Cornelia Lanz (die übrigens nicht nur Dorabella singt, sondern gleichzeitig auch die Initiatorin des Projektes ist) hat Probleme, sich über das Orchester hinweg zu setzen. Besonders auffällig ist es bei Yongkeun Kim, der anfangs deutliche Schwächen und Unsauberkeiten durch starkes Vibrato aufweist, aber in seiner Arie Un aura amorosa die Herzen schmelzen lässt. Insgesamt ist die Inszenierung eher konventionell. Zwar spielt alles in einem Flüchtlingsheim, doch dieser Eindruck verliert sich im Verlauf der Oper. Während in der Ouvertüre eine belebte Szene mit den Flüchtlingen dargestellt wird, dauert es nicht lange, bis wir nur noch die üblichen Verdächtigen auf der Bühne sehen. Die Mädchen, mit Schuhen verführt von Despina, verlieren ihre Kopftücher. Die beiden Kavaliere verwandeln sich von unrasierten Männern mit Jogginghose in Gigolos mit Hemd und Sonnenbrille. Alles wieder beim Alten. Das ist nicht schlecht, aber doch ein wenig schade.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Technische Produktionsleitung
Gesamtleitung und Idee
Solisten
Fiordiligi
Dorabella
Guglielmo
Ferrando
Despina
Don Alfonso
Freund Don Alfonsos
Flüchtlingsamtsleiterin
Solisten Flüchtlingsmonolog/Janna
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