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Lohengrin

Romantische Oper in drei Akten
Libretto und Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit niederländischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4'45h (zwei Pausen)

Premiere der Wiederaufnahme im Het Muziektheater am 10. November 2014
(rezensierte Aufführung: 16. November 2014)


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De Nederlandse Opera
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Zeitloser Lohengrin

Von Thomas Tillmann / Fotos von Ruth Walz

Einer unter vielen Vorzügen der Inszenierungen von Pierre Audi ist es, dass sie im besten Sinne des Wortes zeitlos sind und sich problemlos wiederaufnehmen lassen - auch beim Lohengrin handelt es sich um die Reprise einer Produktion aus dem Jahre 2002. Meiner Meinung nach liegt es daran, dass Audi nicht im eigentlichen Sinne interpretiert, er legt sich nicht fest auf eine (allzu) konkrete Lesart, sondern er versucht den Kern des Stückes freizulegen, das Überzeitliche, er zwingt zur Konzentration auf das Werk an sich, nicht auf die Sicht seines Regisseurs, er entmythologisiert einerseits und schafft dennoch etwas unerhört Poetisches, Archaisches - und erreicht das Publikum vielleicht gerade deshalb mehr als manch anderer, gerade auch weil nicht wirklich viel an äußerer Handlung passiert und so Raum für die Musik bleibt, für eigene Assoziationen auch und Deutungen. Monumentale, höchst theatralische Bilder bleiben Erinnerung, immer wieder schießt einem der Begriff Bühnenweihfestspiel durch den Kopf, den Wagner selber für spätere Werke verwendet hat. Natürlich gibt es keinen Schwan, sondern ein riesiges Paket aus Latten, die an Ruder erinnern und so den Bezug zum Wasser herstellen, auf dem der Ritter gekommen ist. Am Ende aber gibt es einen noch sehr jungen Erben von Brabant, der Lohengrin sehr ähnlich sieht und - man ahnt es - einsam wie dieser sein wird - die verzweifelte, geradezu erstarrte Elsa und Ortrud, die zu Boden gegangen ist bei seinem Erscheinen, sind mit sich beschäftigt.

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Elsa (Juliane Banse) bittet den Heerrufer (Bastiaan Everink), noch einmal nach ihrem Ritter zu rufen.

Dabei lässt der Hausherr der Nationalen Oper viel Raum für die Wirkung von Wagners Musik und auch für die unterschiedlichen darstellerischen Temperamente seiner Solisten, die dennoch nicht sich selber überlassen wirken, dazu gibt es zu viele Momente der intensiven, wenn auch diskreten Interaktion, etwa wenn Ortrud in Elsas Schatten schleicht - hier hören sich erfahrene Künstler wirklich zu, reagieren aufeinander, spielen miteinander. Und Audi ist ein Meister der Chorregie, da reißt niemand aus, da bewegen sich alle wie auf Knopfdruck und trotzdem sehr natürlich. Nicht zuletzt leben Audi-Produktionen (das war bei seinem Ring nicht anders) von ihrer bemerkenswerten Optik: Eindrucksvoll sind die breiten Stahlwände von Jannis Kounellis, die die Abgeschlossenheit dieser Gesellschaft veranschaulichen, auch der Paravent mit den Federn im Brautgemach, eindrucksvoll sind die ausladenden, prächtigen und doch schlichten, sehr eigenwilligen und einen Hauch Asien atmenden Kostüme von Angelo Figus aus einem besonders schwer wirkenden Material. Und da ist wie schon bei den Gurreliedern das exzellente Licht von Jean Kalman, besonders stimmungsvoll vielleicht das die Bühne durchflutende Gold am Ende des zweiten Aktes vor dem Münster.

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Elsas Traum geht in Erfüllung: Lohengrin (Nikolai Schukoff) ist erschienen.

Nikolai Schukoff hat bereits Siegmund, Parsifal und Erik gesungen, bevor er sich an den Lohengrin heranwagte, für den er eine angenehm timbrierte, zwar dunkle, aber nicht zu schwere und immer tenoral klingende Stimme mitbringt, der Österreicher verfügt über ein müheloses Legato, ist vor allem in der Höhe sehr sicher, lässt aber bereits am Ende des zweiten Aufzugs zeitweise erahnen, dass die Partie ihn (noch) an die Grenzen seiner Kraftreserven führt, gerade auch in Momenten, in denen er nicht allein zu singen hat, die Stimme an sich ist eben nicht riesig. Dafür gab es schlicht berückende Phrasen im Brautgemach, in der Gralserzählung auch, die ihm kaum jemand aus der ersten Liga der Lohengrin-Interpreten so nachsingen wird (daran ändert der kleine Kiekser auf "Ritter" nichts), in der er einen beinahe liedhaften Ton anschlug, ohne allzu hauchig zu klingen, zarteste Piani kreierte und sich unerhört intensiv auf Text und Situation einließ.

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Ortrud (Michaela Schuster) erklärt Friedrich (Evgeny Nikitin), wie Lohengrins Zauber mit Hilfe von Elsa zu entlarven sei.

Man kann sich kaum vorstellen, dass Juliane Banse noch in der letzten Saison Zdenka an der Met gesungen hat, ihr Sopran hat zwar noch einen lyrischen Kern, aber er ist doch deutlich nachgedunkelt und klingt nicht mehr mädchenhaft, sondern durchaus fraulich, reif gar in manchem Moment und eher apart als schön, auch der Hauch von Schärfe im Forte passt zur Figur der Elsa, die ja nicht nur lieblich-schwärmerisch ist. Im wunderbar phrasierten, tief empundenen "Euch Lüften" kam mir auch der Gedanke, dass die Stimme nicht noch weiter ausschwingen sollte, und einige der letzten hohen Töne des dritten Aufzugs ließen auch hörbar die harte Arbeit erkennen. Hervorzuheben ist in jedem Fall die exemplarische Diktion der erfahrenen Liedinterpretin, wobei das Beispiel von Evgeny Nikitin, dem das Deutsche ja nicht von Hause aus gegeben ist, der aber sehr deutlich und überlegt mit seinem intakten, füllig-mächtigen, aber klar fokussierten, gesunden Heldenbariton den Telramund sang, zeigte, wie weit man mit Sorgfalt in diesem Bereich kommen kann.

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"Zurück, Elsa!": Ortrud (Michaela Schuster) zeigt der verschreckten Elsa (Juliane Banse), wer die Nummer Eins in Brabant ist.

Michaela Schuster hatte bereits nach dem ersten Aufzug dafür gesorgt, dass jeder Zuschauer und jede Zuschauerin wusste, wer die eigentliche Hauptfigur in diesem Stück ist, sie legt im wahrsten Sinne des Wortes Hand an Telramund, aalt sich später in dem Loch im Boden, aus dem beide auftauchen, um das junge Glück zu stören, eher Böses wollende Salonschlage als die politische Frau, die die Interpretin in ihr sieht, die eine Meisterin der intensiven Deklamation ist und als Muttersprachlerin Funken aus beinahe jedem Wort schlägt. Das eine oder andere Mal fragt man sich, ob sie nicht etwas zu viel gibt und damit übers Ziel hinausschießt, aber immerhin wurde klar, dass sie sich nicht wegen musikalischer Schwächen so ins Zeug legte, denn sie sang größte Teile der Partie mit ebensolchem Feuer, Expressivität und Sicherheit. Am Ende wurde es dann intonationstechnisch doch ein wenig wüst, aber auch dies stand Radbods letztem Spross in Ausnahmegefühlslage nicht schlecht an.

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Höchstes Vertrauen schuldet Elsa (Juliane Banse) ihrem Gatten Lohengrin (Nikolai Schukoff).

Bastiaan Everink war ein hoch gewachsener, stattlicher, auch stimmlich einige Autorität verströmender Heerrufer, die brabantischen Edlen und die Edelknaben sind offenkundig sorgfältig ausgewählt worden und musizierten ebenso, und auch der personenstarke Chor in der Einstudierung von Ching-Lien Wu hatte großen Anteil am Erfolg. Bereits im Vorspiel erreichte Marc Albrecht eine bemerkenswerte Intensität und interpretatorische Dichte, man bewunderte im weiteren Verlauf auch die Souveränität beim Entwickeln der Massenszenen, die durch Präzision wie durch bemerkenswerte klangliche Balance bestachen, die Aufmerksamkeit den Sängerinnen und Sängern gegenüber, aber auch die pure Lust am Musizieren etwa zu Beginn des dritten Aufzugs (nach stürmischem Begrüßungsapplaus und vielen Bravos bei seinem Erscheinen im Graben) - eine große Leistung, die Lust macht auf mehr Wagner und Strauss unter seiner Leitung.

FAZIT

Seinen Rang als eines der ersten Häuser Europas hat die Amsterdamer Oper auch mit dieser Lohengrin-Reprise unter Beweis gestellt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Albrecht

Inszenierung
Pierre Audi

Bühne
Jannis Kounellis

Kostüme
Angelo Figus

Licht
Jean Kalman

Choreinstudierung
Ching-Lien Wu



Koor van
De Nationale Opera

Nederlands
Philharmonisch Orkest


Solisten

Heinrich der Vogler
Günther Groissböck

Lohengrin
Nikolai Schukoff

Elsa von Brabant
Juliane Banse

Friedrich von Telramund
Evgeny Nikitin

Ortrud
Michaela Schuster

Der Heerrufer
des Königs
Bastiaan Everink

Vier brabantische Edle
Pascal Pittie
Morschi Franz
Harry Teeuwen
Peter Arink

Vier Edelknaben
Tomoko Makuuchi
Michaela Karadjian
Anneleen Bijnen
Inez Hafkamp

 





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