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König Roger (Król Roger)

Oper in drei Akten
Text von Jaroslaw Iwaszkiewicz und
Karol Szymanowski
Musik von Karol Szymanowski

in polnischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 14. Juni 2014


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Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Selbstfindung im Spiegelkabinett


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Zum Ende der diesjährigen Spielzeit hat der scheidende Opernintendant Johannes Weigand ein Werk auf den Spielplan gestellt, das zum einen lange Zeit gar nicht auf den Opernbühnen zu erleben war und sich erst seit einigen Jahren mit Aufführungen in Paris, Bonn und bei den Bregenzer Festspielen den Weg ins Repertoire erkämpft, zum anderen in einem deutlichen Kontrast zum Programm des künftigen Opernintendanten und Generalmusikdirektors Toshiyuki Kamioka steht, der mit Stagione-Betrieb auf gängige Opernklassiker à la Strauss, Wagner, Mozart und Puccini setzt und zumindest in seiner ersten Spielzeit mit einem massentauglichen Programm keine Risiken eingehen will. Die Rede ist von Karol Szymanowskis einziger Oper Król Roger, die mit orientalischen und antiken Anklängen in der Musik den Aufeinanderprall gegensätzlicher Kulturen zeigt, der Szymanowskis Kompositionen geprägt hat, und eher den Charakter eines szenischen Oratoriums aufweist. Inspiriert wurde Szymanowski zu diesem Werk durch die antike Tragödie Die Bakchen des Euripides. Darin rächt sich der Gott Dionysos an Pentheus, dem König von Theben, der ihm die kultische Verehrung verweigert, indem er Pentheus' Mutter Agaue im ekstatischen Rausch mit den anderen thebanischen Frauen den König zerreißen lässt.

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König Roger (Kay Stiefermann, oben Mitte) auf dem Höhepunkt seiner Macht (vorne von links: die Diakonissin (Joslyn Rechter), Roxane (Banu Böke) und der Erzbischof (Martin Js. Ohu) mit dem Opernchor, Extrachor und der Wuppertaler Kurrende)

Szymanowski, der gemeinsam mit seinem Vetter Jaroslaw Iwaszkiewicz das Libretto zur Oper verfasst hat, siedelt die Handlung im 12. Jahrhundert in Sizilien an. Hier herrscht der Normannenkönig Roger II., der Großvater des Staufer-Kaisers Friedrich II., in einem friedlichen Nebeneinander der Kulturen. Doch die Ruhe wird gestört von einem selbsternannten Propheten, der "der Hirte" genannt wird und die Lehren eines neuen Gottes verbreitet. Die Menge fordert, angestachelt vom Erzbischof und der Äbtissin, vom König eine Bestrafung des Gotteslästerers, doch verfällt, je länger der Hirte spricht, immer mehr seinem Bann. Auch die Königin Roxane fühlt sich zu dem Hirten hingezogen, so dass Roger ihn auffordert, am Abend in seinen Palast zu kommen, um dort über ihn zu richten. Im Palast präsentiert der Hirte seine Macht, indem er eine große Menge in einen orgiastischen Tanz verfallen lässt. Roger spürt, dass er seine Macht an den Hirten verliert, und muss tatenlos mit ansehen, wie der Hirte das Volk und die Königin Roxane nach draußen führt. Roger folgt ihnen und sucht in der Einsamkeit Roxane. Diese erscheint gemeinsam mit dem Hirten, der sich nun als Gott Dionysos zu erkennen gibt. Roger entzieht sich mit Hilfe seines Beraters Edrisi endgültig dem Bann des Hirten und weiht sein Herz der Sonne. Damit hat er sich von allem Spuk befreit und sich erneut gefunden.

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Erstes Treffen zwischen König Roger (Kay Stiefermann, links) und dem Hirten (Rafał Bartmiński, Mitte) (hinten rechts: Roxane (Banu Böke), der Erzbischof (Martin Js. Ohu) und der Opernchor)

Jakob Peters-Messer fokussiert seine Inszenierung auf den Selbstfindungsprozess des Königs und siedelt die Geschichte im Reich der Psychoanalyse an. Vor dem Vorhang befindet sich eine Liege mit einem kleinen Hocker und einer Lampe, die das Behandlungszimmer eines Psychiaters andeuten. Aus dem Berater Edrisi wird ein Psychoanalytiker, der seinen Patienten, den König, bei seiner Selbstfindung unterstützt. So sieht man Edrisi ständig mit einem Block Notizen machen und die Geschehnisse analysieren. Die einzelnen Akte werden dabei mehr oder weniger als Innenschau in das Seelenleben des Königs inszeniert. Markus Meyer hat dazu ein Spiegelkabinett entworfen, das in Form eines achteckigen Prismas Videoprojektionen reflektiert. Im ersten Akt zeigen sie das Gesicht von König Roger, das mit einer schwarzen Maske bedeckt ist, in deren Mitte ein gekreuzigter Jesus hängt. Unter dem Schutz des christlichen Gottes will Roger an dieser Stelle noch keinen Einblick in seine Gedanken geben. Auch der in schwarze Gewänder gekleidete Chor führt das Kreuz, das in Weiß auf den schwarzen Händen prangt, gewissermaßen als Bollwerk gegen die neuen Lehren des Hirten an. Doch das unschuldige Weiß des Hirten zwingt die Gegner in die Knie. Auch Roger lässt sich durch einen Kuss von dem Hirten verführen und die Maske verschwindet.

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Orgiastischer Rausch im Palast: der Hirte (Rafał Bartmiński, Mitte oben), Roxane (rechts) und der Chor

Im zweiten Akt erscheint Roxane in der Videoprojektion. Der König befürchtet, dass er seine Frau an den Hirten verliert, und sieht sie deshalb überdimensional groß auf den Spiegelflächen. Auch optisch hat sich Roxane verändert. Während sie im ersten Akt mit blonder Perücke im mondänen schwarzen Pelzmantel aufgetreten ist, erscheint sie nun in einem glitzernden orientalischen Gewand. Ein Bild von ineinander gewundenen Schlangen im Hintergrund spiegelt anschließend den orgiastischen Rausch wider, in den der Hirte den Palast versetzt. Zwar trägt er immer noch unschuldiges Weiß, doch sein Kostüm ist militanter geworden. Sein weißer Anzug wirkt nun wie eine weiße Uniform. Auch der Chor hat jetzt die weiße Farbe des Hirten übernommen und beschmiert sich im Rausch genauso wie Roxane mit roter Farbe als Zeichen der Lust. Großartig gelingt auch das Schattenspiel, in dem der Hirte überdimensional groß vor seinem Auftritt im Palast auf die Rückwand geworfen wird. Erst wenn sich Roger im letzten Akt befreit, übernimmt er die weiße Kleidung des Hirten, während dieser nun in Schwarz auftritt und am Kopf und den Armen Teile des Spiegels trägt. Roger tötet den Hirten, zerstört damit das Spiegelkabinett und huldigt der Sonne, da er sich nun endlich selbst gefunden hat. Der Vorhang fällt hinter ihm und lässt alles verschwinden.

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König Roger (Kay Stiefermann) befreit sich (im Hintergrund: Roxane (Banu Böke) mit dem Chor).

Musikalisch präsentieren sich die über lange Jahre geschätzten Ensemble-Mitglieder der Wuppertaler Bühnen noch einmal von ihrer besten Seite. Kay Stiefermann begeistert in der Titelpartie mit kräftigem Bariton und charismatischem Spiel und fügt seinem Repertoire nach dem Holländer in Wuppertal eine weitere Paraderolle hinzu. Banu Böke glänzt als Königin Roxane mit leuchtendem Sopran und faszinierendem Spiel, das die Abhängigkeit der Königin vom Hirten mehr als deutlich macht. Christian Sturm stattet den Edrisi mit schlank geführtem Tenor aus und nimmt darstellerisch als Psychoanalytiker die Rolle des distanzierten Beobachters ein. Auch Martin Js. Ohu und Joslyn Rechter gefallen in den kleineren Partien als Erzbischof und Diakonissin. Der Opern- und Extrachor unter der Leitung von Jens Bingert unterstützt durch die Wuppertaler Kurrende unter der Leitung von Dietrich Modersohn unterstreichen mit prächtigem Klang den Oratoriencharakter des Werkes. Auch das Sinfonieorchester Wuppertal arbeitet unter der Leitung von Florian Frannek die zahlreichen Farbschattierungen der Partitur sauber heraus.

Für die Partie des Hirten ist Rafał Bartmiński verpflichtet worden, der der Partie mit seinem strahlenden und flexiblen Tenor nicht nur stimmlichen Glanz verleiht, sondern auch optisch der Partie als Verführer mehr als gerecht wird. So wird nachvollziehbar, wie dieser Hirte die Menschen, Männer und Frauen, in seinen Bann zu ziehen vermag. Während er als strahlende Erscheinung in den ersten beiden Akten dominiert, versteht Bartmiński es sehr gut, sich im dritten Akt zurückzunehmen, und damit die Selbstfindung des Königs glaubhaft zu machen. Von daher macht es dramaturgisch durchaus Sinn, den Hirten am Ende sterben zu lassen. Das Publikum feiert sie Sänger, Musiker und das Regie-Team mit frenetischem Applaus.

FAZIT

Den Wuppertaler Bühnen gelingt mit dieser außergewöhnlichen Produktion ein grandioser Saisonabschluss. Die Latte für den künftigen Opernintendanten Toshiyuki Kamioka liegt damit sehr hoch.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Frannek

Inszenierung
Jakob Peters-Messer

Bühne
Markus Meyer

Kostüme
Sven Bindseil

Licht
Henning Priemer

Choreinstudierung
Jens Bingert
Dietrich Modersohn (Kurrende)

Dramaturgie
Johannes Blum

 

Opernchor und Extrachor der
Wuppertaler Bühnen

Statisterie der
Wuppertaler Bühnen

Wuppertaler Kurrende

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

Roger II., König von Sizilien
Kay Stiefermann

Roxane, seine Frau
Banu Böke

Der Hirte
Rafał Bartmiński

Edrisi, ein arabischer Gelehrter
Christian Sturm

Der Erzbischof
Martin Js. Ohu

Die Diakonissin
Joslyn Rechter

Chorsoli
Hong-Ae Kim
Tomasz Kwiatkowski

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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