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Musiktheater
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Vanda

Tragische Oper in fünf Aufzügen
Libretto von Vaclav Benes-Sumavsky nach einer Vorlage von Julian Surzycki
Musik von Antonin Dvorák

In tschechischer Sprache mit deutschen Seitentiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Theater am Domhof am 15. März 2014
(rezensierte Aufführung am 19. März 2014)

 

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Theater Osnabrück
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Nationalheldin wider Willen          

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg

Antonin Dvorák komponierte eine ganze Menge mehr Opern als gemeinhin bekannt ist. Seine 5. Oper Vanda, die momentan im Theater Osnabrück ihre deutsche, szenische Erstaufführung feiert, vollendete der Komponist als 34-Jähriger. Die tragische Oper wurde 1876 im Interimstheater in Prag uraufgeführt und steht ganz im nationalen Kulturrausch des 19. Jahrhunderts. Vanda, die Protagonistin der Oper ist eigentlich eine polnische Heldin. Die tschechische, mythische Nationalfigur Libussa machte vor Dvorák schon Smetana von 1869 bis 1872 zum Opernstoff. Sie sollte Eröffnungsoper des neuen Nationaltheaters sein und kam daher erst 1881 zur Uraufführung.

Dvoráks Oper thematisiert den Mythos Vanda, diese heidnischen Krakauer Fürstin, die siegreich mit den Feinden kämpft und sich anschließend in der Weichsel ertränkt, ganz im Stile der Grand Opera des 19. Jahrhunderts - fünfaktig, mit vielen, großen Ensembleszenen, Zwischenspielen und Balletteinlagen. Hier werden keine Protagonisten charakterisiert sondern musikalische Heroenbilder gezeichnet - statisch, mit viel Blech und tänzerisch, folkloristisch anmutenden Einlagen. Manchmal kehrt dieser überdimensionierte Klangrausch zu kammermusikalischen Tönen zurück, etwa wenn zur Auftrittsarie des deutschen Herzogs Roderich die Harfe erklingt oder wenn zur Klangfarbe des Violoncello im 2. Akt ein adeliger Gemahl gefunden werden soll. Als Librettist wird Vaclav Benes-Sumavsky genannt, aber glaubt man zeitgenössischen Zeitungsberichten scheinen auch andere damalige JournalistInnen und SchriftstellerInnen wie Frantisek Zakrejs oder Eliska Krasnohorska beteiligt gewesen zu sein. Die eigentlichen Quellen für Musik und Libretto, Dvoráks Partiturautograph und sein Handexemplar des Textes, sind verschollen. Die szenische Aufführung in Osnabrück basiert auf der von Alan Houtchens herausgegebenen neuen Edition, ersetzt jedoch die Ouvertüre und einen anderen Abschnitt aus dem originalen Material von 1876.

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Das Volk huldigt der Königin wider Willen.

Die Opernhandlung spielt im 11. Jahrhundert. Von ihrem Vater zur Nachfolgerin auserkoren, muss Vanda zunächst gegen ihren Willen den Thron besteigen. Es gilt den Willen des Ältestenrates und der Götter, vertreten durch den Hohepriester, zu befolgen. Da die adeligen Kandidaten, die für die anstehende Hochzeit in Frage kommen, in den vorgeschriebenen Prüfungen versagen, ist zunächst der Weg frei für Slavoj, den vom Volk bejubelten Jugendfreund niederen Standes. Dieser tritt auch erfolgreich gegen den neuen Gegner, den deutschen Herzog Roderich an, muss ihn aber am Leben lassen. Auf einer Art schwarzen Messe träumt Vanda vom erlösenden Tod. Als im vierten Akt der Kampf gegen Roderich aussichtslos zu sein scheint, schwört Vanda vor den Göttern, ihr Leben einem Sieg zu opfern. Sie tötet Roderich, und löst gegen den Willen des Volkes und Slavoys den Eid ein und nimmt sich das Leben.

Regisseur Robert Lehmeier zeigt die Oper als klischeehaft und symbolträchtig überzeichneten Bilderreigen, als Folge ästhetisch angeordneter Tableaux. Er wirft einen analytischen Blick auf die polnische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, deutet die tragischen Liebeskonflikte der Protagonistin zu ihrer Jugendliebe Slavoj und dem politischen Gegner Roderich an und stellt Vanda  zugleich als widersprüchliches, zwischen Grausamkeit und moralischer Unbedenklichkeit schwankenden Heldenmythos dar. Passend dazu hat Tom Musch einen geschlossenen Raum geschaffen, in dessen Mitte ein riesiger Altar aus Monolithen prangt.  Er ist Denkmal, Ort politischer Verkündigung und Kultstätte, zugleich aber auch der Rahmen für den verklärenden Auftritt Roderichs im zweiten Akt. Während das Volk mit Cocktailkleidchen, Turmfrisur und Anzug die Fahnen schwenkende Feiergesellschaft des 19. Jahrhunderts repräsentiert, erscheint er, Roderich, als exotischer Deus ex Machina, der zu den Klängen einer im goldenen Guckkasten platzierten Harfe als verweichlichter Lebemann mit weißem Anzug, langen blonden Locken und goldenen Schuhen auf die Bühne stolziert. Gegenpohl ist der im gemusterten Pullunder auftretende Slavoj. Er schultert kraftvoll sein erlegtes Wild und schlitzt es auf, um seiner geliebten Vanda symbolträchtig das Herz zu überreichen. Keine Chance für die hoch dekorierten, arthritisch gebeugten, zuckenden, greisen adeligen Bewerber auf den Königsthron. Der Hohe Priester sitzt im Rollstuhl und vertritt mit Buch und Maske die alte Ordnung. Seine Diener konterkarieren clownesk die häufig symbolträchtige Schwere seiner Auftritte.

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Nach gewonnener Schlacht, Mord und Opfertod wird Schwester Bozena die Last der Krone tragen müssen.

Die schwarze Messe im dritten Akt entpuppt sich als triebhafte Kehrseite der Gesellschaft - angereichert mit einer von Slavoj und Vanda unterbundenen Intrige der Zauberin Homera und Roderichs. Am Ende zieht sich die Oper arg in die Länge. Bevor Vanda nach der bitteren Erkenntnis „die Hand eines Mannes kann unser Land besser regieren“ in die Weichsel springt und Slavoj dem Hohen Priester die Maske vom Gesicht reißt und ihn ersticht, müssen noch zwei weitere Akte Fahnen-Ziehen und -Rollen, Götter-Beschwörung, tragische Selbstreflexion und tränenreicher Abschied ertragen werden. Das ausdrucksstarke Bild, in dem Vandas gebeugtes Alter Ego, ihre Schwester Bozena versucht mit einem zum Angstschrei geöffneten Mund das Schicksal der lastenden Krone aufzuhalten, verpufft am Schluss.

Ob schwermütig klagend, slavisch tänzerisch oder blechlastig triumphierend, das Orchester Osnabrück unter der Leitung Daniel Inbals lotet transparent und homogen die statischen Klangbilder der Dvorák-Komposition aus. Engagiert und bestensausgewählt und einstudiert, spielen und singen Chor und Solistenensemble in tschechischer Sprache – ein ebenso bewundernswürdiger Kraftakt des Theaters wie die Initiative der szenischen Erstaufführung. Lina Liu bewältigt mit ihrem klangschönen, tragenden Sopran meisterhaft die Rolle der jugendlichen, zur Heroin wider Willen erkorenen Vanda. An ihrer Seite sozusagen als Alter Ego verkörpert Susann Vent eine dramatisch schwingende Schwester Bozena. Per Hakan Precht ist ein kraftvoller, brustig gefärbter Slavoj. Oleg Korotkov überzeugt mit klangvollem Bassbariton in der Rolle des Hohenpriesters. Almerija Delic weiß mit klangvoller, dramatischer Stimme in der Rolle der Zauberin Homena das Publikum zu verführen. Daniel Moon gibt einen leichten, brustig gefärbten deutschen Herzog Roderich.

FAZIT

Das Theater Osnabrück hat mit der deutschen szenischen Erstaufführung von Vanda wieder einmal eine interessante Ausgrabung gemacht. Andererseits erstaunt es nicht, dass die Oper nicht zum internationalen Repertoire gehört. Auch die bewegten Tableaux von Robert Lehmeier können die Handlungsarmut nicht auffangen. Die Inszenierung unterstreicht die statischen Klangszenarien Dvoráks, die Oper zieht sich in die Länge.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniel Inbal

Inszenierung
Robert Lehmeier

Bühne und Kostüme
Tom Musch

Choreinstudierung
Markus Lafleur

Dramaturgie
Ulrike Schumann

 

Chor, Extrachor und Statisterie
des Theater Osnabrück

Osnabrücker Symphonieorchester


Solisten

Vanda
Lina Liu

Božena
Susann Vent

Slavoj
Per Håkan Precht

Hohepriester
Oleg Korotkov

Lumir
Jan Friedrich Eggers

Homena
Almerija Delic

Roderich
Daniel Moon

Bote
Jong-Bae Bu

Ausrufer
Tadeusz Jedras

Ein Ritter
César del Rio

Erster Ritter
Mario Lee

Zweiter Ritter
Ji-Seong Yoo



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Osnabrück
(Homepage)





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