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Musiktheater
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Die Vögel

Lyrisch-fantastisches Spiel in zwei Akten
Libretto von Walter Braunfels nach Aristophanes
Musik von Walter Braunfels

In deutscher Sprache mit deutschen Seitentiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30’ (Pause nach der Taubenhochzeit im zweiten Akt)

Premiere im Theater am Domhof am 21. Juni 2014

 

Logo: Theater Osnabrück

Theater Osnabrück
(Homepage)

Der Blick hinter den Kuss der Natur          

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg

Walter Braunfels war Gründer der staatlichen Musikhochschule in Köln, leitete sie bis 1933 und kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg erneut als Direktor der Hochschule nach Köln zurück. Sein künstlerischer Durchbruch als Opernkomponist fällt in eine Zeit, in der viele Künstler und Musiker wie Bartok, Strawinsky, Webern und Berg bemüht sind, das romantische Gewand abzustreifen, neue harmonische Ordnungen, Klänge und musikalische Ausdrucksformen zu finden. Seine spätromantische, traumverlorene, chromatisch schillernde musikalische Sprache kommt beim Publikum an. Bis 1933 zählt er neben Richard Strauß und Franz Schreker zu den meistgespielten Opernkomponisten an deutschen Bühnen. Doch trotz dieses Erfolges werden seine Werke auch nach dem Zweiten Weltkrieg und Tod des Komponisten im Jahre 1954 so gut wie gar nicht aufgeführt. Die Opern Der Traum ein Leben (in dieser Saison in Bonn gespielt, siehe unsere Rezension) und Jeanne d’Arc (zuletzt konzertant bei den Salzburger Festspielen) werden sogar erst im 21. Jahrhundert uraufgeführt.

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Zaunschlüpferchen

Passend zum Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnert das Theater Osnabrück nun in einer einfühlsamen, gelungenen Inszenierung an Braunfels’ dritte Oper Die Vögel, die er zwischen 1913 und 1919 komponierte und die im November 1920 unter Bruno Walter uraufgeführt wurde. Wie viele seiner Zeitgenossen befürwortet Braunfels den Krieg, kämpft entgegen der Bitte seiner Frau, die im April 1917 ihr viertes Kind gebar, weiter und wird 1918 schwer verwundet. Noch Jahre später, so heißt es in den Lebenserinnerungen seiner Frau kann er an diesen „schrecklichen Krieg (...) nicht mit Trauer zurückdenken, weil sich in ihm an mir jenes Wort erfüllte: dass nur derjenige, der sein Leben wegwirft, es gewinnt.“ Eine zwiespältige Erkenntnis, die Braunfels mit der Konversion zum Katholizismus vollendet. Das Libretto schrieb der Komponist selbst nach der Komödie des Aristophanes. Yona Kim zeigt in ihrer Inszenierung, welch zeitkritisches, satirisches Potential die Oper enthält. Mit analytischem Esprit wirft sie einen interpretierenden Blick auf die künstlerischen Strömungen der Entstehungszeit der Oper, beleuchtet kritisch das zwischen Kriegsrealität und künstlerischer Aufbruchsstimmung schillernde,  Zwischenreich der Avantgarde.

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Die warnenden Rufe des Adler sind unerwünscht.

Ein mit Schultornister und Kniebundhose ausgestatteter Ratefreund macht sich auf, um im symbolistischen Reich der Natur Antworten auf seine künstlerische Schaffenskrise zu finden. Auch Freund Hoffegut will seine enttäuschte Liebe in Waldeinsamkeit und Naturromantik vergessen. Sie begegnen Wiedehopf und Nachtigall, ohne deren verbrecherische Menschenvergangenheit zu ahnen. Träumer Hoffegut, betört vom wunderbaren Gesang der Nachtigall, lernt sehen, während Ratefreund, beseelt von Machtgedanken, die Vögel überzeugt, eine eigene Stadt als Bollwerk zwischen Himmel und Erde zu errichten. Warnende Rufe des Adlers ertönen. Von Tamtamklängen angekündigt erscheint Prometheus. Aber auch seine Wundmale und Berichte verhallen ohne Konsequenz. Berauscht von Macht und Freiheitsgedanken und aufgewiegelt von Ratefreund rufen die Vögel zum Krieg gegen die Götter auf, erleben deren Zorn und die Zerstörung ihrer Stadt. Am Ende glaubt Ratefreund, unter Anklängen an Richard Strauß'sche musikalische Verschmitzt- und Verspieltheit, trotz furchtbarer Erlebnisse die künstlerische Schaffenskrise überwunden zu haben. Hoffegut, eingeleitet von warnenden, dissonanten Bläserakkorden, betrauert sehnsuchtsvoll den vereinigenden, spätromantisch schwärmenden Kuss der Natur, während im goldenen Käfig schon die nächste ideologische Verlockung wartet.

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Die be- und verzaubernde Nachtigall

Symbolträchtig hat Evi Wiedemann die Bühne in golden funkelndes Ambiente getaucht. Hugo Holger Schneider nutzt die fantasievoll glitzernde Mode der Zeit, um humorvoll Tier- und Menschencharakter zu verbinden. So empfängt ein selbstverliebter, üppig gefiederter und mit überlangem Schnabel ausgestatteter Wiedehopf die beiden Wanderer auf samtgrüner Chaiselongue, während die reizende, im goldenen Käfig angekettete Nachtigall, in wunderschönen Koloraturen ihrer grausamen Vergangenheit nachsinnt. Angereichert im zweiten Akt mit Filmdokumenten der Zeit und Caspar David Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer ist aus der Oper ein schillerndes, feinsinnig analysiertes Dokument des Lebensgefühls der Zeit geworden.

Generalmusikdirektor Andreas Hotz, die Gesangssolisten, Chor, Extrachor und das Osnabrücker Symphonieorchester ergänzen das eindrückliche Bild. Mal leicht und verspielt, mal mit süßlichem, chromatisch gefärbtem Schmelz führt uns Hotz die musikalische Dramaturgie vor Augen. Textverständlich, ausdrucksstark und rhythmisch geschärft erklingen die hasserfüllten Bedenken und euphorischen Kriegsgeschreie des Vogelvolkes. Johannes Schwärsky ist ein kraftvoll warnender, mit klangvollem Bassbariton ausgestatteter Prometheus. Bariton Heikki Kilpeläinen stellt mit lyrischem Stimmklang den auch selbstverliebt kolorierenden Ratefreund dar. Alexander Spemanns tragfähiger Tenor strahlt und beeindruckt vor allem im Monolog gegen Ende des zweiten Aktes. Star des Abends ist Ensemblemitglied Marie-Christine Haase, die mit schlank geführtem Sopran, wohlklingenden, differenziert gestalteten Koloraturen und brillanten Spitzentönen das Publikum zu verzücken weiß.

FAZIT

Inszenierung, Personenregie, Bühnenbild, Kostüme, Gesang und Musik – das Theater Osnabrück bereichert das Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit einer stimmigen, feinsinnig analysierten Dokumentation des Lebensgefühls der künstlerischen Avantgarde.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Hotz

Inszenierung
Yona Kim

Bühne
Evi Wiedemann

Kostüme
Hugo Holger Schneider

Choreinstudierung
Markus Lafleur

Dramaturgie
Ralf Waldschmidt,
Alexander Wunderlich

 

Chor, Extrachor und Statisterie
des Theater Osnabrück

Osnabrücker Symphonieorchester


Solisten

Nachtigall
Marie-Christine Haase

Hoffegut

Alexander Spemann

Ratefreund
Heikki Kilpeläinen

Wiedehopf
Daniel Moon

Zaunschlüpfer
Susann Vent

Drossel

Almerija Delic

Adler/Stimme des Zeus

Genadijus Bergorulko

Prometheus/Stimme des Zeus
Johannes Schwärsky

Rabe
Tadeusz Jedras



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Osnabrück
(Homepage)





Da capo al Fine

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