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Das Rheingold

Vorabend des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Nürnberg am 30. November 2013
(rezensierte Aufführung: 19.01.2014)




Staatstheater Nürnberg
(Homepage)

Raubbau an natürlichen Ressourcen 

Von Thomas Molke / Fotos von Ludwig Olah


Während zahlreiche Bühnen neue Ring-Produktionen so angelegt haben, dass im Jubiläumsjahr 2013 der komplette Zyklus präsentiert werden konnte, hat man sich am Staatstheater Nürnberg dazu entschieden, nach der letzten Inszenierung von Stephen Lawless, die nicht nur von 2003 bis 2007 in Nürnberg zu erleben war, sondern die Tetralogie 2005 auch im Rahmen des Beijing Music Festival erstmals nach China brachte, erst zum Ende des Jubiläumsjahres mit einem neuen Zyklus zu beginnen. So wird es voraussichtlich bis 2016 dauern, bis der neue Ring hier komplett geschmiedet sein wird. Ähnlich wie in Bayreuth hat man die Inszenierung in die Hand eines Regisseurs gelegt, der eigentlich im Schauspiel beheimatet ist, was nicht per se schlecht sein muss, einen Großteil der Wagner-Fan-Gemeinde aber dennoch zunächst mit Misstrauen erfüllt, weil man fürchtet, dass bei der Umsetzung nicht genug auf die Aussage der Musik geachtet werde. Sieht man von einigen kleineren unnötigen Regie-Mätzchen ab, kann man Georg Schmiedleitner diesen Vorwurf allerdings nicht machen, da er einen stimmigen Zugang zum Vorabend findet, der mit Spannung die weiteren Teile erwarten lässt.

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Die Rheintöchter (von links: Woglinde (Hrachuhí Bassénz), Flosshilde (Juditha Nagyová) und Wellgunde (Leah Gordon)) spielen mit Alberich (Antonio Yang).

Schmiedleitner betrachtet das Rheingold als eine Art Kammerspiel, in dem keine mythologischen Götter, Riesen oder Naturwesen agieren sondern Menschen, da er die Handlungsweise der Figuren als durch und durch menschlich motiviert sieht. Wotans Schnitzen seines Speers aus der Weltesche und Alberichs Raub des Rheingolds betrachtet er als erste Eingriffe der Menschen in die Natur, die den Raubbau an natürlichen Ressourcen nach sich ziehen. Wie weit der Mensch dabei die Umwelt bereits zerstört hat, wird direkt im ersten Bild deutlich, wenn der Rhein mit leerem Plastikmüll überhäuft ist. Im Hintergrund hängt aus dem Schnürboden eine gewaltige Baumkrone herab, deren Äste ebenfalls angegriffen sind. Stefan Brandtmayr hat für die Rheintöchter ein hohes verschiebbares Podest mit mehreren Leitern errichtet, auf das sie sich jeweils im Spiel mit Alberich vor den Annäherungsversuchen zurückziehen können. Darauf befinden sich mehrere Bassins, in denen die drei dann auch richtig plantschen können. Hrachuhí Bassénz, Leah Gordon und Judita Nagyová begeistern als Woglinde, Wellgunde und Flosshilde mit wunderbar aufeinander abgestimmten Stimmen und herrlicher Textverständlichkeit. Auch ihr Spiel mit dem Nachtalben ist herrlich fies, so dass man schon fast Mitleid mit Alberich empfinden und seine Motivation für die Verfluchung der Liebe nachvollziehen kann.

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Wotans (Randall Jakobsh) Abstieg nach Nibelheim (Statisterie Staatstheater Nürnberg)

Antonio Yang stattet Alberich mit einem kräftigen und absolut textverständlichen Bass aus und vollzieht darstellerisch eine glaubhafte Wandlung vom gefoppten Nachtalben zu einem rücksichtslosen Machtmenschen, der seinen Bruder und die Nibelungen grausam knechtet. Wenn er nach seinem verzweifelten Werben um die Rheintöchter schließlich die Liebe verflucht und das Gold an sich nimmt, überschüttet er sich auf dem Podest mit einem riesigen Kanister goldener Farbe. Ob dieser Kanister dabei eine Anspielung auf Erdöl sein soll, lässt sich nur aufgrund der Form der zahlreichen Behälter mutmaßen, die später als Goldbarren fungieren und dabei in der Form an Benzinkanister erinnern. Bezeichnender ist allerdings, dass auch die Nibelungen, die Alberich im dritten Akt für sich arbeiten lässt, mit dieser goldenen Farbe überzogen sind. Aus welchem Grund sie dabei Gasmasken tragen, bleibt unklar.

Bei den Bergeshöhen im zweiten Bild ist die Zerstörung der Natur noch weiter fortgeschritten. Zu dem Plastikmüll auf der Bühne sind auch noch zahlreiche Äste gekommen. Ist die Weltesche hier schon gefällt? Eingerahmt wird die Bühne von halbtransparenten Plastikplanen, auf die teilweise die auf der Bühne agierenden Figuren projiziert werden. Wieso man Wotan zu Beginn der Szene beim Geschlechtsverkehr mit Fricka zeigen muss, ist sicherlich einer der Regie-Einfälle, auf die man gern verzichtet hätte. Das braune Ledermobiliar, das etwas verloren auf der Bühne herumsteht, macht deutlich, dass die Götter auf ihren Einzug in die neue Burg Walhall warten, und stört dabei nicht weiter. Wieso die Riesen jedoch die fertige Burg Walhall als Tortenmodell in Form einer Akropolis hereintragen, an der die Götter von Zeit zu Zeit mal naschen, ist eher überflüssig. Randall Jakobsh überzeugt als Wotan mit einer fundierten Mittellage und markanten Tiefen, wirkt in den Höhen allerdings bisweilen etwas angestrengt. Roswitha Christina Müller stattet Fricka mit einem voluminösen Mezzo aus, der Frickas heftigen Vorwürfe ihrem Gatten gegenüber extrem glaubwürdig macht. Michaela Maria Mayer gefällt als Freia mit mädchenhaftem Sopran und bewegendem Spiel. Bemerkenswert ist auch die Wandlung vom furchtsamen Mädchen zu einer liebenden Frau, die um den toten Fasolt trauert und nicht von seiner Seite weichen will. Bei den Riesen überzeugt vor allem Nicolai Karnolsky als Fafner mit schwarzem Bass und diabolischem Spiel. Taehyun Jun wirkt dagegen als Fasolt ein wenig blass.

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Wotan (Randall Jakobsh, 2. von links) raubt Alberich (Antonio Yang, links) den Ring (im Hintergrund auf dem Podest: Loge (Vincent Wolfsteiner), rechts daneben: Mime (Hans Kittelmann)).

Als Glanzlicht der Aufführung kann Vincent Wolfsteiner als Loge bezeichnet werden. Mit manieriertem Spiel macht er seine Einstellung den anderen Göttern gegenüber deutlich, die ihm mit Ausnahme von Wotan nicht gerade gewogen sind, denen er sich allerdings absolut überlegen fühlt. Sein beweglichem Tenor korrespondiert hervorragend mit der Wendigkeit dieses Feuergottes, der nicht zu packen ist und immer die Oberhand behält. Absolut nachvollziehbar wird, dass Alberich auf ihn hereinfällt, wenn er sich zunächst in einen Riesenwurm und dann in eine kleine Kröte verwandelt, was ihm anschließend zum Verhängnis wird. An dieser Stelle setzt Schmiedleitner schon beinahe auf märchenhafte Effekte, auch wenn der Riesenwurm, der sich aus dem Bühnenhintergrund nach vorne schiebt, eher an eine überdimensionale Made erinnert. Wenn dann eine kleine Kröte aus dem Souffleur-Kasten auf die Bühne springt, die von Wotan ergriffen und recht rüde auf den Boden geknallt wird, kann sich ein Großteil des Publikums ein Schmunzeln nicht verkneifen. Da fiebert man schon mit großer Erwartung der Umsetzung des Riesenwurms im Siegfried entgegen.

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Wotan (Randall Jakobsh, vorne rechts) im Zwiespalt: Soll er für Freia (Michaela Maria Mayer) auf den Ring verzichten (im Hintergrund von links: Fafner (Nicolai Karnolsky), Donner (Martin Berner) und Froh (David Yim))?

Als gelungen kann auch die Umsetzung von Nibelheim bezeichnet werden. Zum einen erklingen von den Bühnenseiten bei Wotans und Loges Abstieg echte Ambosse und schwellen zu einem regelrecht ohrenbetäubenden Lärm an, der hierbei realistischer wirkt als bei zahlreichen Aufführungen, bei denen die Ambosse nur vom Band eingespielt werden. Zum anderen wird aus dem Bühnenboden ein Kasten emporgefahren, der als eine Art Höhle fungiert und von den Nibelungen gold angestrichen wird. Hier gibt es nichts Natürliches mehr. Alles ist mit goldener Farbe übertüncht. Eine Aufwertung erfährt die Figur des Mime, der von Hans Kittelmann als bemitleidenswerter Zwerg gestaltet wird und das Spiel der Götter mit Alberich aus der Distanz beobachtet. Wenn Alberich von den Göttern überwältigt wird, nutzt er auch zunächst die Gelegenheit, den Tarnhelm, den er ja von Anfang an für sich behalten wollte, wieder an sich zu nehmen. Erst wenn die Nibelungen den Goldschatz zu den Göttern bringen müssen, bemerkt Loge den Diebstahl und entwendet dem Zwerg den Tarnhelm.

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Erda (Leila Pfister) warnt Wotan (Randall Jakobsh) vor dem Ring.

Ob man das Kostüm der Erda im vierten Bild mag, ist Geschmacksache. Mit den riesigen braunen Federn auf dem Kopf und dem nur mit grauer Farbe bedeckten Oberkörper wirkt sie wie eine Magierin eines afrikanischen Naturvolkes. Stimmlich wirkt Leila Pfister ein wenig unsicher, so dass die Szene nicht den Eindruck hinterlässt, der nachvollziehbar macht, dass Wotan diese Frau erneut aufsuchen muss. Der Einzug in die Burg Walhall wird dann nur durch grelle Leuchtstoffröhren angedeutet, die im Hintergrund aus dem Schnürboden herabhängen und zwischen denen die Götter verschwinden, während die Rheintöchter sich klagend in einen Ledersessel kauern. Marcus Bosch führt die Staatsphilharmonie Nürnberg äußerst zügig durch die Partitur, und auch wenn die Blechbläser an einzelnen Stellen nicht ganz sauber intonieren, gelingt Bosch ein differenzierter Zugang, der die Sänger nicht überdeckt und damit die Übertitelung beinahe überflüssig macht. So gibt es für alle Beteiligten lang anhaltenden Applaus am Ende der Aufführung.

FAZIT

Schmiedleitner gelingt ein stimmiger Ansatz dieses Vorabends, der neugierig auf die im April stattfindende Premiere der Walküre macht. Auch die musikalische Umsetzung lässt die Fortsetzung des Zyklus mit Spannung erwarten.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marcus Bosch

Inszenierung
Georg Schmiedleitner

Bühne
Stefan Brandtmayr

Kostüme
Alfred Mayerhofer

Licht
Olaf Lundt

Video
Boris Brinkmann
Stefan Brandtmayr (Animation)

Dramaturgie
Kai Weßler


Statisterie Staatstheater
Nürnberg

Staatsphilharmonie Nürnberg


Solisten

Wotan
Randall Jakobsh

Donner
Martin Berner

Froh
David Yim

Loge
Vincent Wolfsteiner

Alberich
Antonio Yang

Mime
Hans Kittelmann

Fasolt
Taehyun Jun

Fafner
Nicolai Karnolsky

Fricka
Roswitha Christina Müller

Freia
Michaela Maria Mayer

Erda
Leila Pfister

Woglinde
Hrachuhí Bassénz

Wellgunde
Leah Gordon

Flosshilde
Judita Nagyová


Weitere
Informationen

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Staatstheater Nürnberg
(Homepage)



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